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Al Kaida geht gestärkt ins neue Jahr

Von einem größeren islamistischen Terroranschlag ist der Westen in diesem Jahr verschont geblieben - dennoch rechnen Sicherheits- und Terrorismusexperten fest damit, dass der nächste nur noch eine Frage der Zeit ist.

Der Chef des Terrornetzwerks Al Kaida, Osama bin Laden, und seine Anhänger gehen demnach stärker denn je in das kommende Jahr. Schuld seien vor allem die Rückschläge für die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan und dem Irak.

Die Chefin des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, Eliza Manningham-Buller, warnte Anfang November vor der anhaltenden Gefahr durch Al Kaida: „Diese Bedrohung ist ernsthaft, wächst und wird uns, so glaube ich, eine Generation erhalten bleiben.“ Es handle sich nicht um eine Serie vereinzelter Vorfälle, sondern um eine „intensive Kampagne“. Allein in Großbritannien habe es seit Mitte 2005 fünf „größere Verschwörungen“ gegeben. Während die verschiedenen Gruppen derzeit noch mit selbstgebastelten Sprengsätzen arbeiteten, müsse künftig mit dem Einsatz chemischer oder bakteriologischer Waffen, radioaktiven Materials bis hin zu atomaren Waffen gerechnet werden, sagte die Expertin.

Im August hatte die britische Polizei nach eigenen Angaben Anschläge mit Flüssigsprengstoff auf Transatlantikflüge verhindert. 30 junge Muslime waren festgenommen worden, die meisten von ihnen gut integrierte Briten pakistanischer Abstammung. Insgesamt seien dem britischen Geheimdienst rund 200 Gruppen oder Netzwerke mit mehr als 1.600 Mitgliedern bekannt, benennt Manningham-Buller das Problem.

Auch nach Angaben des ehemaligen Chefs der „Einheit Bin Laden“ beim US-Geheimdienst CIA, Michael Scheuer, ist die Vitalität Al Kaidas und der Jihad-Bewegung ungebrochen. In strategischer Hinsicht hätten Al Kaida und seine Verbündeten schon gewonnen. „Der einzige unverzichtbare Verbündete Al Kaidas ist die amerikanische Politik gegenüber der islamischen Welt.“ Ein möglicher Beginn des Rückzugs der US-Truppen aus dem Irak wäre aus Sicht der meisten Muslime ein Erfolg für Bin Laden. Zahlreiche der derzeit noch im Irak eingesetzten Kämpfer könnten dann in Europa, auf der Arabischen Halbinsel und anderen Regionen des Nahen Ostens sowie am Horn von Afrika tätig werden.

All dies werde Bin Ladens Status als Anführer noch stärken, glaubt Scheuer. Nach Ansicht zahlreicher westlicher Experten versteckt er sich noch immer im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Berichte über seinen Tod, die der französische Geheimdienst im September aufgebracht haben soll, ließ der Verantwortliche für die verheerenden Terroranschläge in den USA vom 9. September 2001 durch Internetbotschaften dementieren.

Die Zahl der Anhänger des Millionärssohns aus Saudi-Arabien wächst wieder. „Der Sturz der Taliban in Afghanistan hat die Al Kaida destabilisiert, aber der Irak und nun der Libanon führen zu neuen Berufungen“, betonte ein hochrangiger Vertreter des pakistanischen Geheimdienstes im August. Nach Angaben eines Kollegen wurden ganze Gruppen militanter Muslime festgenommen, die Attentate vorbereitet hatten. Später tauchten sie dann in anderen Gruppen wieder auf – „noch entschlossener und noch gefährlicher“.

So stellt Al Kaida in den kommenden Jahren nach Ansicht westlicher Experten gleich eine doppelte Bedrohung dar: Zum einen durch die alten Mitglieder des Netzwerkes, die über zahlreiche Verbindungen und Mittel verfügen, zum anderen durch die neue, weltweit versprengte Garde, die sich über das Internet indoktriniert und ohne Angst vor Entdeckung handeln kann.

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