Wütende Anklage: "What Lovers Do" in der Dunkelkammer
"Dieses Lied / ist dem gewidmet, / der mich in einem Flur voller Schlangen fickte, / bis meine Augen weiß und zu Knochen wurden", hebt die Textfläche der aus Israel stammenden und in Berlin lebenden Autorin an, die die 1991 geborene Regisseurin Harnischmacher auf drei Personen aufgeteilt hat. Hintergrund ist der griechische Mythos über Medusa, die Pallas Athene nach der Vergewaltigung durch Poseidon aus Wut in das berühmte Ungeheuer mit Schlangenhaaren verwandelte. "Like Lovers Do" ist ein als Elegie getarnter zorniger Rundumschlag, der sexualisierte männliche Gewalt in den Fokus rückt. Angesichts der jüngsten Schlagzeilen ein Thema, das nach wie vor (oder mehr denn je?) auf möglichst breiter Basis ins Scheinwerferlicht gehört. Doch mit welcher bedingungslosen Allgemeingültigkeit Yishai hier den Mann an sich und seinen Penis im Speziellen durch den Reißwolf schickt (dazu später), wird im Laufe des knapp 90-minütigen Abends zu einem zweifelhaften Unterfangen.
Wütende Feministinnen mit langer Klinge
Gespielt wird vor, auf und unter einem mit Glitzervorhang bestückten Metallportal, vorangeschickt eine Triggerwarnung, deren inflationärer Selbstzweck jedoch gleich wieder gebrochen wird: "Lasst uns ehrlich sein: Triggerwarnungen verkaufen sich. Einlass empfohlen ab 18, Zwinker Zwinker", so Julia Franz Richter, die den atemlos rhythmisierten Text abwechselnd mit Sissi Reich (im Brautkleid) und Nicolas Frederick Djuren (in strammer kurzer Hose) vorträgt. Ergänzt werden die knallharten Schilderungen von Übergriffen aber auch von KI-generierten Frauen- und Kinderstimmen aus dem Off. Die Erzählungen dieser "wütenden Feministinnen - aber mit einem 20-Zentimeter-Messer" werden zudem mit zahlreichen Songs wie "Baby It's Cold Outside", "What Is Love" oder "Insel meiner Angst" angereichert. Nur, falls es jemand im Raum noch nicht verstanden haben sollte ...
Lose an der Tortur einer frisch verheirateten Frau aufgezogen, ist der Text eine kollektive Rückschau auf all jene großen und kleinen, offenen und versteckten Gewaltakte, denen Frauen im Laufe ihres Lebens ausgesetzt sein können. Abwechselnd berichten Reich, Richter und Djuren von Szenen, die man sich eigentlich nicht vorstellen will, die es aber ins Bewusstsein zu holen gilt, wenn man sich Statistiken wie jene anschaut, dass 23,75 Prozent aller Frauen in Österreich in ihrem Leben bereits sexuelle Gewalt erfahren haben. Also jede vierte Frau im Publikum.
Papier-Penis im Reißwolf
Und so verwundert es nicht, als ein meterlanger Papier-Penis durch die Reihen geschickt wird, um die eigenen Erfahrungen darauf schriftlich festzuhalten, bevor dieser schließlich bedeutungsvoll im Reißwolf zu Papierschnitzeln verarbeitet wird, die das Trio bedeutungsvoll zurück in die Menge wirft. Gewalt wird hier also mit Gewalt gelöst, die Kastration wird zum Sinnbild der Befreiung. Da möchte man sich schon fragen: Ernsthaft?
(Von Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - "Like Lovers Do (Memoiren der Medusa") von Sivan Ben Yishai, Regie: Mechthild Harnischmacher, Ausstattung: Giovanna Bolliger. Mit Sissi Reich, Julia Franz Richter und Nicolas Frederick Djuren. Weitere Termine in der Dunkelkammer des Volkstheaters: 11., 18., 19. und 30. Dezember. )
(APA)
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