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Ägypten steht "Freitag der Wut" bevor - Kairo wies US-Kritik zurück

UN-Sicherheitsrat fordert Ende der Gewalt.
UN-Sicherheitsrat fordert Ende der Gewalt. ©AP
Ägypten stehen offenbar weitere Konfrontationen bevor. Nach der blutigen Räumung ihrer Protestlager in Kairo riefen die Islamisten zu neuen Demonstrationen auf. Ihre Gegner wollen Bürgerwehren bilden. Der Ton zwischen Washington und Kairo wird schärfer. Die UNO forderte ein Ende der Gewalt.
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Anhänger der radikalen Islamisten-Vereinigung Jihad wollen heute (Freitag) gemeinsam mit den Muslimbrüdern gegen die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung protestieren. Von den Islamisten seien unter dem Motto “Freitag der Wut” friedliche Kundgebungen geplant, aber niemand könne garantieren, dass es nicht auch zu Gewalt und Brandanschlägen komme, sagte der Generalsekretär der Islamischen Partei, Mohammed Abu Samra, dem Nachrichtenportal der Kairoer Tageszeitung “Al-Masry Al-Youm”. Gerade jungen Menschen seien sehr erzürnt. Die Demonstrationen sollen an allen Moscheen Kairos beginnen und Richtung Ramses-Platz führen, erklärt der Sprecher der Bruderschaft, Gehad al-Haddad, auf Twitter.

Bürgerwehren sollen Wohnviertel schützen

Auch die Protestbewegung “Tamarud”, die Ende Juni die Massenproteste gegen Präsident Mohammed Mursi organisiert hatte, rief die Bürger auf, am Freitag in ihren Wohnvierteln Bürgerwehren zu bilden, um ihre Häuser sowie die lokalen Moscheen und Kirchen vor möglichen Attacken der Islamisten zu schützen. Das ägyptische Staatsfernsehen strahlte am Abend den Aufruf von Mahmud Badr, dem Koordinator der “Tamarud”-Bewegung, aus. Er sagte, auch einfache Bürger seien sehr wohl in der Lage, zwischen friedlichen und bewaffneten Protesten zu unterscheiden.

Die ägyptische Regierung korrigierte die Zahl der Toten laut übereinstimmender Medienberichte auf 638 nach oben. Verletzt worden seien 4201 Menschen.

Ton zwischen USA und Ägypten wird rauer

Zwischen den Verbündeten USA und Ägypten wird der Ton unterdessen rauer. Kairo kritisiert Äußerungen von US-Präsident Barack Obama und spricht von terroristischen Handlungen, die sich gegen Regierungsgebäude und lebenswichtige Einrichtung richteten. In der Erklärung des Büros von Übergangspräsident Adli Mansur hieß es in der Nacht zum Freitag weiter: “Die Präsidentschaft fürchtet, dass Erklärungen, die nicht auf korrekten Fakten basieren, gewalttätige bewaffnete Gruppen stärken und sie in ihrem Widerstand gegen Stabilität und den demokratischen Übergang bestärken könnten.”

Obama hatte erklärt, die USA verurteilten die Maßnahmen der Übergangsregierung und der Sicherheitskräfte scharf. Obama bedauerte die Gewalt gegen Zivilisten und sprach sich gegen den verhängten Notstand aus. Die USA sagten eine traditionelle gemeinsame Trainingseinheit beider Streitkräfte ab. Angesichts der Geschehnisse könnten die Vereinigten Staaten ihre Beziehung mit dem Land derzeit nicht wie gewohnt weiterführen, sagte Obama am Donnerstag von seinem Ferienort auf der Insel Martha’s Vineyard im US-Staat Massachusetts aus.

UN verurteilte Gewalt

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte am Donnerstag die Gewalt in Ägypten. Zugleich wurden alle Parteien aufgerufen, die “Aggressionen” einzustellen, wie Argentiniens Vertreterin Maria Cristina Perceval als derzeitige Ratspräsidentin nach einer Dringlichkeitssitzung des Gremiums mitteilte.

Die USA riefen Bürger zum Verlassen des Landes auf. Alle dort lebenden Amerikaner seien angehalten, aus dem nordafrikanischen Staat auszureisen, teilte das Außenministerium in Washington am Donnerstag mit. Das US-Außenministerium begründete seine Reisewarnung mit den politischen und sozialen Unruhen in Ägypten.

Auch österreichischen Behörden raten vor nicht dringend notwendigen Reisen nach Ägypten ab. Eine offizielle Reisewarnung für das ganze Land gibt es bisher aber noch nicht. Die Lage in den Tourismusgebieten wie Sharm el Sheikh und Hurghada erscheine derzeit stabil, heißt es auf der Homepage des Außenministeriums. Derzeit halten sich nach Angaben von Reiseveranstaltungen rund 5.000 Österreicher auf Urlaub in Ägypten auf.

Reisekonzerne bieten Umbuchungen an

Ägypten-Urlaubern der Reisekonzerne TUI, Thomas Cook, Dertour und FTI können wegen der jüngsten Gewaltausbrüche in dem Land ohne Mehrkosten auf andere Reiseziele ausweichen. Die kostenlosen Umbuchungen würden aus Kulanz angeboten, erklärten die Unternehmen am Donnerstag.

Mehrere westliche Staaten, darunter Deutschland, hatten zuvor die ägyptischen Botschafter einbestellt. Die EU-Außenminister wollen die Lage in dem Land voraussichtlich Anfang kommender Woche erörtern.

Die Türkei rief ihren Botschafter in Ägypten zu Konsultationen nach Ankara zurück. Dies gab Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am späten Donnerstag bekannt, wie die Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi berichtete.

Notstand in mehreren Landesteilen

Das ägyptische Innenministerium wies die Polizei an, ab sofort mit scharfer Munition auf Plünderer und Saboteure zu schießen. In einer Erklärung hieß es, der Anlass dafür seien “Terrorattacken der Organisation der Muslimbrüder auf verschiedene Einrichtungen von Regierung und Polizei in mehreren Provinzen”. Damit solle verhindert werden, dass öffentliche Gebäude in Brand gesetzt und Waffen aus Polizeistationen gestohlen werden. Die Regierung hatte bereits zuvor trotz massiver internationaler Kritik das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte verteidigt. In mehreren Landesteilen gilt der Notstand.

Die Angriffe der Extremisten richteten sich nicht allein gegen öffentliche Gebäude und Polizeiwachen. Auch christliche Kirchen wurden Ziel der Attacken. Aus Sicherheitskreisen hieß es, in Abanub in der Provinz Assiut sei eine koptische Kirche niedergebrannt worden. Nach Angaben der christlichen Zeitung “Watani” attackierten die Islamisten insgesamt 35 Kirchen oder andere Einrichtungen der Kopten.

(APA)

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