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Alptraum dahoam: Vize-Bayern in Schockstarre

Nicht nur die Bayern-Fans befinden sich in kollektivem Schockzustand.
Nicht nur die Bayern-Fans befinden sich in kollektivem Schockzustand. ©EPA
Didier Drogba und der Chelsea FC tanzten als Champions-League-Sieger in die Münchner Nacht hinein - beim FC Bayern war dagegen die Schockstarre nach dem 3:4 im Elfmeterdrama greifbar.
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Das “Finale dahoam” wurde für die Bayern zum Alptraum dahoam. Bayern-Präsident Uli Hoeneß stellte nach dem “grausam” verlorenen Finale die Frage nach den Siegertypen. Dreimal Zweiter (Champions League, Bundesliga, DFB-Pokal), damit will sich der Präsident nicht abfinden.

“Noch bitterer, noch brutaler” als 1999

Statt Jubelparty im Münchner Postpalast herrschte bei den Bayern Niedergeschlagenheit nach der zweiten bitteren Finalniederlage in der Champions League. “Ich habe das 1999 erlebt, als wir in Barcelona so dramatisch 1:2 verloren haben. Das war damals auch unglaublich brutal, aber ich habe fast den Eindruck, heute Abend ist das irgendwie noch bitterer, noch brutaler und eigentlich auch überflüssiger. Und das tut unglaublich weh”, erklärte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bei einer Bankett-Rede um 2.15 Uhr in der Nacht.

1999 – das war die 1:2-Niederlage in Barcelona gegen Manchester United. Die Münchner bereiteten sich damals kurz vor dem Ende schon auf die Siegerehrung vor, ehe sie zwei späte Tore aus allen Träumen rissen. Und auch diesmal waren Torschütze Thomas Müller & Co. dem begehrten Pokal so nah. “Wir hatten drei Matchbälle”, betonte Rummenigge. Die 1:0-Führung durch Müller (83.), der durch Arjen Robben verschossene Elfmeter in der Verlängerung (95.) und die Führung im Elfmeterschießen. “Trotzdem haben wir es nicht geschafft.”

Weil Ivica Olic und Bastian Schweinsteiger die letzten zwei Bayern-Elfer nicht verwerten konnten. Die Bayern verloren damit erstmals eine Elfmeterentscheidung im Europacup, Chelsea entschied erstmals ein Europacup-Elfmeterschießen für sich. “Jeder, der auf Bayern-Seite ist, kann annähernd mitfühlen, was in uns vorgeht”, erklärte Müller.

Bayern üben sich in Selbstkritik

Nach Vize-Meisterschaft und Pokal-Demütigung folgte nun trotz starker Vorstellung nur der Trostpreis in der Königsklasse. “Das ist schwierig in Worte zu fassen”, meinte Hoeneß und fand den Ausgang des erträumten Finales dahoam einfach “grausam, grausam”. Das Spiel des Lebens endete für die ungekrönte Generation um die Kapitäne Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger mit dem heftigsten Titel-K.o. des Jahres. “Das ist ein absoluter Alptraum”, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger. “Das ist wie ein schlechter Film. Wir waren die klar bessere Mannschaft.”

“Lahm, der in Madrid nicht getroffen hat, macht ihn rein. Manuel (Torhüter Neuer) hält den ersten – da denkst du, jetzt ist es passiert”, schilderte Hoeneß die Szenen zwischen Triumphgefühl und Tiefschlag. In allen “statistischen Zahlen” war man überlegen, wie Trainer Jupp Heynckes betonte. 35:9 Schüsse, 20:1 Eckbälle standen zu Buche. Der Coach attestierte seiner Mannschaft “über weite Strecken eine überragende Leistung. Aber wir dürfen nicht die Verantwortung beim Spielstil von Chelsea suchen”, betonte der Coach selbstkritisch.

Wenn die Tränen getrocknet sind, werden Bosse und Trainer die Saison sehr scharf analysieren (müssen). Hoeneß fing noch in der Nacht mit der kritischen Aufarbeitung an. Er habe am Samstag “schon ein paar Dinge gesehen, die mir nicht gefallen haben”, bemerkte der Präsident. “Wir können nicht sagen, alles ist in Ordnung, wenn wir dreimal Zweiter sind”, sagte Hoeneß: “Ich bin nicht derjenige, der das so hinnimmt. Einmal kann das passieren, aber zweimal, dreimal…”

Zwei Saisonen ohne Titelgewinn, das gab es bei den Bayern zuletzt vor fast zwei Jahrzehnten. Von 1991 bis 1993 blieb der deutsche Rekordchampion sogar drei Jahre lang ohne Trophäe.

Das soll sich in der schweren Nach-EM-Saison 2012/13 auf keinen Fall wiederholen. “Wenn man was Positives rausnehmen kann, dann, dass wir alle in einem sehr guten Fußballalter sind, dass der Kern immer noch die nächsten drei, vier Jahre zusammenbleiben kann. Wir sind noch hungriger, nachdem wir es jetzt nicht geschafft haben”, verkündete Lahm.

Hoffen auf nächste Generation – und Verstärkungen

Die Generation um Lahm und Schweinsteiger, den noch jüngeren Manuel Neuer, Mario Gomez, Müller, Toni Kroos sowie den im Finale gesperrten Holger Badstuber und David Alaba, dem noch 19-jährigen Österreicher, ist ebenso noch jung genug wie die zwei Superstars Robben und Franck Ribery, die in den ganz großen Spielen nicht zu Champions aufstiegen wie Chelseas Veteran Drogba.

“Vielleicht müssen wir uns fragen, warum es so passiert ist, ob das die Spieler sind, die das erzwingen. Ob wir davon genug haben”, sinnierte der Präsident. Er stellte die Typen-Frage, erinnerte an die Champions-League-Sieger von 2001. “Ich habe heute keinen Jens Jeremies gesehen, der schon beim Einlaufen den Gegner in die Waden beißt.”

Der 67-jährige Heynckes soll als Trainer den Neuangriff angehen, so ist es stets verkündet worden. Hoeneß ist bereit, den Geldspeicher für neue Führungskräfte zu öffnen. Aber nicht in dem Maße wie beim “Einkaufswahnsinn” 2007.

(APA)

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