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Aufnahme von Asylwerbern: Dublin III, Schengen und Mindeststandards

Die EU arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Liste "sicherer Herkunftsstaaten".
Die EU arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Liste "sicherer Herkunftsstaaten". ©AP
Wer in der EU Asyl sucht, hat das Recht darauf, anständig behandelt zu werden. Alle EU-Länder müssen Antragstellern ein menschenwürdiges Leben ermöglichen - in der Praxis wird die Versorgung aber oft sehr unterschiedlich gehandhabt. Die EU hat in den vergangenen Jahren die Regeln für das gemeinsame Europäische Asylsystem reformiert.

So legt die EU-Aufnahmerichtlinie einen Katalog mit MINDESTNORMEN fest. Die Staaten müssen jeden Bewerber bis zum Abschluss seines Verfahrens aufnehmen und ihm Unterkunft, Lebensmittel, Kleider und Geld oder Gutscheine für die täglichen Ausgaben geben. Minderjährige sind besonders geschützt, so darf etwa eine Familie zusammenbleiben. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Zugang zu SCHULBILDUNG.

Asylsuchende haben Anspruch auf eine GESUNDHEITSVERSORGUNG, Verfolgte und Folteropfer auch auf psychologische Hilfe. Bewerber erhalten schon nach 9 statt vorher nach 12 Monaten eine ARBEITSERLAUBNIS. So lange ein Asylsuchender in seinem Verfahren Einspruch einlegt, kann sein Antrag nicht abgelehnt werden. Seit der Reform gibt es weniger Möglichkeiten zur INHAFTIERUNG – vor allem für Minderjährige. Grundsätzlich gilt, dass eine Person nicht allein deshalb in Haft genommen werden darf, weil sie internationalen Schutz beantragt hat.

Die EU legt auch Regeln für ASYLVERFAHREN fest. So müssen die EU-Staaten Anträge innerhalb von sechs Monaten bearbeiten, nur in komplizierten Fällen kann es bis zu 18 Monaten dauern.

Die DUBLIN-VERORDNUNG (siehe unten) bestimmt zudem seit 2003, dass Asylanträge immer in dem Land zu bearbeiten sind, in dem der Bewerber in die EU einreist. Die viel diskutierte europaweite Verteilung von Flüchtlingen gibt es also nach wie vor nicht.

Die FINGERABDRÜCKE von Verfolgten müssen in der elektronischen Datei namens Eurodac gespeichert werden, auf die Polizei und Justiz Zugriff haben. Eurodac soll verhindern, dass ein Asylbewerber in mehreren EU-Ländern gleichzeitig Asyl beantragt.

Wenn Staaten die Regeln nicht einhalten, kann die EU-Kommission sie vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Derzeit laufen mehr als 30 solcher KLAGEN. Darunter ist auch Deutschland wegen Verstoßes gegen die Vorgaben zu Asylverfahren und zum Daueraufenthalt.

Die EU arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Liste “sicherer Herkunftsstaaten”. Die Einstufung dient dazu, Asylbewerber aus diesen Ländern schneller zurück in die Heimat zu schicken, weil sie nicht als politisch verfolgt angesehen werden.

Stichwort: Die Dublin III-Verordnung

Die Dublin-Verordnung ist ein für alle EU-Staaten verbindlicher Rechtstext, der festlegt, dass jenes EU-Land für die Bearbeitung von Asylverfahren zuständig ist, in dem Schutzsuchende erstmals EU-Boden betreten haben. Sie wird immer wieder heftig kritisiert, weil sie Länder an der EU-Außengrenze wie Ungarn, Italien, Griechenland oder Bulgarien besonders stark in die Pflicht nimmt.

Auch ist es in der Praxis oft schwierig, festzustellen, über welches Land Migranten tatsächlich in die EU eingereist sind. Einerseits weil nicht alle potenziellen Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen tatsächlich registriert werden – ihnen also Fingerabdrücke genommen werden. Andererseits weil nicht registrierte Migranten ihre Einreiseroute oft nicht freiwillig bekannt geben, weil sie ein bestimmtes EU-Land als Ziel haben und eine Rückschiebung vermeiden wollen.

Keine Rückschiebungen nach Griechenland und Italien

Aber auch wenn nachgewiesen werden kann, dass Asylsuchende über ein bestimmtes EU-Land eingereist sind, können sie dorthin nicht immer zurückgeschoben werden. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) etwa Rückschiebungen nach Griechenland und für Familien auch nach Italien verboten, weil die dortigen Asylverfahren der EU-Grundrechtscharter widersprechen. Deutschland wiederum erklärte kürzlich freiwillig, Syrer nicht mehr rückschieben zu wollen, auch wenn sie nachweislich über ein anderes EU-Land eingereist sind.

Rufe nach einer grundlegenden Reform des Dublin-Systems scheiterten bisher stets am Widerstand von EU-Staaten, die sich entweder nicht an der EU-Außengrenze befinden oder nicht Hauptziel von Flüchtlingen sind. Aktuell stehen Italien, Griechenland und Ungarn im Zentrum der Kritik, da sie Ankommende nicht registrieren und einfach weiterreisen lassen. Auch Österreich kontrolliert die aus Ungarn mit dem Zug einreisenden Flüchtlinge gegenwärtig nicht und rechtfertigt dies mit Personalmangel bei der Polizei.

Das Dublin-Prinzip gilt seit 1990, der dazugehörige Rechtstext wurde seither jedoch mehrfach reformiert. Die aktuell gültig Fassung ist die sogenannte Dublin III-Verordnung, die mit 1. Jänner 2014 vorhergehende Regelungen ablöst. Sie ist für alle EU-Staaten rechtlich bindend. Bei einer Nichtbeachtung droht ein Vertragsverletzungsverfahren und in letzter Konsequenz eine Verurteilung zu Strafzahlungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Stichwort: Das Schengener Abkommen

Das erste Schengener Abkommen wurde vor gut 30 Jahren, am 14. Juni 1985, von Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichnet. Heute sind 26 Staaten Schengen-Mitglieder. An ihren Grenzen werden Reisende nur stichprobenartig oder bei besonderen Ereignissen kontrolliert.

Konkret gehören 22 EU-Staaten (alle außer Großbritannien, Irland, Zypern, Bulgarien, Rumänien und Kroatien) sowie die Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein zu Schengen. Neben dem Wegfall der Binnengrenzen brachte Schengen den teilnehmenden Ländern auch einen verstärkten Polizei-Datenaustausch und gemeinsame Regeln für die Kontrolle der EU-Außengrenzen.

Grenzkontrollen nur vorübergehend

Wie in der Praxis die Regeln umgesetzt werden, legt der Schengen-Grenzkodex fest. In diesem Text werden Voraussetzungen genannt, wann ein Staat vorübergehend wieder Grenzkontrollen einführen darf. Nach Artikel 23 kann ein Mitgliedsland “im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit” ausnahmsweise für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder solange, wie die “schwerwiegende Bedrohung” andauert.

Der Staat entscheidet souverän und ist nach Artikel 24 nur dazu verpflichtet, die anderen Länder und die EU-Kommission zu informieren und die Gründe zu erläutern. In der Praxis wird diese Klausel bei politischen Gipfeltreffen oder Fußballspielen angewandt, um zum Beispiel ausländischen Hooligans die Einreise zu verweigern.

Seit 2013 besteht zudem ein Notfallmechanismus, der Schengen-Staaten die Wiedereinführung der Binnen-Grenzkontrollen bis maximal zwei Jahre erlaubt, wenn die EU-Außengrenze durch ein anderes Schengen-Land dauerhaft und ernsthaft nicht gesichert werden kann. Vorbedingung ist aber eine “Empfehlung” des Rates, der Versammlung der EU-Länder. Diese stützen sich bei der Entscheidung, ob Kontrollen wirklich nötig sind, auf eigene Analysen und Expertisen der EU-Kommission.

(APA)

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