Warum die Welt im Sudan wegsieht
150.000 Tote, Millionen Vertriebene, ganze Städte ausgelöscht, der Verdacht des Völkermorddurch die UNO – und trotzdem bleibt Sudan in vielen westlichen Medien ein Randthema. Während Kriege in Europa oder im Nahen Osten wochenlang die Titelseiten dominieren, gerät die Katastrophe in Nordostafrika oft zur Fußnote.
UN-Generaldirektor für Gesundheit, Tedros Adhanom Ghebreyesus, selbst aus Äthiopien stammend, sprach im September 2024 das aus, was viele afrikanische Stimmen seit Jahren kritisieren: "Ich denke, bei der weltweiten Aufmerksamkeit spielt Rassismus eine Rolle", sagte er gegenüber der BBC.
Diese Aussage wirft eine zentrale Frage auf: Wem hören wir zu – und wem nicht?
Nachrichtenwert und mediale Mechanismen
Die klassischen Nachrichtenfaktoren – Nähe, Dramatik, Prominenz – spielen in der Medienlogik eine große Rolle. Sudan ist für viele Leserinnen und Leser geografisch wie kulturell "fern". Was dort passiert, lässt sich nur schwer in bekannte Narrative einordnen. Keine "guten" gegen "böse" Akteure, keine übersichtlichen Fronten, keine westlichen Truppen im Einsatz.
Stattdessen ein komplexer Machtkampf zweier Generäle, unterstützt von regionalen Akteuren wie Ägypten, Libyen oder den Emiraten. Für viele Redaktionen ist das ein schwieriges Erzählmuster – und damit oft kein Aufmacher.
Zudem fehlt die mediale Infrastruktur: Kaum westliche Korrespondententeams sind noch vor Ort. Viele NGOs und Journalisten mussten Sudan aus Sicherheitsgründen verlassen. Verlässliche Informationen, Bilder oder Augenzeugenberichte sind schwer zu bekommen – und damit auch schwer vermittelbar.
Das "Mitgefühlskonto" ist überzogen
Ein weiterer, bitterer Punkt: Die Weltöffentlichkeit scheint erschöpft. Ukraine, Gaza, Afghanistan, Klimakrise – globale Katastrophen reihen sich aneinander. Das Mitgefühl ist endlich, Ressourcen in Redaktionen sind begrenzt. Das führt zu einem fatalen Effekt: Sudan konkurriert um Aufmerksamkeit – und verliert.
Die Hilfsorganisation Amnesty International nennt die Reaktion der Weltgemeinschaft "beschämend gering". Der Thinktank International Crisis Group spricht von "diplomatischem Desinteresse".
Hinzu kommt ein Rückzug der Hilfsfinanzierung: Die USA und andere westliche Staaten kürzten ihre Entwicklungshilfe für Sudan drastisch – und damit auch die mediale Relevanz.
"Wenn ein Kind in Paris stirbt…"
Medienforscher zitieren gerne den Satz: "Wenn ein Kind in Paris stirbt, ist das eine Nachricht. Stirbt ein Dorf in Afrika, ist es Statistik." Eine zynische, aber oft zutreffende Beobachtung.
Es liegt auch an uns – den Medien – hier genauer hinzusehen. Die "vergessenen Kriege" sind oft die brutalsten. Nicht, weil sie leiser sind. Sondern weil wir sie ignorieren.
(VOL.AT)
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