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Altbestand neu gedacht: Wohnen in einem Haus aus dem Jahr 1458

Junis, Silvia und Johannes – die Bewohner von Hägi Wendls in Zwischenwasser.
Junis, Silvia und Johannes – die Bewohner von Hägi Wendls in Zwischenwasser. ©MJ
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Hägi Wendls in Zwischenwasser – Johnny und Silvia zeigen, wie man gemeinsam mit Freunden, Architekturstudenten und jeder Menge Fleiß ein in die Jahre gekommenes Bauernhaus auf Vordermann bringt – und nebenbei in einen Ort der Begegnung verwandelt.

Hägi Wendls, eine besondere Bezeichnung für ein Haus. Und ein klingender Name für ein Projekt, das in dieser Form in Vorarlberg wohl seinesgleichen sucht.

Das bis ins Jahr 1458 zurückdatierte Haus und der dazugehörige Stall dienen als ideales Beispiel dafür, wie man mit Altbestand kreativ umgehen kann. Und mit viel Fleiß und Know-how entstand ein neues Zuhause, inklusive einer einzigartigen Veranstaltungslocation.

Von der Idee zum Zuhause

Seit Jahrzehnten befand sich das Haus in Besitz der Familie Längle. Und das bleibt es auch, denn mit Silvia zieht eine neue Generation in das kernsanierte Kleinod in Zwischenwasser ein. Vor rund zwei Jahren entschlossen sich Johannes, Silvia und Sohnemann Junis für ein ambitioniertes Projekt.

Renovieren und Bestand neu denken

Gemeinsam mit dem befreundeten Architekten Martin Mackowitz und Bauleiter Dominik Abbrederis haben sie sich für eine Renovierung entschieden, bei der mit altbewährten Materialien wie Lehm oder Schilfrohr der Bestand generalüberholt und die Kubatur neu gedacht wurde.

Johannes Lampert mit Silvia und Junis.
Der Wohnbereich der kleinen Familie. ©MJ

"Wir sind Silvia, Johannes und Junis. Und wir freuen uns, dass wir diejenigen sind, die das nächste Kapitel einer langen Geschichte mitschreiben dürfen. Mit euch und dem, was das Haus uns erzählt", steht auf der Homepage, die das Projekt skizziert, geschrieben.

Der Altbestand kam in unterschiedlichster Form erneut zum Einsatz, hier wurden alte Lehmziegel zu Lampen umfunktioniert. ©MJ
Auch die alten Türen und Türrahmen kamen erneut zum Einsatz. ©MJ

BASEhabitat: Umbau mit Studenten der Kunstuniversität Linz

"Vor einigen Jahren haben wir uns überlegt, wie wir mit dem Haus umgehen sollen. Mit Martin Mackowitz haben wir uns dann entschieden, das ganze Haus größer zu denken und die große Kubatur und die komplette Substanz zu nutzen. Silvia und ich kommen beide aus der Kulturarbeit und so wurde aus einer Altbausanierung ein Projekt, das auch die Nutzung des Heubodens als Raum für Kultur berücksichtigt", informiert Johannes Lampert im ausführlichen VOL.AT-Interview.

Besonders gelungen: In der ehemaligen Tenne findet sich nach dem Umbau ein großer Raum für Veranstaltungen jeglicher Art. ©MJ

Stetige Adaption des Masterplans

Umgesetzt wurde das Ganze auch mit Studenten der Kunstuniversität Wien, genauer gesagt von der Gruppierung BASEhabitat, die während des Hausbaus Praxiserfahrung sammeln konnten. Und von Beginn an offerierte den jungen Bauherren das Projekt immer neue Überraschungen, der anfängliche Masterplan wurde stetig adaptiert, als beispielsweise im Zuge des Rückbaus ein bis dato unbekannter Keller zum Vorschein kam.

In der Seitenansicht wird die Dimension des Gebäudes sichtbar.

Lehm, Schilfrohr und Bausubstanz

"Das Haus an sich bringt alles mit, was es braucht. Die Kunst bestand darin, darauf zu hören und dann zu adaptieren. Materialien, die bereits damals verwendet wurden, kamen auch jetzt wieder zum Einsatz", informiert Lampert weiter. In Sachen Dämmung kam deswegen bei Hägi Wendls eine Schüttung aus Lehm und Hackschnitzel zum Einsatz, auch Schilfrohr findet im Corpus des über 550 Jahre alten Bauwerks erneut Verwendung. "Die Arbeit am Haus ist ein Prozess. Jeden Tag gibt uns die Substanz des Gebäudes vor, was als Nächstes zu tun ist", führt Hausherrin Silvia weiter aus.

Hackschnitzel und Lehm werden gepresst und kommen als
natürliche Dämmstoffe zum Einsatz.
©MJ

Wohnraum und gleichzeitiger
Ort der kulturellen Begegnung

Besonders spannend an Hägi Wendls ist die Kombination aus Lebensraum und kreativem Treffpunkt. "Wir stammen beide aus Bereichen der Kulturarbeit oder arbeiten gerne kreativ. Deswegen haben wir uns nach Gesprächen mit unserem Architekten entschlossen, das Haus zu öffnen und in der alten Tenne einen Ort für Veranstaltungen zu konzipieren", führt Johnny Lampert fort.

Gegenansicht aus dem Kulturraum in Richtung Wohngebäude. ©MJ

Entstanden ist ein einzigartiger Platz für kreativen Freiraum, allein die Raumhöhe lässt Luft zum Atmen und Denken. Und in Kombination mit den liebevollen und gemütlichen Möbeln, die zum Philosophieren, Lesen und Diskutieren einladen, erfüllt das "erweiterte" Wohnzimmer seinen Zweck.

Baujahr 1458: Die halbierte "8" steht für eine "4". ©MJ
Hier kommt die besondere Dämmung als Schüttung zum Einsatz. ©MJ

"Zäune einreißen und Türen öffnen"

Die Philosophie, die hinter Hägi Wendls steckt, darf durchaus als "Role Model" für Alt- und Leerbestand in ganz Vorarlberg gesehen werden. "Bevor wir Zäune bauen, machen wir Tore auf. Deswegen haben wir uns entschieden, unseren Wohnraum auch aufgrund der Kubatur des Hauses größer zu denken. Und etwas der Kommune zurückzugeben, auch in Form dieses kulturellen Orts", schließt der innovative Bauherr.

Johannes Lampert gewährt Einblick in seine vier Wände.

Weitere Infos zum innovativen Projekt findet man hier.

(VOL.AT)

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