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Asien: Vogelgrippe, Dengue, Polio

Als wäre das riesige Inselreich mit dem verheerenden Tsunami nicht schon genug gestraft, müssen die Gesundheitsbehörden gleich an mehreren Fronten einen oft verzweifelten Kampf gegen Krankheiten ausfechten.

Die Verkäuferin, eine Frau in ihren besten Jahren, hatte keine Chance. Am 21. September wurde sie in eines von Singapurs gut ausgestatteten Krankenhäuser gebracht, keine Woche später war sie tot. Die Diagnose: Dengue-Fieber, Todesopfer Nummer zwölf in diesem Jahr. Die Behörden sind nervös, denn den kleinen Stadtstaat mit seinen rund 4 Millionen Einwohnern, der zu Recht stolz auf seine geordneten Verhältnisse und Sauberkeit ist, sucht die schwerste Welle der „Knochenbrecher-Krankheit“ seit Jahrzehnten heim. Anderswo in Südostasien sieht es derzeit nicht anders aus, vielerorts sogar schlimmer: Neben Dengue zerren Vogelgrippe und Polio an den Nerven der Offiziellen – in Indonesien gleich alle drei auf einmal.

Zehn Jahre war Indonesien frei von Kinderlähmung, bis das Virus im Frühjahr aus dem Sudan über Saudi-Arabien wieder eingeschleppt wurde. Mindestens 240 Fälle registrierten die Behörden soweit, eine Impfkampagne soll mehr als 24 Millionen Kinder gegen den Erreger wappnen. Dazu gesellen sich Geflügelpest und Dengue-Fieber. In mindestens sechs Fällen starben Menschen an der Vogelgrippe, Gesundheitsministerin Siti Fadilah Supari warnte auch umgehend vor einer Epidemie. Überdies raffte Dengue bis Anfang September rund 650 Menschen dahin – auch bei geschätzten 215 Millionen Einwohnern kein geringer Prozentsatz.

In der westlichen Welt indes erhält die Vogelgrippe die meiste Aufmerksamkeit, selbst wenn Dengue in sieben Ländern Südostasiens allein in diesem Jahr schon deutlich mehr als 1.000 Menschen das Leben kostete. „Die angesagte Krankheit bekommt das Geld, und die anderen, die zu geläufig, zu chronisch sind, eben nicht“, sagt mit einem Anflug von Resignation Steven Bjorge vom Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Jakarta. „Polio ist mindestens so schlimm wie Vogelgrippe. Und was ist mit Malaria und Tuberkulose? Sie töten Tausende in Indonesien, aber keiner redet davon.“

Bjorges WHO-Kollege Hans Troedsson in Vietnam weiß, warum: „Dengue gibt es außerhalb der Tropenzone nicht, es ist keine Gefahr für die internationale Gesundheit.“ Anders die Vogelgrippe: Sollte sie, wie viele Experten befürchten, mutieren und von Mensch zu Mensch ansteckend werden, droht eine Gesundheitskatastrophe ungeahnten Ausmaßes.

Und die Chancen im Kampf gegen die Geflügelpest in Asien stehen nicht gut. Alleine in Vietnam starben in diesem Jahr mehr als 40 Menschen dem aggressiven Virus H5N1, immer wieder warnt die WHO vor einer weltweiten Ausbreitung, einer Pandemie. „Die Vogelgrippe ist für uns ziemlich neu für uns, wir wissen wenig über den Krankheitsverlauf“, räumt Nguyen Hong Ha vom Institut für ansteckende Krankheiten in Hanoi ein. Derweil werden UN- und Nichtregierungs- Organisationen nicht müde, finanzielle Hilfen für den Kampf gegen das tückische Virus einzufordern.

Südostasien – gerade auf dem Pfad der Erholung nach der Finanzkrise 1997/98, der Lungenkrankheit Sars und der ersten Vogelgrippe-Panik vor zwei Jahren – sucht sich derweil, mit internationaler Unterstützung, so gut zu helfen wie möglich. In Singapur durchkämmen Freiwillige Wochende für Wochenende Hunderte Wohnungen und Entwässerungsgräben nach möglichen Brutplätzen des Tiger-Moskitos, der das Dengue-Virus überträgt. Malaysia, in Angst vor einem ähnlichen Ausbruch, tut es dem Nachbarn gleich.

In Thailand suchen die Behörden, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: „Wenn wir ein Team zur Untersuchung von Vogelgrippe-Fällen rausschicken, schauen sie auch nach Moskito-Larven“, berichtet Kamnuan Ungchusak, Leiter des thailändischen Büros für Seuchenkontrolle. Eine Schlacht indes gibt er schon verloren: „Die meisten Experten glauben, dass wir die Vogelgrippe nicht besiegen können.“

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