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Gerade, gerollt, gewellt: Horten Museum zeigt "Die Linie"

Von Besuchern zum beliebtesten Werk gekürt: Paul Klees "Geschwister"
Von Besuchern zum beliebtesten Werk gekürt: Paul Klees "Geschwister" ©APA/Bildrecht, Wien, 2023
Die Linie ist der Beginn jeder Form. Gleichzeitig verabschiedet sich Agnes Husslein mit genau dieser vermeintlich simplen Form von dem von ihr gegründeten Horten Museum im Wiener Hanuschhof. "Die Linie" heißt die letzte große Schau unter ihrer Ägide, die sich bis 8. März 2026 einem der elementarsten Gestaltungsmittel der Kunst widmet - von Pollock bis West. "Die Linie ist so bedeutend in unserem Leben", sagte Husslein zur APA bei einer Presseführung am Donnerstag.

"Die Linie ist ein Punkt, der spazieren geht." Dieser Leitsatz des deutschen Malers Paul Klee könnte sinnbildlich für die neue Sonderausstellung in der Heidi Horten Collection stehen. In zwei Stockwerken, in denen man den Werken sehr viel Platz lässt, soll sich diese Idee Klees und die Beziehung zwischen Linie, Form und Raum erschließen. "Was ist, wenn diese Linie weiterwandert?", sagte Kuratorin Véronique Abpurg der APA. Klees Gemälde "Geschwister" ist nur eines von vielen seiner Bilder, die hier ausgestellt sind - von den Besuchern und Besucherinnen wurde es zum beliebtesten Werk der Kollektion gekürt.

"Eine Linie ist nie nur eine Linie"

Gleich beim Eingang baumeln 12 Meter lange, rote Strumpfhosen von der Decke - eine Installation der Innsbrucker Künstlerin Carola Dertnig. Die Kuratorin hat rund 120 Werke für die Schau versammelt, darunter zahlreiche hochkarätige Exponate von 30 Leihgebern, darunter auch ein Drip Painting von Jackson Pollock - das wertvollste Stück in der Schau. "Farbe fällt und trifft als Spur, als Linie auf die Leinwand", so Abpurg beim Rundgang.

Gegliedert hat sie die Ausstellung in fünf thematische Kapitel, welche die Linie als Form und Kontur, zwischen Schrift und Bild, in Bewegung, im Raum und als Grenze beziehungsweise verbindendes Element zeigen. "Eine Linie ist nie nur eine Linie", betonte sie. "Sie überliefert immer auch einen Kontext." Der Neuankauf eines politisch aufgeladenen Werkes der indischen Künstlerin Reena Saini Kallat, "Woven Chronicle" genannt, präsentiert sich als groß dimensionierte Weltkarte, in der die Linie nationale Grenzen oder globale Migrations- und Bewegungsströme nachzeichnet.

Sinnlos-Schleifen und 1.500 Dankesbriefe

In der Pop Art verdichten Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Keith Haring die Linie zu plakativen Konturen. Franz West transformiert Wittgensteins "Sinnlos-Schleife" humorvoll in eine benutzbare Garderobe. Jean-Michel Basquiat montiert Textfragmente und Symbole zu codierten Bildsystemen. Fred Eerdekens und Brigitte Kowanz machen Bedeutung im Wechselspiel von Licht und Schatten lesbar. Und natürlich darf auch Wassily Kandinsky nicht fehlen, einer der Väter der Abstraktion, der ein Plädoyer für die Vielfalt der befreiten Linie schrieb: "Die Linie erfährt viele Schicksale. Jedes davon erschafft eine bestimmte, spezifische Welt."

Ein Höhepunkt ist die ortsspezifische Installation "Letters of Thanks" von Chiharu Shiota, in der 1.500 Briefe von Besuchern und Besucherinnen des Museums zu einem eindrucksvollen roten Fadennetz verwoben sind. Diese Briefe richteten sich an geliebte Menschen, Haustiere, und eine Person hat sich auch beim Dank selbst bedankt.

Die Ausstellung verlässt man wohlwissend, dass man die Linie nie wieder unterschätzen sollte. Es ist die letzte große Ausstellung unter der Ägide von Museumsmanagerin Agnes Husslein. Mit Betonung auf "große", sagte Husslein zur APA, denn ihre letzte ist es nicht - ihre "vorletzte", und das Programm für 2026 hat sie auch zusammengestellt. Verena Kaspar-Eisert, seit 2022 Chefkuratorin des MuseumsQuartier Wien, übernimmt mit 1. November die künstlerisch-wissenschaftliche Leitung der Heidi Horten Collection.

(S E R V I C E - "Die Linie" in der Heidi Horten Collection, Hanuschgasse 3, 1., Wien, 19. September bis 8. März 2026, Katalog zur Ausstellung im Verlag für moderne Kunst, ISBN 978-3-99153-218-7; )

(APA)

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