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Artillerie-Beschuss von Mariupol - Erstes Todesopfer trotz Waffenruhe

Zerstörte Haubitzen der ukrainischen Armee vor Mariupol.
Zerstörte Haubitzen der ukrainischen Armee vor Mariupol. ©EPA
Einen Tag nach Inkrafttreten einer Waffenruhe ist es bei der ostukrainischen Stadt Mariupol offenbar zu erneuten gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Granateneinschläge in der Stadt forderten ein Todesopfer.

In der Hafenstadt waren am Samstagabend laut Medienberichten anhaltendes Artilleriefeuer aus östlicher Richtung und mehrere schwere Explosionen zu hören. Bereits zuvor hatten sich beide Seiten gegenseitig den Bruch der Feuerpause vorgeworfen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

“Es gab einen Artillerieangriff. Wir haben eine Reihe von Einschlägen abbekommen”, erklärte ein Offizier der ukrainischen Armee vor Ort. Beim Einschlag von Granaten kam in Mariupol eine 33 Jahre alte Frau ums Leben. Drei weitere Bewohner der strategisch wichtigen Hafenstadt am Asowschen Meer erlitten schwere Verletzungen, wie die Stadtverwaltung am Sonntag mitteilte.

UKRAINE CRISIS
UKRAINE CRISIS ©Vor Mariupol: Ein ukrainischer Soldat stellt Schilder auf, “Vorsicht Minen”… (EPA)

Regierungseinheiten und prorussische Separatisten warfen sich gegenseitig Verstöße gegen die Friedensregelung vor. In der Separatistenhochburg Donezk waren am Sonntag Explosionen und Schüsse an dem von der Armee besetzten Flughafen zu hören. Die Aufständischen berichteten von vier getöteten Zivilisten und zwei Verletzten. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Artilleriebeschuss in den Vororten von Donezk. Wer die Waffenruhe gebrochen hat, ist unklar: Die Stadt gehört den Separatisten, die Armee hält den Flughafen. Auch von dort sind Explosionen zu hören. (Bild: AP)
Artilleriebeschuss in den Vororten von Donezk. Wer die Waffenruhe gebrochen hat, ist unklar: Die Stadt gehört den Separatisten, die Armee hält den Flughafen. Auch von dort sind Explosionen zu hören. (Bild: AP) ©Artilleriebeschuss in den Vororten von Donezk. Wer die Waffenruhe gebrochen hat, ist unklar: Die Stadt gehört den Separatisten, die Armee hält den Flughafen. Auch dort schlagen Granaten ein. (Bild: AP)

Die prowestliche Führung in Kiew betonte, die Waffenruhe einzuhalten und warf ihrerseits den militanten Gruppen Verstöße vor. Die Separatisten hätten am Freitag 28 Mal auf ukrainische Einheiten geschossen, zehn der Vorfälle hätten sich nach Inkrafttreten der Waffenruhe ereignet.

Explosionen vor Donezk, aus dem Stadtzentrum gefilmt.

In Mariupol waren durch Granatenbeschuss in der Nacht auch eine Tankstelle und umstehende Gebäude in Brand geraten. Die Menschen zogen sich in Schutzkeller zurück. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow machte die Aufständischen verantwortlich und kündigte Verstärkung für die örtlichen Regierungstruppen an. “Mariupol ist und bleibt ukrainisch”, verkündete Awakow in der Hauptstadt Kiew. Die Rebellen sprachen hingegen von “Provokationen” durch das Militär.

Gefangenenaustausch soll weiter gehen

Trotz den Vorwürfen wollen die Aufständischen ihrer Gefangenen bald freilassen. “Noch heute werden wir die ersten Männer gehen lassen, trotz der Verstöße des ukrainischen Militärs gegen die Waffenruhe”, sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko am Samstag.

Schwere Verluste für die ukrainische Armee in den letzten Tagen vor Mariupol. (EPA)
Schwere Verluste für die ukrainische Armee in den letzten Tagen vor Mariupol. (EPA) ©Schwere Verluste für die ukrainische Armee in den letzten Tagen vor Mariupol. (EPA)

Er gehe davon aus, dass die Regierung in Kiew ihre Gefangenen spätestens an diesem Montag überstelle. Die Aufständischen haben Schätzungen zufolge etwa 1.000 Soldaten in Gefangenschaft, die prowestliche Führung demnach etwa 200 Kämpfer.

Putin und Poroschenko: “Feuerpause hält”

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin waren sich bei einem Telefonat unterdessen einig gewesen, dass die Waffenruhe halte. Es seien aber weitere Maßnahmen nötig, um ihn dauerhaft zu machen. Die große Skepsis der Bevölkerung zeigte aber gleichzeitig, wie groß das Misstrauen und wie verhärtet die Fronten sind.

Einschläge in Mariupol am Samstagabend

Rotkreuz-Konvois unter Feuer

Nach Einschätzung des Roten Kreuzes die Waffenruhe noch nicht völlig stabil. Die Organisation habe in der Früh Lastwagen mit humanitärer Hilfe in die Separatistenhochburg Lugansk geschickt, wegen Granateneinschlags hätten die Fahrzeuge aber umdrehen müssen, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz am Samstag per Twitter mit.

Mehr OSZE-Beobachter geplant

Die OSZE hält vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise am Montag eine Sondersitzung in Wien ab. Offiziell geht es um einen UNO-Bericht zur Menschenrechtslage in der Konfliktregion, auf der Agenda soll aber auch eine Ausweitung der dortigen OSZE-Beobachtermission stehen, erfuhr die APA am Samstag aus Diplomatenkreisen.

Bereits am Freitag hatte der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin eine Aufstockung der Mission auf 500 Beobachter für den Fall einer Waffenruhe angekündigt. Gegenwärtig umfasst diese nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Wien rund 250 Beobachter und hat einen rein zivilen Charakter. Weshalb von österreichischer Seite auch lediglich vier, vom Außenministerium entsandte, zivile Experten im Einsatz sind.

Gemeinsames Manöver der USA und Ukraine

Gegen den Protest Russlands beginnen die USA und die ukrainische Marine an diesem Montag im Schwarzen Meer ein gemeinsames Manöver. Ziel der dreitägigen Übung Sea Breeze 2014 sei das Üben einer sicheren Schifffahrt in einem Krisengebiet, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Das Manöver im nordwestlichen Teil des Meeres ist Teil eines bilateralen Kooperationsprogramms. An der Übung nehmen auch Kanada, Rumänien, Spanien und die Türkei teil.

Nächste Eskalation auf See?

Russland hatte Manöver nahe des Krisengebiets Ostukraine als “völlig unpassend” kritisiert. Die Führung in Moskau verlegte den russischen Lenkwaffenkreuzer “Moskwa” (Moskau) ins Mittelmeer. Das Schiff der Schwarzmeerflotte durchquerte am Sonntagmorgen den Bosporus in der türkischen Metropole Istanbul.

Amnesty: Kriegsverbrechen auf beiden Seiten

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf den Konfliktparteien unterdessen schwere Verstöße vor. “Alle Seiten in diesem Konflikt haben Missachtung für das Leben von Zivilisten gezeigt und verletzen eklatant ihre internationalen Verpflichtungen”, teilte Generalsekretär Salil Shetty mit. Amnesty-Helfer hätten in der Ostukraine Fälle von willkürlichem Beschuss, Entführungen und Morde dokumentiert.

Die Verbrechen würden sowohl von prorussischen Separatisten als auch von Milizen aufseiten der Regierung begangen. Die Regierung in Kiew müsse die Täter zur Rechenschaft ziehen.
(red/APA)
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