Dass sich Arik Brauer seinen unverkennbaren, farbintensiven, dem Phantastischen Realismus zuzuordnenden Stil seit 60 Jahren erhalten hat, wird im Unteren Atrium des Leopold Museums nicht nur mithilfe der Ausstellungsgestaltung des Architekten Gustav Peichls eindrucksvoll zelebriert, für Brauer spiegelt die ästhetische Kontinuität auch seine Lebenshaltung wider: “Ich muss Geschichten erzählen, etwas anderes darf ich nicht. Malerei ist etwas, das nie aufhören kann”, so Brauer, der kritisierte, dass die Malerei allzu oft als “Kunstsparte der Vergangenheit” bezeichnet werde. “Da bin ich nicht mitgegangen.”
Und so sei diese Ausstellung “ein kunsthistorischer Einschnitt in Österreich”, so der Wiener Maler, Grafiker, Bühnenbildner, Sänger und Dichter. “Das hier hätte vor 20 Jahren nicht stattfinden können, weil die etablierte Kunst, die Avantgarde, mein Werk abgelehnt hat”, zeigte er sich selbstreflexiv. Seine Entscheidung, seinem Stil treu zu bleiben, habe ihm zwar immer wieder den Ruf einer “Fortschrittsbremse” eingebracht. “Aber”, so Brauers Nachsatz, “ich war nie verbittert und mir geht’s gut!”
Dass seine bunten, leuchtenden Gemälde keineswegs der leichten Muse zuzuordnen sind, wie sie auf den ersten Blick optisch suggerieren, zeigt sich in der thematisch gegliederten und mit eigenen Texten des Malers ergänzten Schau deutlich: Die kritische Auseinandersetzung mit Umwelt, Politik und Geschichte wird etwa in Werken wie dem 1996/97 entstandenen “Tschernobyl-Triptychon”, dem Zyklus “Verfolgung des jüdischen Volkes” (1974/75) oder mehreren Werken gegen die Unterdrückung der Frauen (in der Dritten Welt) besonders deutlich.
Auch zahlreiche Porträts finden sich in der Werkschau: Neben Selbstbildnissen (sowohl aus 1963 als auch 2014) schuf er auch Bilder von Familienmitgliedern wie seinen Eltern (gemalt 1950) oder seiner Frau Naomi (1957/58) sowie von Zeitgenossen wie Friedensreich Hundertwasser oder Ernst Fuchs. Einen eigenen Raum nimmt eine Auswahl an Brauers Tempera-Arbeiten ein, derer er laut Angaben der Co-Kuratorin Alexandra Matzner über 1000 schuf. Aber auch in den vergangenen Jahren entstandene Keramiken und Bleistiftzeichnungen haben Eingang in die Schau gefunden.
Für Sammlerin Elisabeth Leopold erschloss sich Brauers “fast erdrückend buntes” Werk erst, als sie ihrem “Schlüsselbild” des Künstlers – dem Gemälde “Mein Vater im Winter” – begegnete. “Das Bild steht für die Tragödie des 20. Jahrhunderts, den Judenmord”, so Leopold über das düstere Bild, das einen in eine Decke gewickelten Mann mit einem leuchtenden Judenstern auf der Brust in winterlicher Landschaft zeigt. Leopold bezog auch klar Stellung in Bezug auf Brauers Festhalten an der Malerei: “Wir haben schon genug von dem ewig Abstrakten!”
Dass eine Werkschau in Brauers bewegtem Leben, das ihn nach dem Krieg (in dem er sich mit seiner Familie verstecken musste und sein Vater 1944 dem Holocaust zum Opfer fiel) nach Frankreich, Algerien und schließlich Israel führte, keinen Abschluss darstellt, wird im Eingangsbereich der Schau deutlich: Hier hat Gustav Peichl einen Pavillon errichtet, dessen sechs Außenwände Arik Brauer an sechs Sonntagen live vor Publikum bemalen wird. Im Inneren des Kubus’ wird ein extra produzierter Film über Brauer gezeigt. Umgeben ist der (noch) weiße Pavillon von sechs pyramidenförmigen Schaukästen, in denen Fotos, Dokumente, Bücher, Schallplatten und kleine Plastiken des Künstlers präsentiert werden. “Für mich ist Arik Brauer ein Entdecker”, streute Peichl seinem langjährigen Freund Rosen. Er sei ein “Künstler der Zukunft, der in die Kunstgeschichte eingehen wird”.
(S E R V I C E – “Arik Brauer – Gesamt.Kunst.Werk” im Leopold Museum, 14. November bis 16. Februar 2015. tgl 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr; Arik Brauer malt an sechs Sonntagen live in der Ausstellung: 23.11., 7. und 14.12., 18.1. sowie 1. und 8.2. 2015, jeweils von 10 bis 13 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, 206 Seiten, 19,90 Euro.)
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