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Petritsch für Abschaffung des Bosnien-Beauftragten

Christian Schmidt ist derzeit internationaler Bosnien-Beauftragter
Christian Schmidt ist derzeit internationaler Bosnien-Beauftragter ©APA/AFP
Das Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina ist nach Ansicht des langjährigen Diplomaten Wolfgang Petritsch, der die Position selbst einmal innehatte, nicht mehr zeitgemäß. Es müsse an die geänderte Situation im Land angepasst werden, das bedeute in letzter Konsequenz die Schließung des Büros, sagte Petritsch im APA-Interview. Vorbereitet werden solle der schrittweise Rückzug von einer Expertengruppe.

"Es wäre jetzt notwendig, dass eine erfahrene Gruppe an lokalen und internationalen Experten erarbeitet, wie eine Exit-Strategie aussehen könnte: Was ist bisher erreicht worden? Und was ist noch unbedingt von der internationalen Gemeinschaft zu tun, was die lokalen Behörden möglicherweise nicht können?", so Petritsch. Darauf basierend müssten Ziele und ein "flexibler Zeitplan zur Schließung" formuliert werden, erklärte der Kärntner, der von 1999 bis 2002 Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien war. Derzeit wird das Amt vom deutschen Ex-Minister Christian Schmidt bekleidet.

Hoher Repräsentant hat umfassende Vollmachten

Der Hohe Repräsentant wacht als Vertreter der internationalen Gemeinschaft über die Einhaltung des Dayton-Friedensvertrags, mit dem 1995 die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Bosnien-Herzegowina nach dem blutigen Krieg (1992-1995) wiederhergestellt wurde. Die sogenannten Bonner Vollmachten ("Bonn Powers") ermöglichen ihm, Gesetze zu erlassen, Behörden zu schaffen oder sogar gewählte Amtsträger zu entlassen. Seit dem Dayton-Abkommen ist Bosnien-Herzegowina aufgeteilt in die überwiegend von bosnischen Serben bewohnte Republika Srpska (RS) und die kroatisch-muslimische Föderation Bosnien und Herzegowina. Die beiden halbautonomen Landesteile haben eigene Regierungen und Parlamente und sind durch eine schwache Zentralregierung verbunden.

Diplomat befürchtet keine Destabilisierung

Eine Destabilisierung der politischen Situation befürchtet Petritsch durch die vorgeschlagene Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten nicht. Wichtig sei allerdings, dass man "die Causa Dodik zu Ende bringt". Der nationalistische Politiker Milorad Dodik war im August seines Amtes als Präsident der Republika Srpska enthoben worden, zu einer Haftstrafe und einem sechsjährigen Ämterverbot verurteilt worden. Grund für das Urteil sind zwei Gesetze aus dem Juli vergangenen Jahres, mit denen der Nationalist die Umsetzung von Entscheidungen des Hohen Repräsentanten untersagt hatte. Dodik betrachtet sich allerdings weiterhin als rechtmäßiger Präsident. Die für Ende November angesetzte Wahl eines neuen bosnisch-serbischen Präsidenten will er boykottieren. Stattdessen will er sich Ende Oktober in einer selbst organisierten Volksabstimmung im Amt bestätigen lassen.

Es gebe Anzeichen dafür, dass sich Dodik zurückziehen könnte, berichtete Petritsch. Darauf, dass Dodik seinen Abgang friedlich hinnimmt, zielen aktuell auch die diplomatischen Bemühungen ab. "Das Gesetz gilt für jeden", kommentierte Petritsch. Dodik habe sich an das Urteil des bosnischen Gerichts zu halten. "Es wäre ein wichtiges Signal und würde zeigen, dass die Rechtsstaatlichkeit funktioniert, betonte der Präsident des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP). Das würde auch den Gesamtstaat festigen. Er sei jedenfalls "zuversichtlicher als noch vor ein paar Monaten", was die generelle politische Situation in Bosnien betrifft. "Ich sehe zumindest die Konturen eines Weges nach vorne."

Bei der Frage, bis wann er eine komplette Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten für realistisch halte, wollte sich Petritsch nicht festlegen. Ein kleines Büro "zur Beobachtung", das zunächst auch noch die Bonner Vollmachten behalten solle, müsste man vorerst weiterhin in Sarajevo belassen - "für den Extremfall, bei Verstößen gegen Dayton".

(Das Interview führte Christina Schwaha/APA)

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