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Auftakt zur Vierschanzen-Tournee: So stehen die Chancen der Österreicher

In vier Springen zum Gesamtsieg - wie Ryoyu Kobayashi 2019
In vier Springen zum Gesamtsieg - wie Ryoyu Kobayashi 2019 ©Daniel Karmann, DPA via AP
Los geht's! An diesem Montag (16.30 Uhr) steht in Oberstdorf die erste Skisprung-Qualifikation der Vierschanzentournee auf dem Programm, am Dienstag findet das erste Springen statt.

Es ist der Auftakt zu zehn turbulenten Tagen, wie sie Springer und Verantwortliche so selbst noch nicht erlebt haben. Wo sonst zehntausende Fans feiern und singen, wird diesmal Stille herrschen. Wie so viele andere Sportevents muss 2020/21 auch die Tournee ohne Zuschauer stattfinden.

Österreichs Springer sind allemal für Plätze ganz vorne gut, doch die Favoriten sind andere. Und im Vordergrund steht für viele eine anhaltende oder auch verbesserte Gesundheit.

Erster Corona-Fall bei Tournee: Pole Muranka positiv

Die Vierschanzentournee der Skispringer hat ihren ersten Corona-Fall. Der Pole Klemens Muranka wurde bei der Serientestung in Oberstdorf am Sonntag positiv auf das Virus getestet, wie er selbst in den sozialen Medien bestätigte. "Es tut mir leid, aber es ist passiert ... Ich bin positiv und bisher ohne Symptome", schrieb der 26-Jährige auf Instagram."

Nach positivem Corona-Test: Vierschanzentournee startet ohne Polen

Die Vierschanzentournee startet ohne den polnischen Titelverteidiger Dawid Kubacki, Olympiasieger Kamil Stoch und dessen Teamkollegen. Nach einem positiven Corona-Test von Klemens Muranka wurde die gesamte Skisprung-Mannschaft aus dem Wettbewerb genommen, wie die Organisatoren am Montag, wenige Stunden vor der Qualifikation zum Auftaktspringen in Oberstdorf, bekanntgaben.

In Stoch und Kubacki fallen somit schon vor dem ersten Wettkampf zwei Mitfavoriten aus. Neben den beiden Top-Springern und Muranka waren Piotr Zyla, Maciej Kot, Aleksander Zniszczol sowie Andrzej Stekala für die Tournee vorgesehen. Je nachdem, wie weitere Tests ausfallen, kann es sein, dass die Polen zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Tournee einsteigen. Chancen auf einen Gesamtsieg haben sie nach dem verpassten Auftakt dann aber nicht mehr.

Polens Sportdirektor, der ehemalige Skispringer Adam Malysz, sagte: "Noch vor zwei Tagen hatten wir einen Test, dort waren alle Ergebnisse negativ. Es ist seltsam."

Im ersten Saisondrittel hatte es im Skisprung-Weltcup schon einige Corona-Fälle gegeben: Neben dem deutschen Flug-Weltmeister Karl Geiger waren unter anderen auch die Österreicher Stefan Kraft und Michael Hayböck sowie deren Trainer Andreas Widhölzl infiziert. Zur Tournee sind aber alle wieder zurück.

Der Top-Favorit auf den goldenen Adler

An Seriensieger Halvor Egner Granerud führt in dieser Saison kein Weg vorbei. Nach fünf Weltcup-Erfolgen am Stück ist der Norweger klarer Favorit auf den goldenen Adler. Dabei wäre er um ein Haar aus dem nationalen Kader gestrichen worden. "Er war nicht der Beste im Sommer. Aber er hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Deswegen habe ich ihn auch ins Team genommen, obwohl er es von den Ergebnissen nicht verdient gehabt hätte", sagte Trainer Alexander Stöckl in einem Interview dem "Münchner Merkur" und der "tz".

ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl war vor seiner ersten Tournee in dieser Funktion vor allem einmal froh, dass er überhaupt auf das stärkste Team zurückgreifen kann. "Es war doch eine Krankheit und es ist nicht so selbstverständlich, dass alles so positiv ausgeht. Wir sind sehr glücklich, dass alle wieder da sind und ich freue mich irrsinnig auf die Tournee. Ich traue jedem sehr viel zu", sagte Widhölzl, der selbst nicht nur Corona-positiv war, sondern auch Symptome gezeigt hat.

Und plötzlich ist Daniel Huber größte ÖSV-Hoffnung

Das hätte sich Daniel Huber auch nicht träumen lassen: Vor Beginn der 69. Vierschanzen-Tournee ist der am 2. Jänner 28 Jahre alt werdende Salzburger vom Saisonverlauf her das heißeste Eisen im ÖSV. Die Gründe sind vielfältig, liegen in zwei Corona-Ausbrüchen im Team, den Rückenproblemen von Weltcup-Titelverteidiger Stefan Kraft, aber auch in zwei Podestplätzen Hubers.

"Das ist definitiv eine ungewöhnliche Rolle. Das hätte ich mir auch einen Monat vor der Saison nicht so gedacht", meinte Huber zur APA - Austria Presse Agentur. "Es ist generell ein bisserl eine ungewöhnliche Saison. Ich bin froh wie es angelaufen ist. Mir taug mit t es, dass ich Sprünge relativ konstant auf dem Level zeigen kann. Ich bin bereit und fühle mich sehr wohl in der Rolle", nimmt er die Ausgangsposition selbstbewusst an.

Ein Mitgrund für die Stabilität sei einerseits das neu abgestimmte Setup, aber auch der Kopf. "Die größten Schritte habe ich sicher im mentalen Bereich gemacht. Ich bin gut eingestellt auf die Wettkämpfe und komme teilweise 'in den Tunnel und den Flow'."

Geheimfavorit Stefan Kraft

Auch den bisher wegen Corona und dann wegen Rückenproblemen punktelosen Weltcup-Titelverteidiger Stefan Kraft traut Widhölzl einiges zu. "Krafti, schätz ich, wird das auch machen und seinen "Nuller" bereinigen. Ich nehme gern den (Halvor Egner) Granerud als Beispiel her, mit dem hat am Anfang der Saison keiner gerechnet." Auch sein Team habe ein "Wahnsinnspotenzial".

Der angesprochene Kraft freut sich, dabei sein zu können und "ich hoffentlich die Tournee durchhalte". Dass er in Deutschland als Geheimfavorit gehandelt wird, berührt ihn im Moment sehr wenig, "Ich glaube schon, dass ich sehr gut springen kann, es ist halt sehr ungewiss. Ich habe einen Wettkampf in meinen Füßen und der ist schon ein Monat her", sagte der Salzburger.

Hayböck mit Außenseiter-Chancen

Doch auch der nach der Nichtnominierung von Gregor Schlierenzauer Team-Älteste Michael Hayböck könnte ganz vorne mitmischen. Trotz zweiwöchiger Coronapause hatte er aus der Quarantäne heraus als Vierter Skiflug-WM-Edelmetall nur knapp verpasst. Bei ihm habe die Sommervorbereitung endlich nach Plan gepasst und auch seine Rückenprobleme seien nun behoben. "Das ist ein großer Unterschied, wenn man sorgenfrei und in allen Umfängen trainieren kann."

Engelberg sei für Hayböck quasi ein Neustart gewesen, da nach der Quarantäne gleich das Skifliegen war und er nun wieder auf den zur Normalität gewordenen Großschanzen unterwegs ist. "Es geht für mich darum, zu meinen richtig guten Sprüngen zu finden. Und die sind mehr wert als die letzten Jahre. Ich weiß, dass es für sehr weit vorne reichen kann."

Überraschungsmann Lackner

Überrascht hatte zuletzt auch Thomas Lackner, der sich mit Rang vier in Nischnij Tagil für das ÖSV-Tourneeteam empfohlen hatte. "Ich bin eigentlich mit Russland mit einem sehr spätem Anruf am Samstagabend um halb zwölf fast ins kalte Wasser geworden worden, Gott sei Dank muss man sagen", meinte Lackner, der sich über ein "tolles Weihnachtsgeschenk" freute, nämlich, dass er seine erste komplette Tournee springen darf. Und das obwohl er vor der Saison keinem ÖSV-Kader angehörte.

Der 27-jährige Tiroler studiert in Innsbruck Jura und arbeitet nebenbei im Büro eines Juweliers. An Goldprojekten? "Im Geschäft einmal schon, aber den Rest muss ich mir verdienen, aber ich gebe mein Bestes", antwortet er lächelnd. Er ordnet dem Sport alles unter, verrät er. Und auch, dass er mit dem letzten verbliebenen Helm des Ex-Tournee-Siegers Thomas Diethart (2013/14) springt. "Wir sind sehr gut befreundet und er hat keine Verwendung mehr dafür." Der Helm gefällt ihm und "es ist ein kleines Memoriam an ihn."

Vierschanzentournee für Frauen wohl auch 2021/22 nicht im Programm

Der Start einer Vierschanzentournee für Skispringerinnen droht sich weiter zu verzögern. Dies sagte Tournee-Präsident Johann Pichler der Nachrichtenagentur APA. "Aufgrund der Corona-Situation wird sich eine Frauen-Tournee um das eine oder andere Jahr nach hinten verschieben. So wie es jetzt ausschaut, wird es auch für das kommende Jahr sehr schwierig werden", sagte Pichler, der auch Präsident des Skiclubs Bischofshofen ist. Die Verantwortlichen sind sich zwar einig, eine solche Tour einführen zu wollen. Konkrete Pläne oder einen Starttermin gibt es bislang aber nicht.

Die Frauen kämpfen schon seit Jahren um mehr Wettkämpfe im Weltcup und den Anschluss an die Männer-Tour. Die männlichen Skispringer sind für eine solche Angleichung aufgeschlossen, wie mehrere Spitzenathleten bereits sagten.

(APA)

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