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Fact Checking - Mit Storytelling im Info-Armageddon punkten

APA-Chefredakteurin Maria Scholl eröffnete das Faktencheck-Event
APA-Chefredakteurin Maria Scholl eröffnete das Faktencheck-Event ©APA/Ludwig Schedl
Der von Trump-Beraterin Kellyanne Conway geprägte Begriff der "alternativen Fakten" ist bald zehn Jahre alt, beschäftigt in Zeiten von Fake-News, Deep-Fakes und Co. aber stärker denn je. "Wir sind umstellt von ihnen wie von einer hohen Mauer", konstatierte APA-Chefredakteurin Maria Scholl am Dienstag bei der Konferenz "The Future of Fact Checking" in Wien. Faktenchecks alleine gewinnen keinen Kampf, auch wie sie vermittelt werden, ist relevant, verdeutlichte eine Diskussion.

"Schlacht um Fakten"

Bevor diese in Fahrt kam, zeichnete Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa per Videobotschaft ein düsteres Bild. Die Welt sehe sich gegenwärtig mit einem "Informations-Armageddon" konfrontiert, mit einer "Schlacht um Fakten". Ohne Fakten verliere man nicht nur Journalismus und Demokratie, sondern zudem die geteilte Realität, warnte sie. Auch Scholl stellte klar, dass Demokratien sehr verwundbar seien. Faktenchecks seien eine Reaktion auf diese Erkenntnis und müssten weiter professionalisiert werden.

In der Debatte um wahr oder falsch mischt im besten Fall die Wissenschaft mit. Wie Wissenschafterinnen und Wissenschafter zu ihren Erkenntnissen gelangen, war während der Coronapandemie einem Teil der Bevölkerung nicht bekannt. "Die Pandemie war eine Chance zu erklären, wie Wissenschaft abläuft. Aber die ist schlecht genutzt worden", hielt Jana Meixner, Autorin bei der Plattform "Medizin transparent", fest. Es reiche nicht, Fakten einfach darzulegen. "Die Gegenseite nutzt ein mächtiges Werkzeug: Emotionen. Davor haben wir uns in der Wissenschaft immer sehr gefürchtet", so Meixner auf der von der APA - Austria Presse Agentur im Tech Gate veranstalteten Konferenz.

Storytelling als mächtiges Instrument

Man müsse diese Angst aber überwinden und auf Storytelling setzen. "Eine falsche Geschichte kann man nicht mehr mit Fakten widerlegen, sondern nur mit einer besseren Geschichte", sagte sie. Dabei müsse man auf positive Emotionen wie etwa Begeisterung und Faszination, welche Wissenschafterinnen und Wissenschafter für ihr Fach ohnehin mitbrächten, setzen.

Lea Pichler von der Plattform "Fäkt", die Science-Videos für junge Zielgruppen produziert, weiß, worauf man bei der Ansprache von Jugendlichen auf Social Media achten muss: "Innerhalb von drei Sekunden muss ein Video Jugendliche catchen." Dann hätte man sie in etwa weitere zehn Sekunden an Bord. Dass das nicht mit trockenen wissenschaftlichen Fakten gelingt, ist klar. "Man bedient sich den Strukturen und Tricks, die man von Social Media kennt", erklärte sie.

"Real, digital, scheißegal"

Prinzipiell wäre es schön, wenn die großen Tech-Konzerne ethische Richtlinien festlegen würden. "Aber es passiert nicht, sie wollen Polarisierung befeuern", sagte Pichler. Das sieht auch Kabarettist und Autor Thomas Maurer so. "Real, digital, scheißegal" - an diesem Punkt sei man mittlerweile angelangt. Eine strenge Regulierung der Plattformen wäre dringend nötig. "Das ist aber schwierig, wenn in Amerika der Wahnsinn gezielt geschürt wird", sagte Maurer.

Filmregisseur Friedrich Moser ("How to Build a Truth Engine") plädiert daher auf eine europäische Alternative zu TikTok, Instagram und Co. Die Regulierung US-amerikanischer Konzerne müsse mit Blick auf Plattformen zwangsläufig scheitern, da man in Europa derzeit davon abhängig sei. "Es braucht Wettbewerb", sagte Moser.

EU-Regelwerk umsetzen

Mit dem Digital Services Act (DSA) existiert mittlerweile ein EU-Regelwerk, das Plattformen verpflichtet, gegen Hass, Hetze und illegale Inhalte vorzugehen. "Ich bin durchaus ein Fan der Regeln, sie sind nur zu spät gekommen", sagte Rechtswissenschafter Matthias Kettemann. In der Vergangenheit seien die Algorithmen auf den Plattformen darauf optimiert gewesen, die Verweildauer der User zu verlängern. "Jetzt ist die Vielfalt der Inhalte ein bisschen besser geworden", stellte der Internetrechtexperte fest. Bis sich größere Veränderungen einstellen, werde es aber noch einige Zeit dauern - noch dazu, da mittlerweile ein großer Social-Media-Fan im Weißen Haus das Sagen habe, sagte Kettemann mit Blick auf US-Präsident Donald Trump.

"Das Papier gibt sehr viel her, wir haben es aber noch nicht mit Leben erfüllt", hielt Digitalexpertin Ingrid Brodnig zum EU-Regelwerk fest. Es dürften auch politische Sorgen vor Gegenmaßnahmen der USA verhindern, dass Recht eingehalten werde, vermutete sie. Die europäische Politik wäre jedoch sehr unklug, ihre Gesetze gegenüber X, Facebook und Co. nicht hart umzusetzen. Schließlich kursieren gerade zu Politikerinnen und Politikern unglaublich viele Falschmeldungen, sagte Brodnig.

KI-Chatbots mit seriösen Daten füttern

Fassungslos zeigte sich Stephan Mündges, Koordinator des European Fact Checking Standards Network (EFCSN), angesichts der Tatsache, dass Facebook und Instagram professionelle Faktenchecks durch "Community Notes" ersetzen. Dabei sollen Nutzer die Aufgabe der Faktenchecker übernehmen und falsche Aussagen als solche kennzeichnen. "Das funktioniert einfach nicht", sagte er mit Blick auf erste Auswirkungen der Umstellung. "Tech-Firmen müssen sich mehr damit befassen, wie ihre Anwendungen missbraucht werden", sagte er. Halluzinierenden KI-Chatbots könnte etwa mit faktengeprüften Daten von seriösen Medienhäusern begegnet werden. Diese wären extrem wertvoll für das Training der Modelle, sagte Mündges - so die Big-Tech-Konzerne Interesse an einer Kooperation zeigen sollten.

Dass es Faktencheckerinnen und Faktenchecker mitunter sehr schwer haben, unterstrich die georgische Journalistin Mariam Tsitsikashvili. Man befinde sich konstant im "Überlebensmodus". Denn Faktenchecks - gerade zu politischen Themen - würden häufig Ermittlungen oder Klagen nach sich ziehen.

Auf kleine, tägliche Änderungen achtgeben

In den USA sei die Lage noch nicht so brenzlig wie in Georgien, meinte "New York Times"-Journalist Christoph Köttl. Die Pressefreiheit werde auch nicht von heute auf morgen abgeschafft. "Wir müssen aber auf die kleinen, täglichen Änderungen aufpassen", mahnte er. Diese seien alarmierend. Wie Politiker über Presse und Journalisten sprechen, Gerichte einschalten oder damit drohen, sei mitunter entmutigend. Um Vertrauen in die journalistische Arbeit zurückzugewinnen, müsse man nicht nur Resultate präsentieren, sondern auch aufzeigen, wie man dorthin gelangt sei.

(APA)

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