Die Abgeordneten Mario Leiter und Reinhold Einwallner haben einen selbstständigen Antrag im Vorarlberger Landtag eingebracht, der die Abschaffung dieser aus dem Jahr 1935 stammenden Praxis fordert.
Fortgesetzte Debatte um überholte Pflichtdienste
Wie VOL.AT bereits berichtet hat, verpflichten mehrere Vorarlberger Gemeinden, darunter Lochau, ihre Bürgerinnen und Bürger zu unentgeltlichen Arbeitsleistungen oder ersatzweisen Zahlungen.
Relikt des Austrofaschismus
Diese Regelung basiert auf § 91 der Gemeindeordnung 1935, einem Gesetz aus der Ära des Austrofaschismus. In Lochau etwa müssen Haushaltsvorstände ab 16 Jahren eine Tagschicht von acht Stunden leisten oder 40 Euro zahlen – eine Maßnahme, die von der Gemeindevertretung am 3. Dezember 2024 einstimmig beschlossen wurde. Ähnliche Verordnungen existieren in etwa einem Drittel der 96 Vorarlberger Gemeinden, vor allem in ländlichen Regionen wie dem Bregenzerwald.
Die Praxis stößt auf Kritik, da sie als Rückfall in vordemokratische Zeiten wahrgenommen wird. Betroffene in Lochau und anderen Orten erhalten Gebührenvorschreibungen, die auf die Erhaltung von Straßen, Wegen und Brücken abzielen. Die SPÖ argumentiert nun, dass solche Zwangsdienste dem modernen Verständnis von freiwilliger und solidarischer Beteiligung widersprechen.
Regelung nicht zeitgemäß
Der am 9. Oktober 2025 eingereichte Antrag (Beilage 141/2025) fordert den Vorarlberger Landtag auf, Folgendes zu beschließen: "Die Landesregierung wird ersucht, dem Vorarlberger Landtag einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Gemeindeordnung 1935 ehestmöglich außer Kraft gesetzt werden soll."

In der Begründung heben die Antragsteller Klubobmann Mario Leiter und Landtagsabgeordneter Reinhold Einwallner hervor, dass die Pflicht zu Hand- und Zugdiensten in mehreren Gemeinden nach wie vor angewendet wird. Sie bezeichnen dies als Relikt aus einer Zeit, in der Pflichtdienste als Mittel der Kontrolle dienten. "Was damals als Pflichtdienst gedacht war, wirkt heute wie ein Rückfall in vordemokratische Zeiten", heißt es im Antrag. Die Abgeordneten betonen, dass Beteiligung in einem modernen Gemeinwesen freiwillig und auf Augenhöhe erfolgen sollte.
Land muss Gemeinden besser unterstützen
Zudem wird die finanzielle Situation der Gemeinden thematisiert. Die SPÖ sieht die Ursache für den Rückgriff auf solche Maßnahmen in einer strukturellen Unterfinanzierung durch das Land Vorarlberg. "Es kann nicht Aufgabe einzelner Bürgerinnen und Bürger sein, durch Pflichtarbeit Lücken zu füllen, die durch unzureichende Finanzausstattung entstehen", argumentiert die SPÖ in ihrem Antrag. Sie fordert, dass das Land die Kommunen besser ausstattet, um notwendige Arbeiten ohne Zwangsdienste zu ermöglichen. Wörtlich im Antrag dazu: "Wenn Gemeinden heute auf Vorschriften aus dem Jahr 1935 zurückgreifen müssen, zeigt das vor allem eines: Das Land lässt sie im Stich."

Update 15:27 Uhr:
Grüne unterstützen Vorstoß der SPÖ
Klubobmann Daniel Zadra bezeichnet die Hand- und Zugdienste in Vorarlberg als „eine längst überholte Form von Zwangsdienst“. Er fordert deren Abschaffung und sieht in der Einhebung dieser Dienste ein Zeichen der angespannten finanziellen Lage vieler Gemeinden.
"Viele Gemeinden stehen mit dem Rücken zur Wand und werden von der schwarz-blauen Landesregierung im Stich gelassen", erklärte Zadra. Während die Einnahmen stagnieren, würden die Ausgaben weiter steigen. "Kein Wunder, dass Gemeinden alles versuchen, um ihre Aufgaben für die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger weiterhin erfüllen zu können", so der Klubobmann weiter. Er fordert die Landesregierung auf, mit den Gemeinden einen gerechten Finanzausgleich zu verhandeln, der die tatsächlichen Kosten abdeckt und die Kommunen langfristig entlastet.
Zadra erinnerte zudem daran, dass bereits 2005 gemeinsam mit der SPÖ für die Abschaffung der Pflichtdienste gekämpft worden sei. "Damals blockierten ÖVP und FPÖ. Ich hoffe, dass sich 20 Jahre später ihre Ansichten geändert haben", richtete er seinen Appell an die Regierungsparteien.
Auch Verfassungsjurist für Neuregelung
Auch der Verfassungsjurist Peter Bußjäger sprach sich bereits im November 2024 in einem ORF-Interview dafür aus, dass sich der Vorarlberger Landtag mit der Thematik beschäftigen sollte. "Der Gesetzgeber sollte sich ein Herz fassen und dieses Rechtsinstitut entweder gänzlich aufheben oder, wenn man der Auffassung ist, dass dies in ländlichen Gemeinden weiterhin Sinn macht, auf eine moderne Grundlage stellen", erklärte er damals.

Zweiter Anlauf nach 2005
Die Gemeindeordnung 1935 wurde in der autoritären Phase Österreichs erlassen und regelt bis heute Aspekte der kommunalen Selbstverwaltung in Vorarlberg. Bereits 2005 hatten SPÖ und Grüne einen ähnlichen Antrag zur Aufhebung gestellt, der jedoch an den Gegenstimmen von ÖVP und FPÖ scheiterte. Interessant ist hier der Kontrast zur lokalen Ebene: In Lochau, wo ein grüner Bürgermeister regiert, stimmten auch die grünen Gemeindevertreter für die Einhebung der Dienste – im Widerspruch zur Position der Landespartei.
(VOL.AT)
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