Bereits im Vorfeld des Gipfels zeichnete sich ab, dass der britische Ex-Premier und Labour-Politiker Tony Blair als Anwärter für den neu geschaffenen Posten des EU-Ratspräsidenten aus dem Rennen ist. So hatte sich der christdemokratische Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker per Interview selbst als Gegenkandidat zu Blair in Stellung gebracht. Beobachter gehen davon aus, dass der Eurogruppen-Chef Juncker aber wegen vergangener Differenzen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in der Haushaltspolitik und beim Streit um Steueroasen auf Widerstand im Elysee-Palast stößt. Der wahre Grund für Junckers “Kandidatur” sei wohl, Blair zu verhindern, sagte ein Diplomat. Gleichzeitig wisse Juncker auch, dass ihn Deutschland und Frankreich als Ratspräsident verhindern würden, sagte der CDU-Europapolitiker Werner Langen.
Wohl mehr aus taktischen Gründen hält der britische Premier und Labour-Politiker Gordon Brown noch an seinem Vorgänger Blair für den Posten des EU-Ratschefs fest. Browns europäische Parteigenossen – darunter Faymann – lehnen Blair unter anderem wegen dessen Rolle im Irak-Krieg ab, zählen aber intern den britischen Außenminister David Miliband zu ihren Kandidaten für den EU-“Außenminister”. Faymanns Koordinierungsmission sei für Brown eine Frage der Gesichtswahrung, erklärte ein Insider. Brown wolle Milliband auch noch nicht vorzeitig “verbrennen”, vermuten Beobachter. Denn im Brüsseler Postenschacher gilt das eiserne Gesetz, dass frühzeitig genannte Anwärter längst abgeschossen sind, bevor das Rennen entschieden ist.
Sollte Juncker definitiv aus dem Rennen sein, hätten rein nach der Papierform her zwei Christdemokraten, die in den internationalen Medien als Anwärter für den Ratspräsidenten gehandelt werden, die besten Chancen: der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende und der österreichische Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V). Dem Vernehmen nach will der schwedische EU-Ratspräsident und Regierungschef Fredrik Reinfeldt einen Ex-Premier vorschlagen, der bereits eine EU-Ratspräsidentschaft gemanagt hat. Sollten die Sozialisten Milliband als EU-“Außenminister” wünschen, müsste der Ratspräsident aus einem kleinen Land kommen, sagte Antonio Missiroli, Chefpolitologe am European Policy Center in Brüssel.
Für Balkenende spreche, dass die Niederlande ein Gründungsstaat der EU seien, der Premier ein hohes Ansehen unter den Regierungschefs genieße und mit seinem Harry-Potter-Image dem EU-Ratspräsidenten sogar “einen Hauch unschuldiger Magie” verleihen könnte, sagte Missiroli. Zudem waren die Niederlande zuletzt mit NATO-Chef Jaap de Hoop Scheffer und mit dem ersten EZB-Chef Wim Duisenberg stark auf europäischen Spitzenposten vertreten, jetzt ist dieser Platz für einen Niederländer vakant.
Schüssel dagegen erhielt für den österreichischen EU-Vorsitz 2006 durch die Bank gute Noten in Europa. Ihm wird ein gutes Verhältnis zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nachgesagt, mit der nunmehr Faymann informell Gespräche über die Top-Posten führen wird.
Nach Einschätzung der meisten Brüssel-Beobachter fällt Merkel die Rolle einer “Königsmacherin” zu. Eine klare österreichische Regierungslinie ist nicht erkennbar. Er habe den den Namen Schüssel als möglicher Kandidat außerhalb Österreichs “nicht gehört”, sagte Faymann. Er habe in den vergangenen Wochen klar gemacht, dass Schüssel “ein unglaublich erfahrener Politiker, ein großer Europäer ist”, betonte dagegen Vizekanzler Josef Pröll (V). “Für mich ist Wolfgang Schüssel, wenn er in Betracht kommt, ein Kandidat, der das kann”, sagte Außenminister Michael Spindelegger (V).
“In zwei Jahren wird man begreifen, dass der viel wichtigere Posten jener des Hohen EU-Beauftragten für die Außenpolitik ist”, meint Missiroli. Dieser sitze nämlich im Gegensatz zum Ratspräsidenten auf den personellen und finanziellen EU-Ressourcen, sei als Vizepräsident der EU-Kommission zweiter Mann hinter Präsident Jose Manuel Barroso und leite zudem noch alle Sitzungen der EU-Außenminister.
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