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Ankara in Zypern-Frage unnachgiebig

Die türkische Regierung reagiert unnachgiebig auf die Forderung der Europäischen Union, die Zollunion auf sämtliche EU-Staaten einschließlich Zyperns auszudehnen.

Außenminister Abdullah Gül wandte sich beim Treffen mit den EU-Außenministern am Montagabend in Luxemburg in scharfer Form dagegen, dass die Türkei noch im Laufe des Jahres ihre Flug- und Seehäfen für zypriotische Flugzeuge und Schiffe öffnen müsse. „Wenn die Zollunion mit der Türkei für einen Mitgliedstaat ausgespart bleibt, werden wir früher oder später große Schwierigkeiten haben. Es besteht die Gefahr, dass wir in eine Sackgasse geraten“, erklärte Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik im Namen der EU-Ratspräsidentschaft in einer Aussendung am Dienstag. Ähnliches gelte auch für das weite Feld der politischen Kriterien. Auch hier bedürfe es konsequenter Reformarbeit auf allen Ebenen, betonte Plassnik.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn erklärte: „Je früher sich die Türkei an ihre Zusagen hält, desto besser ist es für uns alle.“ Auch der finnische Ministerpräsident und kommende EU-Ratsvorsitzende Matti Vanhanen hatte die Türkei aufgefordert, „sämtliche“ Bedingungen zu erfüllen. „Das Zypern-Problem nimmt den Beitritt der Türkei als Geisel“, sagte Gül in Luxemburg. Die türkische Tageszeitung „Cumhuriyet“ warnte die Regierung in Ankara am Dienstag davor, die Türkei zu einem „Spielzeug“ der griechischen Zyprioten machen zu lassen. Von der EU forderte Gül, dass das wirtschaftliche Embargo für die türkischen Nordzyprioten gleichzeitig aufgehoben werden müsse. Die türkischen Zyprioten hätten mit der Zustimmung zum Wiedervereinigungsplan von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der an der Ablehnung der griechischen Zyprioten gescheitert ist, ihren Beitrag geleistet.

Die Türkei, die 1974 den Nordteil der Mittelmeerinsel militärisch besetzte und dort ständig bis zu 40.000 Soldaten stationiert sowie 110.000 Festlandtürken angesiedelt hat, will den Zugang zu ihren Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern nur dann gestatten, wenn die international nicht anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“ (KKTC) eigene Handelsbeziehungen zum Rest der EU haben darf. Völkerrechtlich ist die ganze Insel seit 2004 EU-Mitglied, doch findet das Regelwerk der Union im türkisch besetzten Norden keine Anwendung. Der Wiedervereinigungsplan Annans war von den griechischen Zyprioten 2004 in einem Referendum mit großer Mehrheit abgelehnt worden, weil er der überwiegenden Mehrheit der nach der türkischen Invasion 1974 vertriebenen 200.000 griechischen Zyprioten und deren Nachkommen die Rückkehr in ihre Heimatorte verwehrte, zugleich aber vorsah, dass ein großer Teil der angesiedelten Festlandtürken und der türkischen Truppen auf der Insel bleiben kann.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten Ende 2004 zwar nicht explizit eine völkerrechtlich verbindliche Anerkennung Zyperns durch die Türkei vor Aufnahme der Beitrittsverhandlungen verlangt. Doch war die EU davon ausgegangen, dass die Ausdehnung der Zollunion einer indirekten Anerkennung gleichkäme. Ankara hatte zwar ein Protokoll über die Erweiterung der Zollunion um die im Mai 2004 beigetretenen zehn neuen EU-Mitglieder unterzeichnet; in einer separaten Erklärung hielt die Türkei jedoch fest, dass sie mit der Unterzeichnung des Protokolls nicht die Republik Zypern anerkannt habe.

Der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Reinhard Bösch forderte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) als amtierenden EU-Ratsvorsitzenden auf, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei „sofort zu beenden“. Der Türkei sollte ein Partnerschaftsvertrag angeboten werden, der „Modellcharakter für das Verhältnis mit anderen Ländern in der Nachbarschaft, wie zum Beispiel der Ukraine und Weißrussland“ hätte. FPÖ-Europaabgeordneter Andreas Mölzer sprach von einem „politischen Armutszeugnis erster Klasse“ und warf der Ratspräsidentschaft vor, sich nicht hinter Zypern gestellt zu haben. Der Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsklub-BZÖ, Herbert Scheibner, hatte es am Montag als absurd bezeichnet, Beitrittsgespräche mit einem Land zu führen, das sich weigere, ein EU-Mitglied anzuerkennen. Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn hatte bedauert, dass die Frage der „gegenseitigen Religionsfreiheit“ nicht in den Prüfkatalog der EU aufgenommen wurde, und für die Christen in der Türkei die Freiheiten gefordert, die von Muslimen in EU-Staaten beansprucht werden.

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