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"Am Ende entscheidet der Spieler, wie die Entwicklung seiner Karriere weitergeht"

Kann Damir Canadi auch deutsche Bundesliga?
Kann Damir Canadi auch deutsche Bundesliga? ©APA-DPA - DANIEL KARMANN
Interview mit Ex-Altach-Trainer Damir Canadi. Der Wiener trainiert seit Kurzem den 1. FC Nürnberg. Seine Mission ist der Wiederaufstieg.
Canadi übernimmt Traineramt bei Nürnberg

Damir Canadi soll den 1. FC Nürnberg in die Fußball-Bundesliga zurückführen. Der österreichische Coach spricht im Interview der Deutschen Presse-Agentur über den Reiz des fränkischen Traditionsvereins, seine Jahre als Hausmeister und Stürmerstar Neymar.

Frage: Herr Canadi, worin liegt der Reiz des 1. FC Nürnberg?

Antwort: Der Verein hat eine Riesentradition und steckt in einem großen Umbruch, nicht nur bei den Spielern, sondern auch im Vorstand. Es soll ein Neuanfang werden, das war für mich die Herausforderung. Ich war in der glücklichen Lage, dass sich mehrere Vereine für mich interessiert haben, aber die Argumente haben für Nürnberg gesprochen. Vor allem die Gespräche mit Robert Palikuca haben es reizvoll gemacht, diesen Job anzunehmen.

Frage: Es gibt den innigen wie fatalistischen Spruch "Der Glubb is a Depp". Warum entscheidet man sich für so einen Verein?

Antwort: Das habe ich gar nicht gewusst, das wurde mir in den Einstellungsgesprächen so auch nicht vermittelt (lacht).

Frage: Ist der Verein mehr für Sie das Sprungbrett oder umgekehrt?

Antwort: Ich beschäftige mich damit, wie wir unsere Ziele in den nächsten zwei Jahren erreichen können. Ich versuche, die Vision von Verein, Mannschaft und mir umzusetzen.

Frage: Nürnberg muss sich nun darauf einstellen, nicht mehr wie in der 1. Liga als Underdog zu agieren.

Antwort: Das wird definitiv ein Spagat werden, wieder Verantwortung zu übernehmen. Alle sind dafür verantwortlich, mutig zu sein. Es ist aber immer schwierig, wenn man viele Spiele verloren hat, mutig zu sein und es auf dem Spielfeld zu leben. Erfolge helfen, um die vergangene Saison vergessen zu machen.

Frage: Sie wollen Ihren Spielern auch abseits des Platzes Werte vermitteln. Wie machen Sie das?

Antwort: Offenheit und Ehrlichkeit sind mir sehr wichtig. Man muss mit einem Spieler ganz offen kommunizieren. Wie man die Werte dann vermittelt, ist unterschiedlich. Wie ist der Spieler geprägt? Aus welchem Elternhaus kommt er? Aus welchem Land kommt er? Welche Religion hat er? Man versucht in die Gespräche, auch die eigene Erfahrung reinzupacken, um den Spieler nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits zu unterstützen und ihm zur Seite zu stehen. Am Ende entscheidet aber immer noch der Spieler, wie die Entwicklung seiner Karriere weitergeht.

Frage: Ihr Vorvorgänger in Nürnberg Michael Köllner hat seinen Spieler auch mal ein Buch mitgegeben.

Antwort: Ich versuche den Jungs über Offenheit und Ehrlichkeit gewisse Erfahrungen aus meinen Trainerjahren und meinen Spielerjahren mitzugeben. Ich bin heute viel einsichtiger als damals und weiß auch, was früher nicht so gut war. Ich denke, da ist einiges an Input, den ich mitgeben kann.

Frage: Ihrem Sohn haben Sie mal eine Nobel-Jacke zerschnitten, weil er damit angegeben hat. Was sagt das über Sie aus?

Antwort: Ich wollte meinem Kind mitgeben, dass es nicht darum geht, was man trägt oder was man hat, sondern dass immer der Mensch im Vordergrund steht. Dahingehend hat sich die Gesellschaft ein bisschen verändert. Für mich ist jeder Mensch gleich, das versuche ich weiterzugeben.

Frage: Sie stammen aus einer Gastarbeiter-Familie, die 1967 aus dem damaligen Jugoslawien nach Österreich gekommen ist. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Neymar 2017 für 222 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain gewechselt ist?

Antwort: Ich hätte ihn auch gern, aber Nürnberg hat die 222 Millionen Euro nicht (lacht). Die Summe ist übertrieben, darüber müssen wir nicht diskutieren. Diese Summen schaukeln sich unglaublich hoch, aber so ist der Markt, so ist das Interesse am Fußball.

Frage: Sie haben früher als Hausmeister gearbeitet. Wie lange genau?

Antwort: 15 Jahre. In Österreich war man damals als Bundesligaspieler in einer sehr unsicheren Lage, weil viele Vereine in Konkurs gegangen sind. Mit erst 26 Jahren hatte ich schon bei zwei Vereinen Konkurse miterlebt, da sind Gehälter bis zu zehn Monate nicht bezahlt worden, aber man hatte eine Verantwortung für Familie und Kinder. Mit 26 oder 27 Jahren habe ich mich dann entschieden, ins Berufsleben zu wechseln. Das war für mich keine schlechte Erfahrung, um fünf Uhr morgens aufzustehen, um sechs Uhr bei der Arbeit zu sein und dann einen geregelten Arbeitstag zu haben.

Frage: Hätten Sie sich vorstellen können, weiter als Hausmeister zu arbeiten?

Antwort: Natürlich hätte ich mir das vorstellen können. Im Zuge meiner Ausbildung als Trainer mit der B-Lizenz, der A-Lizenz und dann durch die Erfolge mit den Amateurmannschaften kam aber ein Hunger, dass es schön wäre, auch mal eine Bundesligamannschaft zu trainieren.

Frage: Trainer aus Österreich sind im deutschen Profifußball beliebt. Woher kommt das?

Antwort: Die Erfolge von Ralph Hasenhüttl oder Peter Stöger waren sicher Türöffner. Der Markt an sich ist aber sehr vermischt. Jetzt sind es vielleicht zwei oder drei Österreicher, dann sind es eine Zeit lang Holländer oder Portugiesen. Die gleiche Sprache ist natürlich ein Hilfsmittel für alle Beteiligten.

Frage: Hatten Sie mal Angst, vom Trainerkarussell zu fallen?

Antwort: Ich selber nicht, deshalb habe ich mich auch der Episode Griechenland gestellt. Dort ist das Trainerleben ja nicht unbedingt das einfachste. In meinem ersten Jahr dort gab es 21 Trainerwechsel in der Liga, im zweiten Jahr an die 20 und ich war fast schon der dienstälteste.

Frage: Ende 2016 übernahmen Sie Traditionsverein Rapid Wien, mussten aber nach rund einem halben Jahr gehen. Hat Sie die Zeit mit dem medialen Aufkommen belastet?

Antwort: Ich bin jetzt 18 Jahre Trainer und hatte bis jetzt 17,5 Jahre Erfolg, zwei Monate nach Rapid hatte ich wieder einen neuen Job. Druck ist Teil unseres Jobs. Man muss ihn akzeptieren, managen und daraus lernen. Wien war eine große Lernphase, weil der mediale Aufwand dort größer war als bei den vorherigen Stationen. Ich habe von dort viel mitgenommen. Es ist immer wichtig, dass man etwas lernt.

Frage: Sie wollen mit dem 1. FC Nürnberg über Pressing Druck auf den Gegner auslösen. Wie lange dauert es, bis eine Mannschaft ihre Ideen umsetzen kann?

Antwort: Erfolge helfen immer, damit etwas, was man unter der Woche erarbeitet hat, im nächsten Spiel funktioniert. Im Aufstiegsjahr waren Disziplin, Geduld, mutiges nach vorne Spielen die Grundkriterien in Nürnberg, um aufzusteigen. Das müssen wir uns wieder erarbeiten.

ZUR PERSON

Damir Canadi (49) ist in Wien geboren. Nach Stationen in Österreich, Russland und Griechenland ist der 1. FC Nürnberg sein erster Job in der deutschen Bundesliga.

Canadi stammt aus einer Gastarbeiter-Familie, die 1967 aus dem damaligen Jugoslawien nach Österreich kam. Sein Vater arbeitete als Maschinenbauschlosser, seine Mutter in einer Pharmaziefirma. Canadi selbst war 15 Jahre Hausmeister, ehe er sich als Trainer hocharbeitete.

Zitate Damir Canadi

"In meinem ersten Jahr dort gab es 21 Trainerwechsel in der Liga, im zweiten Jahr an die 20 und ich war fast schon der dienstälteste."

(über seine Zeit als Erfolgstrainer beim griechischen Erstligisten Atromitos Athen)

"Das habe ich gar nicht gewusst, das wurde mir in den Einstellungsgesprächen so auch nicht vermittelt (lacht)."

(Canadi über die Formulierung "Der Glubb is a Depp, aber ich mog nen trotzdem", der für ein inniges und zugleich fatalistisches Verhältnis von Fans zum 1. FC Nürnberg steht)

"In Österreich war man damals als Bundesligaspieler in einer sehr unsicheren Lage, weil viele Vereine in Konkurs gegangen sind. Mit erst 26 Jahren hatte ich schon bei zwei Vereinen Konkurse miterlebt, da sind Gehälter bis zu zehn Monate nicht bezahlt worden, aber man hatte eine Verantwortung für Familie und Kinder. Mit 26 oder 27 Jahren habe ich mich dann entschieden, ins Berufsleben zu wechseln. Das war für mich keine schlechte Erfahrung, um fünf Uhr morgens aufzustehen, um sechs Uhr bei der Arbeit zu sein und dann einen geregelten Arbeitstag zu haben."

(über seine eher schwere Zeit in Österreich als Fußballer und danach als Hausmeister)

"Ich hätte ihn auch gern, aber Nürnberg hat die 222 Millionen Euro nicht (lacht)."

(Canadi, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt, auf die Frage, was er beim Wechsel von Neymar 2017 zu Paris Saint-Germain gedacht habe)

(dpa) (APA)

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