Erneut Aufschub von Gesetz gegen Abholzung vorgeschlagen

Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten verbietet den Verkauf von Produkten, deren Anbaugebiete nach 2020 abgeholzt wurden. Neben Kaffee, Palmöl und Soja gilt dies auch für Kakao, Kautschuk und Rindfleisch. Die 27 EU-Mitgliedsländer sowie das Europaparlament müssen nun über den Aufschub verhandeln.
Wirtschaftsverbände machten mobil
Zahlreiche Wirtschaftsbereiche hatten die geplante Verordnung wegen einer mangelnden Zeit zur Vorbereitung kritisiert, darunter die Süßwarenindustrie und die Zeitungsverleger. Unternehmen sollen die Einhaltung mit Hilfe von satellitengestützten Ortsdaten in den Anbauländern sicherstellen und an Brüssel berichten.
Auf Druck aus Deutschland und zahlreichen weiteren Mitgliedsländern wie Österreich hatte die EU das Gesetz im vergangenen Jahr schon einmal verschoben. EU-Umweltkommissarin Roswall nannte nun "Bedenken bei den IT-Systemen" wegen der großen zu verarbeitenden Datenmenge als Grund für die weitere Verschiebung. Sie erklärte, es sei "zu früh", um über mögliche weitere Änderungen an dem Gesetz zu entscheiden. Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion im Europaparlament, forderten bereits am Dienstag ein Abschwächen der Vorgaben. Sie setzten sich unter anderem für eine sogenannte Nullrisikokategorie ein, die zahlreiche Staaten von den Berichtspflichten für Unternehmen ausnehmen würde.
Lob für EU-Kommission
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) begrüßte den Aufschub: "Österreichs Einsatz in Brüssel hat sich ausgezahlt. Bundesminister Norbert Totschnig (Land- und Forstwirtschaftsminister, ÖVP, Anm.) hat maßgeblich zu diesem wichtigen Erfolg für unsere Land- und Forstwirtschaft beigetragen. Österreich hat kein Entwaldungsproblem und daher wäre die Verordnung in ihrer derzeitigen Form eine unnötige, massive Bürokratiebelastung vor allem für unsere kleinstrukturierten bäuerlichen Familienbetriebe. Jetzt muss es darum gehen, die gewonnene Zeit für die dringend notwendigen Nachbesserungen zu nutzen."
Die EU habe ein Gesetz für ein globales Problem geschaffen, "das wir in Österreich gar nicht haben - und baut dafür einen massiven Bürokratieapparat auf", wurde Totschnig in einer Aussendung zitiert. Die Ankündigung der Kommission sei ein "wichtiger Erfolg". Es gelte nun, eine grundsätzliche Diskussion für eine praxisgerechte Umsetzung zu führen. "Gerade für Länder mit einer strengen Forstgesetzgebung und ohne Entwaldungsrisiko wie Österreich sind dringend Nachbesserungen nötig", betonte Totschnig.
Und Kritik
Auch der Fachverband der Holzindustrie Österreichs und die Land&Forst Betriebe Österreich begrüßten den im Rat vorgebrachten Vorschlag der EU-Kommission, der Bauernbund lobte die klare Linie von Landwirtschaftsminister Totschnig zur EUDR. Die Verordnung dürfe nicht immer nur vertagt werden, "die bestehenden Probleme müssen endlich gelöst werden", betonte Jochen Danninger, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Noch weiter gingen indes die Forderungen der Landwirtschaftskammer: "Die EU-Entwaldungsverordnung für Länder wie Österreich, die mehr von einer Verwaldung als einer Entwaldung betroffen sind, muss eingestampft werden", wurde LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger in einer Aussendung zitiert.
"Die Kommission beugt sich den Wünschen der Agrarindustrie- und Sägelobby und deren EVP-Handlangern. Umwelt- und Klimaschutzpolitik sind endgültig Spielball im Abtausch gegen Gefälligkeiten von Mitgliedstaaten und zum Appeasement der eigenen Parteikolleginnen und -kollegen in der Europäischen Volkspartei", stellte Thomas Waitz, Landwirtschaftssprecher der Grünen Fraktion und grüner Delegationsleiter im Europaparlament, fest und sprach von einem "schwarzen Tag für den globalen Waldschutz". Lob gab es hingegen vonseiten der FPÖ: "Die Ablehnung des EU-Wald-Monitoring-Gesetzes ist eine gute Nachricht", hieß es vom EU-Abgeordneten Roman Haider. Sie zeige, dass "eine vernünftige Politik, die Eigenverantwortung und wirtschaftliche Freiheit fördert, Oberhand gewinnt."
Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich kritisiert die beantragte erneute Verschiebung der Umsetzung als "politische Bankrotterklärung". Der erneute Rückzieher sei ein "peinlicher Kniefall vor der industriellen Forstlobby und eine weitere kritische Aufweichung des Green Deals". Greenpeace verurteilte die Verzögerung scharf und sprach von einem Tiefpunkt europäischer Glaubwürdigkeit im Klima- und Naturschutz. "Diese Entscheidung der EU-Kommission ist die Spitze des Greenwashings", so Greenpeace-Sprecherin Ursula Bittner.
(APA/AFP)
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