Anarchie auf Spaniens Straßen
Mit dem Text wollten die Eltern an den Tod der jungen Frau ein Jahr zuvor erinnern. Die 20-Jährige starb, als ihr Wagen am helllichten Tag auf einer Landstraße von einem Betrunkenen gerammt wurde. Die Anzeige sollte aber auch eine Anklage sein: Der Unfallverursacher blieb unverletzt und durfte seinen Führerschein behalten. Er fährt auch weiter Auto, wie es heißt.
Dieses Schicksal wiederholt sich in Spanien tausendfach, denn harte Strafen für Verkehrssünder sind selten, Haftstrafen sowieso. Für einen Taschendiebstahl könne man zwar für fünf Jahre im Gefängnis landen, doch wer im Vollrausch einen tödlichen Verkehrsunfall verschulde, komme oft mit einer Geldstrafe davon, beklagte ein auf Verkehrsdelikte spezialisierter Staatsanwalt. Dies ist nach Meinung von Experten auch ein Grund für das fahrlässige und oft tollkühne Verhalten, das täglich auf©Spaniens Straßen zu beobachten ist. Nicht umsonst steht das Land in puncto tödliche Verkehrsunfälle in der EU-Statistik ganz weit oben.
Nach Angaben des Automobilclubs AEA sind in Spanien rund 60.000 Autofahrer ohne Führerschein unterwegs. Die Hälfte von ihnen hat noch nie eine Fahrerlaubnis besessen. So auch ein 18-Jähriger, der kürzlich im Norden des Landes einen Unfall mit fünf Toten verursachte. Bei einem riskanten Überholmanöver nahm er in einem Sportwagen mit Tempo 140 zwei entgegen kommende Motorräder auf die Haube. Der junge Mann überlebte, doch seine Mutter starb auf dem Beifahrersitz – sie hatte ihren Sohn ans Steuer gelassen.
Dass Leichtsinn allzu oft im Spiel ist, beweist auch die Statistik: Allein über Ostern gab es in Spanien 108 Verkehrstote. Die Hälfte von ihnen war nicht angeschnallt. Viele Autofahrer sind Umfragen zufolge überzeugt, dass in Fahrzeugen mit Airbag das Anlegen des Gurts überflüssig ist. Aufklärungskampagnen im Rundfunk, etwa mit dem spanischen Formel 1-Weltmeister Fernando Alonso, zeigten kaum Wirkung. Inakzeptabel nannte Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero diese Zahlen und forderte die Bürger auf, sich der Gefahren im Straßenverkehr stärker bewusst zu werden.
Dies scheint auch dringend nötig, denn Raserei, Drängeln, das Telefonieren am Steuer oder das nicht Beachten roter Ampeln gehören zum Alltag. Von Kamikaze am Steuer und Anarchie auf den Straßen sprechen die Spanier selbst. Automobilclubs fordern seit langem, die Strafen zu verschärfen und die Präsenz von Verkehrspolizisten zu erhöhen. In Frankreich, Deutschland oder Portugal ist die Zahl der Verkehrsunfälle dadurch stark zurückgegangen, in Spanien ist die Statistik dagegen weiterhin makaber, schrieb die Zeitung El Mundo. Es sei erschreckend, mit welcher Gleichgültigkeit der Tod von jährlich 5.000 Menschen bei Verkehrsunfällen in Spanien hingenommen werde.
Große Hoffnungen setzt die Regierung auf den Punkte-Führerschein, der im Juli eingeführt werden soll. Nach französischem Vorbild erhalten die Autofahrer dann ein Konto mit zwölf Punkten, bei Verstößen gibt es Abzüge. Ist ein Fahrer bei Null angekommen, muss er den Führerschein zunächst für ein halbes Jahr abgeben und eine Verkehrsschulung besuchen.
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