BIP-Prognose: Österreich 2026 bei EU-Schlusslichtern
Für das laufende Jahr 2025 erwartet die EU-Kommission für Österreich ein Wachstum von 0,3 Prozent, für 2027 sind es 1,2 Prozent. Die Werte sind immerhin besser als noch in der Frühjahrsprognose vom Mai: Damals war für heuer noch ein Schrumpfen des BIP vorhergesagt worden, und zwar das dritte Jahr in Folge. Nicht rosig bleiben die Werte für das heimische Budgetdefizit: Dieses wird heuer mit 4,4 Prozent der Wirtschaftsleistung den in der EU als zulässig definierten Wert von 3,0 Prozent deutlich übersteigen. Kommendes Jahr soll das Defizit laut Prognose leicht auf 4,1 Prozent sinken, aber das Jahr darauf wieder auf 4,3 Prozent steigen (EU-Schnitt heuer: 3,3 Prozent).
Österreich mit hohem Budgetdefizit nicht alleine
Österreich ist mit den schlechten Defizitwerten aber nicht alleine: Neben Deutschland schaffen auch Belgien, Estland, Frankreich, die Slowakei, Finnland, Ungarn, Polen und Rumänien die 3-Prozent-Maastricht-Grenze 2026 nicht. Die EU-Kommission wird kommende Woche das sogenannte Herbstpaket des Europäischen Semesters mit wirtschafts- und haushaltspolitischen Empfehlungen an die EU-Länder vorlegen. Auf Österreich wird hier aufgrund des laufenden EU-Defizitverfahrens ein besonderes Augenmerk gelegt.
Auch bei der Inflation liegt Österreich 2025 laut heutiger Prognose mit 3,5 Prozent erneut deutlich über dem EU-Schnitt von 2,5 Prozent und dem Eurozonen-Schnitt mit 2,1 Prozent. 2026 soll die heimische Teuerungsrate auf 2,4 und 2027 auf 2,2 Prozent sinken. Die Inflation im Euroraum soll kommendes Jahr mit 1,9 Prozent und 2027 mit 2,0 Prozent den Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von etwa 2 Prozent schaffen; für die gesamte EU werden kommendes Jahr 2,1 Prozent und für 2027 2,2 Prozent erwartet.
Die Kommission betont in einer Aussendung, dass das Wachstum heuer in den ersten drei Quartalen die Erwartungen übertroffen habe. Die Entwicklung sei zunächst durch einen Anstieg der Exporte in Erwartung von Zollerhöhungen angetrieben worden, die EU-Wirtschaft sei aber auch im dritten Quartal 2025 weiter gewachsen. Mit Blick auf die Zukunft erwartet die Brüsseler Behörde "trotz eines schwierigen externen Umfelds im Prognosezeitraum" weiterhin ein moderates Wirtschaftswachstum.
EU-Kommissar Dombrovskis warnt vor Unsicherheiten
Der zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis betonte in der Pressekonferenz, dass die Schulden- und Defizitquoten in einigen Mitgliedstaaten leicht steigen dürften: "Wir müssen wachsam bleiben, um die finanzielle Stabilität zu gewährleisten." Er betonte, dass die heutige Prognose "erheblicher Unsicherheit" unterliege. Die Anstrengungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Erschließung des vollen Wachstumspotenzials Europas müssten verdoppelt werden, forderte der Lette.
Er warnte davor, dass "handelspolitische Entscheidungen der USA und die Reaktionen anderer wichtiger Akteure wie China den Welthandel dämpfen" würden. Die Prognose gehe davon aus, dass "alle Zölle, die von den USA bis zum Stichtag eingeführt oder glaubwürdig angekündigt" wurden, während des gesamten Prognosezeitraums gelten würden. Die Unsicherheit hinsichtlich der Handelspolitik bleibe hoch: "Die Auswirkungen der aktuellen Zölle und nicht-tarifären Handelshemmnisse auf die europäische Wirtschaft könnten größer sein als erwartet", so Dombrovskis.
Laute Rufe nach Bürokratieabbau
"Wir müssen das Thema Standort ganzheitlich betrachten, denn unsere Unternehmerinnen und Unternehmer sind sehr stark exportorientiert", kommentierte Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) die schlechte Prognose für Österreich am Montag in Brüssel. "In erster Linie exportieren und handeln wir mit unseren EU-Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten". Sie fordert daher "spürbare Ergebnisse und spürbare Entlastungen" beim Abbau von Bürokratie. Bürokratie koste "unglaublich viel Geld", so die Ministerin. "Wir brauchen aber einen starken Standort, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft stemmen wollen."
Die FPÖ-Wirtschaftssprecherin NAbg. Barbara Kolm übte Montagnachmittag Kritik an der ÖVP-Europaministerin. "Plakolms Forderung nach 'spürbaren Ergebnissen' beim Bürokratieabbau ist zwar richtig, aber genau das verlangt die FPÖ schon lange und konsequent", teilte sie via Aussendung mit. Österreich stecke mitten in einer gefährlichen wirtschaftlichen Stagnation und werde - "aufgrund der völlig überforderten schwarz-rot-pinken Verlierer-Koalition" - leider noch länger wirtschaftliches Schlusslicht in Europa bleiben.
Positiv sei, dass das Europäische Parlament bereits eine ambitionierte Entbürokratisierungsagenda vorlege - "mit einer starken Position zu den Lieferketten- und Nachhaltigkeitsberichtspflichten, die echte Entlastungen für Europas Unternehmen bringen", hielt die Wirtschaftssprecherin der ÖVP im Europaparlament, Angelika Winzig, fest. "Für alle Unternehmen ist es jetzt von entscheidender Bedeutung, dass unnötige Bürokratie endlich rigoros abgebaut wird und Unterstützung für innovative Betriebe unkompliziert und wirksam erfolgt." Ein besserer Zugang zu Finanzierung sowie verfügbare und leistbare Energie seien für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Europa "unverzichtbar".
IV spricht von "Weckruf"
Dass sich Österreich erneut unter den Wachstumsschlusslichtern befindet, ist laut Industriellenvereinigung (IV) ein "weiterer Weckruf" für notwendige Strukturreformen. "In Kombination mit einem anhaltend hohen Budgetdefizit zeigt der Befund, dass unser Standort im internationalen Vergleich weiter an Dynamik verliert", warnt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer vor einer "Aufschwungsillusion".
Seine Kritikpunkte: Hohe Lohnstückkosten, überdurchschnittliche Inflation, teure Energie und ein massiver regulatorischer Aufwand, welche die Wettbewerbsfähigkeit spürbar belasteten. "Es ist daher zentral, etwa beim Bürokratieabbau endlich messbare Fortschritte zu erzielen und den Faktor Arbeit zu entlasten", forderte er einen modernen, effizienten Staat, "der seine Ausgaben in den Griff bekommt, Kosten reduziert und Innovationen ermöglicht".
(APA)
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