Viel Regen bei immer noch milden Temperaturen: Was die letzten Touristen von den Stränden vertreibt, lässt die Mallorquiner jetzt in die Wälder ziehen, denn die Pilzsaison hat begonnen. Es ist keine Jagd mit Flinte und Hundegebell, wie sie Mallorquiner und Festlandspanier so lieben. Trotzdem zieht die Beute im Korb des alten Mannes bewundernde Blicke auf sich, als er sie mit langsamen Schritten aus dem lichten Wald oberhalb Valdemossas zum Parkplatz trägt.
Diverse Pilz-Trophäen
Im weichen Teppich aus her-abgefallenen Kiefernadeln, hinter hüfthohen Rosmarinbüschen und grauen Steinblöcken hat er sie aufgespürt, behutsam ausgegraben und im Weidenkorb verstaut. Ganz oben liegen die Trophäen: Blutreizker, auf Mallorquin Esclata-Sangs, hellbraune Pilze mit welligen Kappen und geflecktem Stiel, die sich schon bei kleinster Verletzung blutrot färben.
Esclata-Sangs sind die Stars der Pilzsaison, die auf Mallorca Ende Oktober beginnt und bis weit in den Dezember dauert. Wenn die steinigen Gipfel der Inselgebirge Serra de Tramuntana und Serra de Llevant immer öfter in Wolken hängen, es regnet und die Luft klar, aber nicht kalt wird, stecken Millionen Pilze ihre Köpfe aus den kargen Böden, laden weiße, gelbe, braune oder rote Kappen auf Waldspaziergängen und Wanderungen zur Entdeckertour. Rund 1500 verschiedene Pilzarten soll es auf Mallorca geben, darunter für deutsche Augen ungewohnte Exoten wie den leuchtenden Ölbaumpilz, aber auch Speisepilze wie Pfifferlinge, Reizker oder Täublinge.
Entlang der alten Köhlerwege
Sie wachsen überall dort, wo auf Mallorca nach wie vor kein bisschen Bauboom spürbar ist, entlang der alten Köhlerwege, neben Trockenmauern in Steineichenwäldern, unter den Nadeln der Aleppokiefern genauso wie in Olivenhainen oder den Dünen am Meer. Die häufigsten und schmackhaftesten unter ihnen füllen für Wochen, bis in den Winter, die Speisekarten der Restaurants, die Kisten der Marktstände und die Weidenkörbe der Wanderer.
Das Bergdorf Mancor de la Vall bei Inca feiert sogar jedes Jahr Ende November eine eigene Fira, eine Herbstmesse, für den Blutreizker, den berühmten Esclata-Sang, der kurz angebraten mit einem Tröpfchen Olivenöl als edler Leckerbissen gilt.
Es heißt wirklich Pilzjagd”, sagt Wanderführer Tomeu Pizà. Das Laub raschelt unter den weichen Sohlen der Turnschuhe des 38-Jährigen, morsche Zweige knacken. Tomeu bückt sich, schaufelt mit den Fingern die Erde über kaum sichtbaren Wölbungen auf dem Waldboden weg, legt drei helle Pilzkappen frei. Das sind die falschen”, sagt er. Den Satz wird er an diesem Tag noch öfter sagen, hier in seinem” Wald, an den Hängen über seinem Geburtsort Valldemossa. Das trockene Wetter sei schuld oder die alten Leute, die viel Zeit hätten und aus dem Ort hier hochliefen, fasst der schlanke Mann mit den dunkelbraunen Augen die spärliche Ausbeute zusammen.
Eierschwamm und Mäusefuß”
Seine Großmutter hat Tomeu als Kind mit in den Wald genommen, hat ihm Pilze wie Eierschwamm oder den Mäusefuß”, einen krausen, korallenartigen Pilz gezeigt. Wenn er heute jagen” geht, landen nur solche in der Cesta, dem luftigen Weidenkorb, die er sicher kennt: Blava und Picornell etwa, schmackhafte Speisepilze wie Täubling oder Pfifferling, die auf Mallorca jedoch in fast jedem Dorf einen anderen Namen haben. Vor drei Jahren haben selbst Anfänger viel gefunden”, meint Tomeu. Damals hatte es viel geregnet, unter dem dichten Teppich aus Laub und Nadeln war genug Feuchtigkeit. Dann kam ein Herbst mit viel zu viel Sonne und wenig Regen, und dieses Jahr, nun ja, eigentlich müsste es viele gute Pilze geben, zumindest an den richtigen Stellen.
Tomeu taxiert den fast leeren Korb eines jungen Mannes mit türkisem Polohemd und hellen Sporthosen, dessen Augen den Waldboden neben einem alten Kalkofen abtasten. Der ist nicht von hier, dort wird er nichts finden”, sagt Tomeu und zuckt mit den Schultern. So sei es nun mal, jeder Ort kenne seine Pilzgründe, auch wenn in guten Jahren die Pilzjagd ohne großes Wissen bequem von jedem Wanderweg aus möglich ist.
Gesetz wird nicht kontrolliert
Die Leute lieben es, in den Wald zu gehen und Pilze zu suchen”, sagt Biologin Carolina, dabei ist es eigentlich gar nicht erlaubt, etwas mitzunehmen.”
Es gebe ein Gesetz, aber es werde nicht kontrolliert, erklärt sie, und es klingt nicht, als sei die Direktorin über diese Praxis ernsthaft besorgt. Sondern eher so, als gäbe es auf Mallorca genügend andere Gesetze, die viel dringlicher kontrolliert gehörten als die stille Jagd mit dem Weidenkorb.
REISEINFOS
Anreise: Zum Beispiel mit Air Berlin von München nach Palma de Mallorca, aber auch von Friedrichshafen oder Altenrhein gibt es Angebote.
Saison: Der November gilt als Pilz-Monat Nummer eins auf der Sonneninsel. Die ersten Pilze werden im Oktober geerntet, die letzten im Jänner.
Unterkunftstipp: Zum Beispiel im Hotel Bon Sol, Illetas/Palma de Mallorca, Doppelzimmer mit Frühstück in der Nebensaison ab 83 Euro, www.hotelbonsol.es.
Wandertouren: auf Wunsch mit Pilzsuche, im Herbst und Winter zum Beispiel mit Escull Aventura, www.escullaventura.com.
Infos zum Naturwissenschaftlichen Museum Sóller unter www.museucienciesnaturals.org (Anzeige in Deutsch wählbar).
Weitere Informationen zu Mallorca allgemein im Internet unter www.infomallorca.net.
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