EuGH gibt Österreich bei ungarischem AKW Recht

Die ungarische Regierung erklärte, der Bau der Reaktoren werde fortgesetzt und beschleunigt. Die Bauarbeiten von Paks II würden durch das Urteil "keineswegs eingeschränkt oder gebremst". Vielmehr "haben wir in jüngster Zeit das Projekt beschleunigt", betonte Außenminister Péter Szijjártó am Donnerstag in Budapest nach einem Treffen mit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS). Der Außenminister betonte weiter, dass sich das Urteil gegen die EU-Kommission und nicht gegen Ungarn richte. Dies sagte auch Europaminister János Bóka. Da das Gericht weder das staatliche Beihilfesystem noch das angewandte öffentliche Vergabeverfahren als rechtswidrig eingestuft habe, gebe es keine rechtlichen Hindernisse für die Fortsetzung des Paks-Projekts gemäß dem bisherigen Zeitplan, sagte Bóka.
Meinl-Reisinger in Ungarn
"Wir sind voll bestätigt in unseren Argumenten", kommentierte Außenministerin Meinl-Reisinger am Donnerstag in Budapest die Entscheidung. Diese habe gezeigt, dass "das sowohl beihilfenrechtlich, als auch vergaberechtlich nicht in Ordnung" war. "Jetzt ist die Europäische Kommission gefordert, das wieder aufzurollen, und das ist gut so", sagte Meinl-Reisinger vor österreichischen Journalisten.
Paks ist das einzige Atomkraftwerk in Ungarn. Es liegt etwa 110 Kilometer südlich der Hauptstadt Budapest und 250 Kilometer von Wien entfernt. Mit seinen vier Kernreaktoren produziert das AKW rund die Hälfte des in Ungarn erzeugten Stroms. 2014 vereinbarte Ungarn mit Russland, die vier Reaktoren um zwei Blöcke zu erweitern. Nach Angaben von Szijjártó gehen die beiden neuen Reaktoren von Paks II Anfang des kommenden Jahrzehnts ans Netz.
Früheres Urteil aufgehoben
Die EU-Kommission hatte die Investitionsbeihilfe 2017 genehmigt, die Ungarn dem staatlichen Unternehmen MVM für die Entwicklung von zwei neuen Kernreaktoren am Standort des Atomkraftwerks Paks zu gewähren beabsichtigte. Diese neuen Reaktoren sollten sukzessive die vier vorhandenen Reaktoren ersetzen. Mit dem Bau der neuen Reaktoren wurde in unmittelbarer Vergabe die russische Gesellschaft Nischni Nowgorod Engineering beauftragt, gemäß einem Abkommen zwischen Russland und Ungarn über die Zusammenarbeit bei Atomenergie. In diesem Abkommen verpflichtete sich Russland, Ungarn ein staatliches Darlehen zur Finanzierung der neuen Reaktoren zu gewähren.
Das Gericht der Europäischen Union hatte die österreichische Klage (T-101/18) gegen staatliche Beihilfen Ungarns für zwei neue Kernreaktoren des Atomkraftwerks Paks im November 2022 abgewiesen. Österreich hatte unter anderem geltend gemacht, dass ein Vergabeverfahren für Paks II hätte durchgeführt werden müssen und dass die Beihilfen zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen führen. Die Bundesregierung ging daraufhin gegen das Urteil rechtlich vor. Der Gerichtshof hob nun das Urteil des Gerichts auf und erklärte den Genehmigungsbeschluss der Kommission für nichtig.
Totschnig, SPÖ, Grüne und Umweltschutzorganisationen erfreut
Umwelt- und Klimaminister Norbert Totschnig (ÖVP) bezeichnete die EuGH-Entscheidung als "erfreulich". "Das Urteil sendet ein starkes Signal für Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und fairen Wettbewerb in der EU", erklärte der Minister in einer Stellungnahme. "Ich freue mich, dass uns Luxemburg während des gesamten Verfahrens unterstützt hat - hier konnten sich zwei kleine Staaten gegen eine Vielzahl großer Staaten durchsetzen. Wir werden das Urteil eingehend analysieren und auch als Leitlinie für allfällige künftige Verfahren heranziehen."
Auch SPÖ-Klubvorsitz-Stellvertreterin und Umweltsprecherin Julia Herr zeigte sich erfreut. "Das Urteil ist ein großer Erfolg für Österreich und ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu weniger Atomkraft", sagte Herr. Angelika Winzig, stv. Delegationsleiterin und Wirtschaftssprecherin der ÖVP im Europaparlament, ergänzte: "Ich bin erleichtert, dass sich der gesunde Menschenverstand und unsere Rechtsansicht durchgesetzt haben. Es ist vollkommen klar, dass man Aufträge in dieser Größenordnung nicht freihändig vergeben darf. Schon gar nicht an eine russische Firma im Gegenzug für einen Kredit für den Bau aus Russland. Einmal mehr stellt der EuGH klar, dass EU-Recht auch für Viktor Orban gilt."
Grünen-Klubobfrau Leonore Gewessler sprach ebenfalls von einem guten Signal. "Der EuGH hat Orbáns Atomträumen den Stecker gezogen: Milliarden für ein gefährliches AKW - ohne Ausschreibung direkt nach Russland - wurden gestoppt", erklärte sie in einer Stellungnahme. "Österreich hat geklagt, Verantwortung für Europa getragen und gewonnen. Ein gutes Signal für den ganzen Kontinent."
Greenpeace bezeichnete das EuGH-Urteil als "historischen Erfolg". Die Umweltschutzorganisation forderte die EU-Kommission in einer Aussendung auf, die Entscheidung schnellstmöglich umzusetzen, die Genehmigung der Förderungen zurückzunehmen und auch andere Atom-Beihilfen kritisch zu prüfen. "Steuermilliarden gehören nicht in veraltete, gefährliche Atomkraft, sondern müssen in den Ausbau von Erneuerbaren fließen", erklärte sich Klima- und Energieexperte Marc Dengler von Greenpeace. "Paks II würde Ungarn für Jahrzehnte an riskante und überteuerte Atomtechnologie fesseln und damit auch Österreich gefährden."
Die Umweltorganisation Global 2000 sieht einen möglichen Präzedenzfall für die Missachtung von Vergaberecht bei AKW. Ähnliches müsse auch für ähnlich gelagerte Fälle gelten. "Aktuell versucht etwa Polen das erste AKW des Landes direkt an das US-Unternehmen Westinghouse zu vergeben. Beide Fälle stellen den Wettbewerb und das Vergaberecht im Gemeinsamen Markt in Frage", sagte Patricia Lorenz, Anti-Atom-Sprecherin bei Global 2000, in einer Stellungnahme.
Rückschlag bei Taxonomie-Klage
Erst am Mittwoch hatte Österreich einen juristischen Rückschlag hinnehmen müssen. Der EuGH wies die Klage Österreichs gegen die Einstufung von Atomenergie und Gas als nachhaltig ab. Die entsprechende EU-Taxonomie-Verordnung war 2022 nach langen Diskussionen erweitert worden. Damit sollen wirtschaftliche Aktivitäten nach ökologischen Standards klassifiziert werden und so Investitionen angekurbelt werden.
(APA)
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