Zwar werde Angela Merkel in einer Großen Koalition mit der SPD Abstriche von ihren türkeipolitischen Vorstellungen machen müssen und die Privilegierte Partnerschaft nicht als neue Linie der deutschen Regierung durchsetzen können, räumt Kilic ein. Aber für die Türkei ist es immer noch schlecht, dass sie Kanzlerin wird. Denn Merkel hat gegenüber der Türkei große Vorurteile.
“Bändigung” durch SPD
Die Türkei-skeptische CDU/CSU und die Türkei-freundliche SPD würden sich in der neuen Regierung gegenseitig ausbalancieren, heißt es deshalb bei der Regierung in Ankara. Merkel werde die Forderung der Unionsparteien nach einer Partnerschaft zwischen EU und Türkei unterhalb der Beitrittsschwelle zurückstellen müssen, sagen Regierungsvertreter. Das Lager der Türkei-Skeptiker in den Reihen der EU-Regierungen erhält nun zumindest keine so nachhaltige Verstärkung, wie das bei einem klaren Sieg Merkels der Fall gewesen wäre.
Kein Merkel-Schock
Mit Blick auf die anstehende Regierungsbildung in Berlin betont Dülger zudem den Unterschied zwischen Wahlkampf und Regierungsalltag. Nicht alles, was während des Wahlkampfes ein Thema sei, werde dann auch Regierungspolitik, sagt er. Viele Leute auf der Straße sehen das ähnlich. Merkel wird nicht machen können, was sie will, sagt der Istanbuler Fernsehredakteur Yetvan Damsikiyan. Die SPD wird damit aus türkischer Sicht zum Garanten dafür, dass sich Deutschland nicht über Nacht vom wichtigsten Unterstützer der Türkei in der EU zu einem führenden Gegner der türkischen EU-Mitgliedschaft verwandelt.
Wichtigstes außenpolitisches Streitthema
An den bisherigen Amtsinhaber Joschka Fischer hatten sich die Türken nicht nur gewöhnt, sie hatten den Grünen-Politiker in den vergangenen Jahren ebenso schätzen gelernt wie Kanzler Gerhard Schröder. Nun hofft Ankara, dass der neue Außenminister ebenfalls aus den Reihen der Türkei-Freunde in der deutschen Politik kommt. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wird sich an diesem Mittwoch persönlich von Schröder verabschieden. Er hat Schröder als ersten westlichen Regierungschef eingeladen, mit ihm zusammen das traditionelle Fastenbrechen im Ramadan zu begehen. Der letzte Abstecher Schröders in die Türkei vor dem Ende seiner Kanzlerschaft erhält dadurch eine ganz besondere persönliche Note. Auch wenn die CDU-Kanzlerin Merkel in den nächsten Jahren ihr Modell einer Privilegierten Partnerschaft in der Schublade verschwinden lässt: So viel Sympathie wie Schröder wird Merkel auf absehbare Zeit am Bosporus nicht genießen.
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