Al-Beblawi wird neuer Regierungschef Ägyptens
Dies meldeten die staatlichen Medien des nordafrikanischen Landes am Dienstag. Friedensnobelpreisträger Mohammed El-Baradei soll demnach als Vizepräsident für Auswärtige Beziehungen zuständig sein.
Nour-Partei erklärt Unterstützung
Die islamistische Nour-Partei (Nur), die El-Baradei als Interimsministerpräsidenten abgelehnt hatte, erklärte ihre Unterstützung für Beblawi. Zugleich äußerte sie Vorbehalte gegen die Ernennung von El-Baradei zum Stellvertreter Mansours.
Das Militär hatte am Mittwoch voriger Woche den bisherigen islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet. Al-Beblawi war von Juli bis Dezember 2011 Finanzminister. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Hosni Mubarak war er Mitbegründer der Ägyptischen Sozialdemokratischen Partei.
Premier macht Islamisten Integrationsangebot
Am Dienstagabend kündigte der neue ägyptische Premier eine Versöhnungsinitiative zur Beendigung der Gewalt an und bot den Islamisten Regierungsämter an. In einer Erklärung vom Dienstagabend hieß es, die Präsidentschaft beabsichtige, sich mit allen politischen Kräften in der kommenden Woche zu treffen, um einen Plan zur Vermeidung des Blutvergießens aufzustellen.
Zeitplan für demokratischen Übergang steht
Ägyptens Interimspräsident Adli Mansour will das Land mit baldigen Parlamentswahlen und einer überarbeiteten Verfassung aus der Staatskrise führen. Der Interimsnachfolger des gestürzten Islamisten Mohammed Mursi legte am Montagabend einen detaillierten Zeitplan vor, demzufolge die Übergangsphase binnen maximal 210 Tagen abgeschlossen sein und spätestens im Februar eine neue Volksvertretung zusammentreten soll. Mursis Muslimbruderschaft reagierte ablehnend auf den Vorstoß und rief zu neuen Massenprotesten im ganzen Land auf.
Mit seiner Ankündigung will der Mansour das bevölkerungsreichste arabische Land wieder in ruhigere Fahrwasser führen, nachdem am Montag bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Mursi-Anhängern laut Rettungskräften 51 Menschen getötet und mehr als 430 verletzt wurden. Mansur ordnete eine Untersuchung der blutigen Zusammenstöße an und skizzierte dann im Zeitplan die geplante Machtübergabe an eine demokratisch legitimierte Staatsführung.
Übergang in höchstens sieben Monaten
Nachfolgend ein Überblick über den per Dekret präsentierten Zeitplan, der den Abschluss der demokratischen Transformation binnen höchstens sieben Monaten vorsieht.
Verfassung:
– Der Übergangspräsident ernennt binnen 15 Tagen ein Expertengremium, das innerhalb eines Monats Änderungen an der ausgesetzten Verfassung vorschlagen soll, die im Dezember 2012 verabschiedet und stark von den Islamisten geprägt worden war.
– Die Experten reichen ihre Änderungsvorschläge an ein 50-köpfiges Komitee aus Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen weiter, inklusive politischer Parteien, Arbeiter- und Gewerkschaftsvertretern, Landwirten, Vertretern der Al-Ashar-Universität Kairo, der ägyptischen Kirche, sowie der Polizei und Armee samt anderer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
– Das Komitee stellt den Entwurf in 60 Tagen fertig und leitet ihn dann an den Interims-Präsidenten weiter.
– Das Staatsoberhaupt hat abschließend 30 Tage Zeit, um dem Volk die modifizierte Verfassung in einem Referendum zur Abstimmung vorzulegen.
Wahlen:
– Wird die Verfassung angenommen, ruft der Übergangspräsident binnen 15 Tagen Parlamentswahlen aus. Diese wiederum müssen spätestens zwei Monate später abgehalten werden.
– In der Woche nach der konstituierenden Parlamentssitzung ruft der Interims-Staatschef freie Präsidentschaftswahlen aus.
Präsident:
– Bis zur Wahl eines neuen Parlaments behält der Übergangspräsident die Gesetzeshoheit.
– In Fragen der Regierungs- und Haushaltspolitik hat er das letzte Wort und ist darüber hinaus befähigt, mit Erlaubnis des Kabinetts den Notstand auszurufen.
– Der Notstand kann für eine Dauer von maximal drei Monaten verhängt werden. Eine mehrfache Verlängerung um jeweils drei Monate ist möglich, wenn das Volk dem in einem Referendum zustimmt.
Fahrplan für den Neuanfang – Fragen & Antworten
Zügige Neuwahlen sollen die Krise in Ägypten beenden. Doch die Islamisten halten die Absetzung des gewählten Präsidenten für illegitim. Die Gräben scheinen unüberwindbar. Ägyptens Übergangspräsident Adli Mansour hat seinen Fahrplan für Verfassungsänderungen und Neuwahlen binnen sechs Monaten vorgelegt. Zugleich erschüttern blutige Zusammenstöße zwischen Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi und den Sicherheitskräften das Land. Die Polarisierung zwischen beiden Lagern wird immer gefährlicher.
Ist Mansours Agenda für eine Übergangsperiode realistisch?
Der Fahrplan des Übergangspräsidenten konkretisiert zunächst einmal Zusagen der Militärführung, als sie vor einer Woche Mursi stürzte. Doch seitdem ist viel Blut geflossen, rund 100 Ägypter starben. Es ist zu befürchten, dass die Lage weiter eskaliert.
Wie beurteilen die politischen Lager den Plan?
Die Mursi-Gegner fühlen sich bestätigt: Das Militär hatte nach der Entmachtung Mursis demokratische Neuwahlen versprochen, ohne sich auf einen zeitlichen Rahmen festzulegen. Jetzt liegen verbindliche Zeitvorgaben vor. Aber die Mursi-Anhänger beeindruckt das keineswegs.
Werden sich die Islamisten, die sich nun in Opposition befinden, an der Überarbeitung der Verfassung beteiligen?
Das ist so gut wie ausgeschlossen. Die Muslimbrüder, aus deren Reihen Mursi stammt, halten den Umsturz für illegitim und damit auch alle weiteren Schritte, die danach folgten. Sie weigern sich, Mansur anzuerkennen. Für sie ist der altgediente Verfassungsrichter eine Marionette des Militärs.
Wie wirkt sich der Ramadan auf die aktuelle Lage aus?
Der Fastenmonat ist eine Zeit der Besinnung. Die Bevölkerung geht mehr in die Moschee als sonst. Das bietet zusätzliche Möglichkeiten der politischen Mobilisierung – allerdings für beide Seiten. Für religiöse Extremisten ist es eine Zeit der “großen Taten”, worunter auch bewaffnete Aktionen fallen. Zu solchen kam es bisher vor allem im Norden der Sinai-Halbinsel.
Wie verhalten sich die Muslimbrüder nach ihrem Machtverlust ?
Sie rufen ihre Anhänger in der Öffentlichkeit zusammen und demonstrieren. Sie wollen nicht von der Straße weichen, bis Mursi wieder im Amt ist. Möglicherweise wollen sie das Militär zu blutiger Gewalt provozieren, um dadurch das eigene Lager auf einen langen, eventuell auch bewaffneten Kampf einzustimmen.
Hat die Partei der Muslimbrüder bereits zum Aufstand aufgerufen?
Ja, das Wort “intifada” (Aufstand) stand in einem Aufruf. Allerdings ist dies im Arabischen ein weiter gefasster Begriff, der auch friedliche Massendemonstrationen und zivilen Widerstand einschließt. Eine eindeutige Aufforderung zum bewaffneten Kampf lässt sich aus diesem Aufruf nicht herauslesen.
(APA; red.)
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.