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Autorin Gertrud Fussenegger gestorben

Die österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger ist am Donnerstag 96-jährig im St. Anna-Heim in Linz im Kreise ihrer Familie verstorben. Erzählerin von Glaube und Geschichte | Zum Kondolenzbuch

Gertrud Fussenegger wurde am 8. Mai 1912 in Pilsen (Tschechien) als Offizierstochter geboren und verbrachte ihre Kindheit in Galizien, Pilsen, Dornbirn und Telfs. In Innsbruck und München studierte sie Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie und promovierte 1934 über den altfranzösischen Rosenroman. Im Jahr darauf heiratete sie den Bildhauer Elmar Dietz, mit den vier Kindern lebte sie ab 1943 allerdings als Alleinerziehende in Hall in Tirol. 1947 folgte die Scheidung, 1950 heiratete sie den Bildhauer Alois Dorn, mit dem sie einen weiteren Sohn hatte und 1961 nach Leonding bei Linz zog.

Prägend vor allem für die Anfänge ihres Schreibens und die späteren Kontroversen um ihre Person war ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus. Schon 1933 trat Fussenegger der österreichischen NSDAP bei, eines ihrer ersten Bücher, die “Mohrenlegende” wurde jedoch von den NS-Gutachtern als Kritik an der Rassenideologie und “katholisches Machwerk” abgelehnt. Auch gegen andere ihrer Bücher gab es Einwände, viele von Fusseneggers weiteren, meist religiös konzipierten Romanen, Gedichten und Rezensionen fanden allerdings in wichtigen NSDAP-Organen Verbreitung.

Der “Völkische Beobachter” druckte etwa 1938 als erste Zeitung ihr Gedicht “Stimme der Ostmark” ab. Nach 1945 brachte Fussenegger das Gedicht massive Kritik ein, weil es als Bejubelung des Untergangs Österreichs und als Verherrlichung des Führers verstanden wurde. Rund 50 Jahre später erklärte die Autorin, es täte ihr Leid, “viele gute Gedanken verschwendet” zu haben, “auf eine Sache, die dann ein Gräuel war”. 1946 wurden zunächst einige ihrer Werke in Berlin und Wien auf die “Liste der gesperrten Autoren und Bücher” gesetzt.

Bald darauf begann für Fussenegger allerdings wieder eine intensive Schaffensperiode. Mit einer Reihe ihrer Werke erlangte sie internationales Ansehen, etwa mit der “Böhmischen Trilogie” – “Die Brüder von Lasawa” (1948), “Das Haus der dunklen Krüge” (1951) und “Das verschüttete Antlitz” (1962) – oder mit ihrer 1979 veröffentlichten Autobiografie “Spiegelbild mit Feuersäule”. Auf mehr als 60 Bücher, darunter zehn Romane, Erzählungen, Gedichte, Dramen und Essays, sollte ihr Werk mit den Jahren anwachsen. “Ich habe mich von der Vergangenheit nie getrennt”, sagte Fussenegger zu ihrem 90. Geburtstag. “Als Epiker lebt man in der Vergangenheit viel mehr als in der Zukunft. Die Vergangenheit, die blüht aus jedem Eck.”

Weitere wichtige Werke, die Fussenegger unter ihren Bewunderern den Titel der “Grande Dame der österreichischen Literatur” eintrugen, sind etwa “Die Pulvermühle” (1968), “Sie waren Zeitgenossen” (1983), die Erzählbände “Kaiser, König, Kellerhals” (1981), “Der Goldschatz aus Böhmen” (1989), die dramatische Szenenfolge “Pilatus” (1979) sowie die Gedichtbände “Widerstand gegen Wetterhähne” (1974) und “Gegenrufe” (1986). Im Böhlau Verlag erscheint im kommenden Juni eine Dissertation zu Fusseneggers erzählerischem Werk von Rainer Hackel als erste wissenschaftliche Monografie des “von der Literaturwissenschaft bisher nicht angemessen gewürdigten” Lebenswerks der Autorin. In ihren Romanen “spiegeln sich Krisen und Katastrophen der Moderne in Handlungsmustern der Vergangenheit. Geschichte wird zur Gegenwart”, so der Klappentext.

In ihrer langen Lebenszeit wurde Gertrud Fussenegger auch vielfach ausgezeichnet. 1963 erhielt sie den Adalbert-Stifter-Preis, 1969 den Johann-Peter-Hebel-Preis und 1979 den Mozart-Preis. 1972 wurde ihr der Titel “Professor” verliehen, 1981 das österreichische Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft. Sie war Mitglied des P.E.N.-Clubs, der Humboldt-Gesellschaft, der Sudetendeutschen Akademie und Ehrenmitglied des österreichischen Schriftstellerverbandes. Zu weiteren Auszeichnungen zählen das Bundesverdienstkreuz, der Jean-Paul-Preis des Freistaates Bayern und das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich 2003. 2007 erhielt sie von Papst Benedikt XVI das Komturkreuz mit Stern des päpstlichen Silvesterordens. Der Vorlass ihrer Werke befindet sich im Oberösterreichischen Literaturarchiv im Stifterhaus Linz. 

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