Anti-Netanyahu-Proteste in Tel Aviv: "An seinen Händen klebt Blut"

Darum geht's:
- Proteste in Tel Aviv fordern die Freilassung von Hamas-Geiseln
- Forderungen nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Netanyahu
- Demonstranten werfen ihm vor, für die Tragödie verantwortlich zu sein
Seit dem brutalen Überfall der radikalen Palästinenserorganisation auf ihr Land halten dutzende Israelis in Tel Aviv Mahnwache. Von morgens bis spät abends verteilen sie Flugblätter und sammeln Unterschriften.
Tel Aviv. "Diese Regierung hat auf kolossale Weise versagt, es ist unerträglich", sagt Mona Hanoch, den Tränen nahe. Jeden Tag fährt die 58-Jährige mit dem Fahrrad zum Verteidigungsministerium. Gegenüber des Eingangs haben die Aktivisten ein Zelt aufgestellt, ein zweites weiter oben auf der Allee.
Fotos der Geiseln auf Mauer des Ministeriums
"All diese Menschen müssen nach Hause kommen", sagt Hanoch und zeigt auf die Mauer des Ministeriums, auf der Fotos der meisten der 199 Geiseln kleben, welche die Hamas bei ihrem Angriff am 7. Oktober entführt und in den Gazastreifen verschleppt hat. Zudem wurden auf israelischer Seite 1.400 Menschen getötet.

"Das ist eine kollektive Tragödie, wie wir sie noch nie erlebt haben", sagt Hanoch. Ihre Wut richtet sich gegen Netanyahu. "Ihm habe ich das Leben meiner Kinder anvertraut", erzählt Hanoch, die vor 15 Jahren aus den USA nach Israel zog. Dabei gehe es "Bibi", wie Netanyahu genannt wird, nur um sein Ego. "An seinen Händen klebt Blut."
Demonstranten fordern "Gefangenenaustausch jetzt"
Die Demonstrantin Cindy Cohen sitzt auf einem Plastikstuhl und hält ein Schild in die Höhe. "Gefangenenaustausch jetzt", steht darauf. "Alle Geiseln müssen freikommen, indem sie gegen alle palästinensischen Gefangenen in Israel ausgetauscht werden", fordert die 65-Jährige. "Und Netanyahu muss unbedingt gehen, das hätte er schon längst tun sollen. Er hat sein Land in Stich gelassen."
Auf der Allee, auf der die Mahnwache stattfindet, hatten vor dem Hamas-Angriff seit Jänner jeden Samstagabend Zehntausende gegen die umstrittene Justizreform der Regierung Netanyahu protestiert. Yaïr Dickmann war bei allen 39 Demonstrationen dabei. Seine Schwiegertochter sei bei dem Angriff der Hamas getötet worden, erzählt der 63-Jährige. Seine Tochter und seine Partnerin seien seither vermisst.

"Unser Land wurde gekidnappt"
"Das ist der Grund, warum ich hier bin", sagt Dickmann. "Ich kann es nicht hinnehmen, dass ein Mann, gegen den drei Korruptionsprozesse laufen, die Staatsgeschäfte führt. Unser Land wurde von einer illegitimen Regierung gekidnappt. Ich werde nicht ruhen, bis Netanyahu weg ist."
Ein junger Mann schwenkt eine israelische Flagge, Autofahrer hupen anerkennend. "Sobald dieser Krieg zu Ende ist, werden wir auf die Straße gehen und Bibis Abgang fordern", sagt der 31-jährige Nati. "Man hat uns unsere Kinder genommen und er ist dafür verantwortlich."
Auch religiöse Juden protestieren
Auch religiöse Juden haben einen Proteststand aufgebaut. Er hasse Netanyahu, schreit Yossef Prisman, ein 29-Jähriger mit schwarzer Kippa auf dem Kopf. Die Passanten sind verwundert, denn die Orthodoxen sind Teil der rechtsreligiösen Koalition. "Netanyahu muss zurücktreten. Aber zuerst will ich, dass wir der Hamas den Garaus machen. Das ist es, was wir tun müssen", ruft er.
In der Nähe wedelt ein Mann mit einem Schild. "Die Verbrecher der Katastrophe von 2023 müssen vor Gericht", steht darauf. Eine Fotomontage zeigt Netanyahu und seine radikalsten Minister hinter Gittern.
(APA)
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