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Adventzeit bei der Familie Zogaj im Kosovo

"In zehn Tagen habe ich Geburtstag", sagt Alfred Zogaj mit freudloser Miene, während er auf das trostlose Ortsbild Kaliqans blickt. "Nach Feiern ist mir hier aber wirklich nicht zumute."

Es ist der erste Advent, rund zwei Monate sind vergangen, seit der 16-jährige Alfred mit seinen drei Geschwistern und seinem Vater Devat in das 1.000-Einwohner-Dorf im Westen des Kosovo abgeschoben wurde. Normalität hat sich seither nicht eingestellt, die alte Heimat ist ihnen fremd.

„Schau, dort drüben bringt gerade ein Esel Holz aus dem Wald“, sagt der älteste Sohn Alban, als könne er es selbst kaum glauben. Mit seinem neuen Leben hat sich der 18-Jährige noch nicht abgefunden. „Hier gibt es einfach gar nichts“, meint Alban in oberösterreichischem Dialekt. Aus seiner Geldbörse holt er eine Erinnerung aus alten Tagen hervor. Es ist eine österreichische E-Card, doch die zählt im Kosovo ebenso wenig wie die Schulzeugnisse der Burschen. „Das Einzige, was wir hier tun können, ist auf gute Nachrichten aus Österreich zu warten.“ Mir ihren Freundinnen „daheim“ telefonieren die beiden einmal pro Tag, „mit Arigona chatten wir gelegentlich übers Internet“, sagt Alfred und deutet auf das einzige Geschäft im Ort.

Von hier aus führt ein matschiger Trampelpfad zum Grundstück der Zogajs. Dort angekommen, springt den zwei Brüdern ein Hund entgegen. Es ist der acht Monate alte „Jonny“. „Er ist noch immer ein bisschen verschreckt, denn vor einigen Tagen sind Wölfe bis an den Garten gekommen“, erzählt Vater Devat, der gerade aus dem Haus seiner Mutter kommt. Für die drei männlichen Zogajs ist die Wohnsituation auch nach zwei Monaten schwierig. Das im Krieg zerstörte Haus der Familie ist nach wie vor eine Ruine. Die einzige Verbindung mit dem Ort, in dem sie jetzt ihr Leben neu in die Hand nehmen sollen, ist die Großmutter. Deren bescheidenes Haus befindet sich ebenfalls auf dem Grundstück und bietet derzeit die einzige Schlafmöglichkeit.

In Österreich zündet man in der Adventszeit gerne Kerzen an. Auch im vollgeräumten Wohnraum der Großmutter brennen einige Kerzen. Beim ersten Hinsehen vermittelt das flackernde Licht einen gemütlichen Eindruck, doch im Kosovo sind Kerzen abseits von Adventsstimmung eine Notwendigkeit. In Kaliqan gibt es nur wenige Stunden Strom am Tag, in der Nacht wird es kalt und dunkel.

„Klar, wir sind Moslems, aber wir haben in Österreich trotzdem Weihnachten mit Freunden und Bekannten gefeiert“, erzählt der Vater. Im vorwiegend muslimischen Kosovo feiert kaum jemand das christliche Fest, und auch die Adventszeit werden die Zogajs dieses Jahr ohne ihre Freunde verbringen müssen. Ungewiss ist auch, ob wenigstens die Familie vereint sein wird. Während sich Mutter Nurie und Schwester Arigona weiterhin in Österreich aufhalten, sind die beiden jüngsten Zogajs, Albona und Albin, mittlerweile bei einer Tante in der Hauptstadt Pristina untergebracht. „Hier ist es zu kalt für die Kleinen. Im Winter pfeift ein furchtbarer Wind von den Bergen ins Dorf “, sagt Vater Devat kopfschüttelnd. Er sucht noch immer vergeblich nach Arbeit. Der anfängliche Schock der Abschiebung ist mittlerweile einer Lethargie und Resignation gewichen.

Das Schicksal der Familie Zogaj ist vergleichbar mit dem des Kosovo: die Zukunft ungewiss, der „Status“ nicht geklärt. Völlig klar ist hingegen, was sich die Familie zu Weihnachten wünscht: die Rückkehr nach Österreich.

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