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Pickerl-Heuchelei, Führerschein-Causa: Über 1000 Gutachter-Fälle und wo das Ministerium im Dunkeln tappt

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Das Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI) hat auf eine parlamentarische Anfrage von Nina Tomaselli (Grüne) geantwortet, in der das Prüf- und Sachverständigensystem in Vorarlberg unter die Lupe genommen wurde.
Land bezahlt umstrittenem Fahrprüfer noch Monate ein Gehalt
So häufig wurde der Ex-Landesbedienstete aus der Führerschein-Causa beauftragt

In Vorarlberg galt jahrelang eine Durchfallquote von fast jeder zweiten Fahrprüfung als Normalfall. Erst durch eine Recherche der "Vorarlberger Nachrichten" öffnete sich die Tür zu einer politischen Debatte über Prüfverfahren, Gutachten und Kontrolle.

Hinweis: Es gilt die Unschuldsvermutung

Vorgeschichte: Tomaselli mit Anfrage an den Verkehrsminister

August 2025

Inhaltlich wollte Tomaselli wissen, ob und wie das Ministerium über mögliche Verflechtungen zwischen Justiz, Exekutive und Prüfernetzwerk informiert sei – und warum es trotz der auffällig hohen Durchfallquoten in Vorarlberg bislang keine Stellungnahme oder Aufarbeitung gegeben habe. Das Mobilitätsministerium verwies auf die Zuständigkeit der Länder, kündigte aber Gespräche mit dem Land Vorarlberg an.

Quelle: VOL.AT – Führerschein-Causa: VN-Enthüllungen schlagen Wellen bis nach Wien

Schriftliche Antwort liegt VOL.AT vor

Jetzt liegt die schriftliche Antwort des Bundesministeriums vor – sie zeigt Zahlen, Zugeständnisse und offene Fragen gleichermaßen.

Das Geschäft mit dem Durchfallen

Pickerl-Heuchelei aufgedeckt

Lukrative Nebengeschäfte

Kaum durchschaubar

In der Antwort des Bundesministeriums für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI) auf die Anfrage von Nina Tomaselli (Grüne) zeigt sich ein doppeltes Bild: ein formal dokumentiertes System auf der einen Seite, auf der anderen Seite ein Bereich, in dem Kontrolle, Entscheidungs- und Einflussmechanismen kaum durchschaubar bleiben.

Sachverständigeneinsätze im Überblick: Das sind die Zahlen

Die Antwort nennt für das Land Vorarlberg im Zeitraum 2021 bis 2025 insgesamt 1048 Einsätze zertifizierter Sachverständiger für Verkehr und Fahrzeugtechnik (291 in Strafverfahren, 757 in Zivilverfahren). Dies stellt erstmals eine belastbare Größenordnung dar.
Doch: Auf die konkreten Kosten, die Zahl der Gutachten pro Jahr oder weitere finanzielle Begleitgrößen verweist das Ministerium auf Daten­lücken im Verrechnungssystem.

Wie viele der drei auf justiz.gv.at genannten beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Verkehr und Fahrzeugtechnik mit dem Spezialgebiet Verkehrsunfall Straßenverkehr, Unfallanalyse aus dem Bundesland Vorarlberg sind in den Jahren 2021-2025 in Strafprozessen in jeweils wie vielen Fällen herangezogen worden? Bitte um tabellarische Auflistung auch mit dem dadurch durchschnittlichen jährlichen Verdienst.

Zuständigkeit und Kontrolle

Das Ministerium weist darauf hin, dass die praktische Durchführung von Führerscheinprüfungen bei den Ländern liegt; das BMIMI sieht seine Rolle als Rahmengeber. Damit wandert eine erhebliche Kontrollebene in die Landesverwaltung – mit allen Konsequenzen für Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
Gleichzeitig gibt das Ministerium zu, dass die automatisierte Auswertung für bestimmte Fragen – insbesondere zur Gutachtenanzahl und zu Kosten – technisch nicht möglich war.

Wie viele der 26 auf justiz.gv.at genannten beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Verkehr und Fahrzeugtechnik aus dem Bundesland Vorarlberg sind in den Jahren 2021-2025 in Strafprozessen in jeweils wie vielen Fällen herangezogen worden? Bitte um tabellarische Auflistung auch mit dem dadurch durchschnittlichen jährlichen Verdienst.

Die schriftliche Antwort zur Anfrage 3143/J nennt folgende Daten:

Jahr20212022202320242025Gesamt
Anzahl Heranziehungen (Strafverfahren) 5255578149294
Ø jährlicher Verdienst Keine detaillierte Angabe je Sachverständiger

Hinweis: Die Antwort enthält keine Auflistung der einzelnen Sachverständigen-Persönlichkeiten oder deren individuellen Verdienst.

Das Ministerium nimmt das Land in die Pflicht

Vor dem Hintergrund der hohen Durchfallquoten und öffentlichen Kritik fordert das Ministerium vom Land Vorarlberg Auskunft, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um Auffälligkeiten in Prüf- und Gutachtenverfahren zu beseitigen.
Doch: Die Leitfrage bleibt, ob punktuelle Maßnahmen ausreichen oder eine tiefgreifende Reform nötig ist – etwa mit hauptamtlichen Prüfern, unabhängigen Gutachterverzeichnissen und zentraler Daten­aufbereitung.

Führerschein-Causa: Mehr dazu im Themen-Special

Führerschein-Causa: Was laut VN über Vergütungen bekannt ist

Vertrauliche Listen, so die Recherchen der Vorarlberger Nachrichten (VN), zeigen, dass einzelne Prüfer bzw. Sachverständige Nebeneinkünfte von bis zu knapp 50.000 Euro pro Jahr erzielt haben sollen.

Laut denselben Recherchen belief sich das Geschäft mit Fahrprüfungen in Vorarlberg im Vorjahr auf rund 580.000 Euro

In einer offiziellen Landesinformation heißt es, eine einzelne Fahrprüfung (ca. 30 Minuten) werde mit 51 Euro brutto vergütet; Anfahrtskosten, Vor-/Nachbereitung oder Fortbildung seien nicht zusätzlich abgegolten.

Es gilt die Unschuldsvermutung

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