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"Gespenster" erfordern im Akademietheater hohe Konzentration

Anja Laïs beichtet ihr Geheimnis dem Pfarrer
Anja Laïs beichtet ihr Geheimnis dem Pfarrer ©APA/Burgtheater/Tommy Hetzel
Die Melancholie liegt schwer über dem Haus des vor zehn Jahren verstorbenen Kammerherrn Alving. Das Mobiliar besteht lediglich aus einem Dutzend unbequemer Stühle, auf einer Leinwand laufen Dias aus einer längst vergangenen, schöneren Zeit. So präsentiert sich seit Sonntagabend im Akademietheater Thomas Jonigks Inszenierung von Henrik Ibsens "Gespenster", die Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann von Köln nach Wien geholt hat. Warum genau, spürt man erst im großen Finale.

Es ist in dieser neuen Saison bereits die vierte Premiere eines Stücks, das man schon anderswo gesehen haben kann. Nach der Eröffnung mit Ferdinand Schmalz' "Bumm Tschak" (Bregenzer Festspiele) und "Die letzten Tage der Menschheit" (Salzburger Festspiele) waren an diesem Wochenende die Kölner Produktionen "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und eben auch "Gespenster" zu sehen. Dafür müssen Katharina Schmalenberg ("Die verlorene Ehre") und nun auch Anja Laïs jeweils extra aus Köln nach Wien anreisen. Regisseur Jonigk fungiert am Burgtheater mittlerweile als Chefdramaturg und hat für die Wiener Version drei Schauspieler ausgetauscht, wodurch Norman Hacker als unterschwellig aufgegeilter Pastor Manders, Sabine Haupt als grandios vom Leben geprügelter Tischler Engstrand und Lilith Häßle als dessen betont kühle Tochter Regine brillieren.

Starke Mutter-Sohn-Konstellation

Geblieben ist die zentrale Mutter-Sohn-Konstellation: Die zwischen Verbitterung und Sehnsucht pendelnde Chemie zwischen Anja Laïs und Jörg Ratjen, der im echten Leben fünf Jahre älter ist als Laïs, ist in jeder Sekunde des Abends spürbar. Dennoch kommt die sehr reduzierte, sich auf die Dialoge konzentrierende Inszenierung in der ersten Stunde kaum vom Fleck. Die Spielenden, die Esther Geremus streng in rotes, grünes und violettes Samt gekleidet hat, sitzen auf wechselnden Stühlen und erheben sich für ihre jeweiligen Einsätze, die sich nur schleppend entwickelnde Dynamik erfordert höchste Konzentration im Publikum (was hörbar nicht alle Besucher durchgehalten haben). Und so schält sich die lange unter Verschluss gehaltene Lebenslüge der Hausherrin nur langsam aus ihrem Versteck tief in ihrem Herzen.

Während sich die Liebesgeschichte zwischen Frau Alvings Sohn Osvald und dem vermeintlichen Dienstmädchen Regine zart entspinnt, beichtet die Mutter ihr Geheimnis dem Pfarrer, der an diesem gottverlassenen Ort so etwas wie ein Bürgermeister ist und seine Schäfchen fest im Griff hat. Gesundheitlich geht es Osvald immer schlechter, die Melancholie hat ihn fest im Griff, er fürchtet, nie wieder ein Bild malen zu können. Die Liebe zu Regine ist sein einziger Lichtblick, bis die beiden schließlich im großen Finale erfahren, dass sie gar nicht die Tochter des Tischlers ist, sondern einem Seitensprung des ehrwürdigen Kammerherrn Alving entsprungen und somit Osvalds Halbschwester ist. Lilith Häßles Verzweiflungsausbruch ist sehenswert, ebenso wie Ratjens psychische Ermattung. Und Sabine Haupt zeigt als liebevoller Ziehvater, dass in ihm doch mehr steckt, als man vermutet hatte.

Der Staub bleibt in den Kleidern

Doch Samt zieht Staub bekanntlich an. Diesen aus den Kleidern dieses Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Werks zu schütteln, gelingt Jonigk trotz der famosen Schauspielleistungen nicht. Ärgerlich ist auch die in vielen Szenen eingesetzte, wenn auch leise Hintergrundmusik, die manche Dialoge schlecht hörbar macht. Und so werden die pausenlosen Eindreiviertelstunden dann doch etwas lang. Herzlicher, aber kurzer Applaus für das Ensemble.

(Von Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Gespenster" von Henrik Ibsen im Burgtheater. Neueinstudierung einer Produktion des Schauspiel Köln. Regie: Thomas Jonigk, Bühne: Lisa Däßler, Kostüme: Esther Geremus. Mit Anja Laïs, Jörg Ratjen, Norman Hacker, Sabine Haupt und Lilith Häßle. Kommende Termine: 29. September, 3., 9. und 20. Oktober. )

(APA)

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