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"Aula"-Prozess - Zweiter Tag mit historischem Überblick

Erste Zweifel am Halten des Verhandlungsplans
Erste Zweifel am Halten des Verhandlungsplans ©APA/ERWIN SCHERIAU
Am zweiten Prozesstag gegen den ehemaligen Chefredakteur der Zeitschrift "Aula" in Graz ist am Dienstagvormittag der Gutachter am Wort gewesen. Magnus Brechtken von der Universität München fasste für die Geschworenen die geschichtlichen Hintergründe zu Nazi-Propaganda, Rassentheorie und Antisemitismus zusammen. Für den vorsitzenden Richter Erik Nauta sind der Überblick und Kenntnisse über die Geschichte wichtig für die spätere Sichtung der in der Anklage gelisteten Artikel.

Die Schilderungen des deutschen Historikers, Leiter des Instituts für Zeitgeschichte, spannten den Bogen von den ersten Rassentheorien in den 1850er-Jahren über den Sozialdarwinismus bis hin zu Adolf Hitler, der diese Einflüsse für sich entdeckt habe. "Er formte es zu einer für ihn schlüssigen politischen Ideologie", erklärte Brechtken, die bis 1933 politisches Programm und danach politische Praxis gewesen sei. Trotz nachvollziehbarer und möglichst knapper Erklärungen glich der Verhandlungsvormittag im Schwurgerichtssaal wohl auch wegen der in die Tiefe gehenden Nachfragen des Richters eher einer Vorlesung.

Zweifel am Halten des Verhandlungsfahrplans

Bereits zu Beginn des zweiten Prozesstages hatte Nauta selbst leise Zweifel an seinem aufgestellten Verhandlungsplan. Diesem zufolge müssten bis kommenden Freitag rund 300 Artikel und Passagen aus der "Aula", die in der Gesamtbetrachtung den Paragraf 3d des Verbotsgesetzes erfüllen sollen, dargelegt und beschrieben werden. Das wären etwa 100 pro Tag, hielt Nauta selbst fest und ergänzte: "Mal sehen, ob wir das schaffen." Für kommenden Montag hat das Gericht jedenfalls zwei Zeugen vom Verfassungsschutz geladen. Ein Urteil ist eigentlich für den 26. September geplant. Platzt der Prozessplan, könnte sich die Verhandlung wohl in den Spätherbst oder gar in den Winter ziehen.

Begonnen hatte der Prozess gegen Martin Pfeiffer, der von 2004 bis 2018 Chefredakteur der "Aula" war, am Montag. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dass er in der Zeitschrift Artikel veröffentlicht hat, die geneigte Leser und Leserinnen zur NS-Wiederbetätigung auffordern oder verleiten könnten. Pfeiffer hatte am Montag zugegeben, dass er es war, der die eingereichten Artikel der unterschiedlichen Autoren gesammelt und gesichtet habe. Er habe entschieden, welcher Artikel wann verwendet wird und er habe sie auch lektoriert und "inhaltlich geprüft", pflichtete er auf Nachfrage von Richter Nauta bei.

Die Vorwürfe

Die Anklage listet rund 300 Artikel aus dem mittlerweile eingestellten Magazin auf, die unter anderem Rassenlehre und Antisemitismus propagieren sollen. Pfeiffer, der zu seiner Zeit als Chefredakteur auch FPÖ-Bezirkspolitiker in Graz war und auch am ersten Prozesstag alle Vorwürfe von sich gewiesen hat, soll unter anderem Rassismus, Herrenrassen- und völkisches Denken sowie einem biologisch-rassistischen Volksbegriff und nationalsozialistischen Rassentheorien in der "Aula" eine Plattform geboten haben. Es wurden Begriffe wie "rassisch Minderwertige" verwendet sowie "Rassenmischung" durch Integration als Gefahr und "Europide" als Vertreter einer überlegenen Rasse dargestellt, so die Anklage. Personengruppen seien im "Aula"-Jargon als "Neger" oder "Zigeuner" bezeichnet. Über sie sei vorwiegend negativ berichtet und gehetzt worden. Sie wurden pauschal als kriminell, arbeitsscheu und minder intelligent dargestellt, sagte Staatsanwalt Christian Kroschl in seinem Eröffnungsplädoyer am Montag.

(APA)

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