Nach Kritik: Gemeindeverband verteidigt Hand- und Zugdienste

Diskussion nach Einführung in Lochau
Auslöser der aktuellen Debatte war die Einführung von Hand- und Zugdiensten in Lochau, über die VOL.AT zuerst berichtet hatte. Dort sind Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, bestimmte Arbeiten im Gemeindegebiet selbst zu übernehmen – etwa die Pflege von Wegen oder öffentlichen Grünflächen – oder alternativ eine Geldleistung zu entrichten.
Diese Praxis stieß auf breite Kritik, nicht zuletzt wegen ihrer historischen Wurzeln: Die gesetzliche Grundlage stammt aus der Zeit des Austrofaschismus und wurde nach 1945 nur teilweise modernisiert. Nun wollen die Grünen und die SPÖ das Thema in den Vorarlberger Landtag bringen, um die Abschaffung der Regelung erneut zu fordern – wie schon 2005.
Gemeindeverband verteidigt "gelebte Solidarität"
In einer am Dienstag veröffentlichten Presseaussendung spricht sich der Vorarlberger Gemeindeverband entschieden gegen eine generelle Abschaffung aus. Präsident Walter Gohm erklärt darin:
"Die Hand- und Zugdienste sind ein gelebter Ausdruck von Gemeinschaft und Solidarität in vielen Gemeinden."
Rund ein Drittel der Vorarlberger Gemeinden nutze die Möglichkeit, solche Gemeinschaftsarbeiten oder Ersatzabgaben einzufordern. Besonders in kleineren Gemeinden – etwa im Großen Walsertal oder im Bregenzerwald – sei dies ein Beitrag zum Zusammenhalt.
"Gerade in Zeiten, in denen gesellschaftlicher Zusammenhalt und lokale Verantwortung wichtiger denn je sind, sollte man funktionierende Modelle nicht leichtfertig in Frage stellen", so Gohm.
Der Verband betont, dass niemand zu körperlich unzumutbaren Arbeiten verpflichtet werde. Es bestehe immer die Möglichkeit, sich mit einer geringen Geldleistung von der Arbeitsverpflichtung zu befreien. "Gemeinschaftsarbeit bedeutet gegenseitige Unterstützung", heißt es weiter in der Aussendung.

Historische und rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Grundlage für die sogenannten Hand- und Zugdienste findet sich in den Gemeindeordnungen der Länder – in Vorarlberg im Gemeindegesetz (§ 95 und folgende). Es erlaubt Gemeinden, Einwohnerinnen und Einwohner zur unentgeltlichen Arbeitsleistung bei öffentlichen Aufgaben heranzuziehen, wenn diese "im Interesse der Allgemeinheit" liegen.
Ursprünglich geht die Regelung auf das Jahr 1935 zurück, als die austrofaschistische Regierung solche Dienste zur Pflicht erklärte, um kommunale Arbeiten mit Bürgerbeteiligung zu finanzieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Prinzip beibehalten, aber entschärft: Seither können Gemeinden die Dienste freiwillig einführen, wobei die Teilnahme durch eine Ersatzleistung abgegolten werden kann.
Typische Beispiele sind:
- Pflege von Gemeindestraßen und Wanderwegen,
- Waldarbeiten oder die Instandhaltung von Schutzdämmen,
- Schneeräumungen oder kleinere Bauarbeiten an öffentlichen Anlagen.
Die Regelung erlaubt bis zu 16 Arbeitsstunden pro Jahr oder eine Abgabe, die meist im Bereich von 30 bis 50 Euroliegt. Viele Gemeinden verzichten heute darauf oder haben sie faktisch außer Kraft gesetzt.
Politische Forderungen nach Abschaffung
Kritiker, darunter die Vorarlberger Grünen und die SPÖ, sehen in den Hand- und Zugdiensten ein "Relikt vergangener Zeiten". Sie argumentieren, dass die Regelung aus einem autoritären System stamme und nicht mehr in eine moderne Verwaltung passe. Schon 2005 waren die beiden Parteien mit einem Antrag zur Abschaffung im Vorarlberger Landtag an den Gegenstimmen von ÖVP und FPÖ gescheitert.
"Wer sich heute für das Gemeinwohl engagiert, soll das freiwillig tun – nicht, weil es in einem Gesetz von 1935 steht", heißt es aus dem Umfeld der Grünen-Landtagsfraktion. Beide Parteien wollen in der nächsten Landtagssitzung einen Antrag einbringen, um das Thema erneut auf die Tagesordnung zu setzen.
Gemeinden entscheiden selbst
Der Gemeindeverband betont dagegen die kommunale Selbstverwaltung: Jede Gemeinde könne selbst entscheiden, ob sie die Dienste einführt oder nicht. "Wo diese Form der Gemeinschaftsarbeit gelebt wird, stärkt sie das Miteinander und schafft Bewusstsein für das Gemeinwohl", fasst Gohm zusammen.
(VOL.AT)
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