Wer Chorsänger werden und vor allem auch bleiben will, der muss sein Berufs-, Alltags- und Privatleben gut strukturiert haben. Der Dank dafür sind aber unvergleichliche Glücksgefühle. Ein Begriff taucht in einem Gespräch mit Axel Girardelli nämlich immer wieder auf. Verschätzt, wer dabei an ein Crescendo oder Largo denkt. Musikalisches Fachwissen ist für einen Chorleiter selbstverständlich unerlässlich, wichtig sei aber die Fähigkeit, so der Pädagoge, die intrinsische Motivation der Chormitglieder zu wecken. Einfach gesagt, tun seine Schützlinge das, was sie sowieso gerne tun (aber was sie in sich selbst vielleicht noch nicht entdeckt haben), sehr gut. Wenn ein Auftritt stattfindet, sollen die Sänger das Gefühl haben, nicht nur den Zuhörern ein Erlebnis zu bieten, sondern auch den Aktiven, also sich selbst. Wenn das gelingt, dann spürt man das sofort, das gibt jedem Konzert eine bestimmte Eigendynamik. Offensichtlich auch den Proben.
In Zeiten, in denen in vielen Berufsbranchen zum Erhalt des Arbeitsplatzes ein Einsatz erforderlich ist, der weit über die 40-Stunden-Woche hinausreicht, mag es schwierig sein, sich einen Abend für den Gesangsverein frei zu halten. Axel Girardelli weiß davon, er erfährt aber auch, dass seine Sängerinnen und Sänger gerade darum kommen, weil sie diese zwei Stunden des völligen Abschaltens brauchen. Sozusagen zum Auftanken. Wenn die Droge Chor wirkt, oder wenn einen dieser Virus erwischt hat, dann bleibt man auch dabei. Es klingt vielleicht pathetisch, aber mitunter geht es wirklich darum, sich den Frust von der Seele zu singen. Damit das auch schön klingt, ist freilich viel Knochenarbeit notwendig. Manchmal bin ich auch ein Gratwanderer zwischen Dompteur und Alleinunterhalter, beschreibt er seinen Einsatz im Bemühen, die Chorsänger bei Laune zu halten.
Die Singgemeinschaft Hard, die er beispielsweise leitet, hat 65 Mitglieder und mit diesen wird dann auch so schwierige Literatur wie Rossinis Stabat mater erarbeitet. Vor einiger Zeit hat der burgenländische Komponist und Domkapellmeister von Eisenstadt, Christian Dreo, für den Chor eigens ein Werk geschrieben. Übrigens, wer Chorsängerin oder -sänger werden will, kommt am besten einfach einmal vorbei, schaut bei Proben zu und braucht keine Sorge zu haben, sich bei einem Vorsingen zu blamieren. Es findet unter vier Augen statt. Ihn selbst hat sein Wiener Großonkel zur Musik gebracht. Im Alter von sieben Jahren bekam er eine Geige geschenkt was dazu führte, dass der Bub aus einer musikalisch kaum aktiven Familie in die Musikschule kam und schließlich den Berufswunsch Lehrer auf Musiklehrer ausweitete.
Scharf aufs Singen
Mit dem flotten Spruch, dass jeder Mensch mindestens einmal über seinen Schatten springen sollte, bugsierte ihn der bekannte Chorleiter Oskar Egle in die Funktion des Jugendreferenten beim Chorverband Vorarlberg, seit einiger Zeit ist Axel Girardelli nun dessen Obmann. Zu tun gibt es viel, Nachwuchssorgen habe man aber wenigsten keine. Vor allem nicht bei den Jugendlichen. Wenn nun an diesem Wochenende erstmals ein großes Landesjugendchortreffen in Vorarlberg stattfindet, steht fest, dass junge Menschen richtig scharf aufs Singen sind.
Zur Person
Geboren: 1964 in Hard
Ausbildung: Pädagogische Hochschule
Laufbahn: Lehrer an der Musikmittelschule Dornbirn und am Bundesgymnasium Blumenstraße in Bregenz (Deutsch, Musikerziehung, Chorgesang etc.), Leiter verschiedener Chöre, Obmann des Vorarlberger Chorverbandes
Familie: Partnerschaft, drei Kinder
Wohnort: Lauterach
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