Regierungsumbildung in Großbritannien

Neue Innenministerin werde Shabana Mahmood. Es handelte sich um die bedeutendste Personalveränderung unter Starmer. Dessen Labour-Party hat mit schlechten Umfragewerten und der aufstrebenden rechtspopulistischen Reform UK zu kämpfen.
Zu wenig Steuern gezahlt
Rayner wird vorgeworfen, bei einem Immobiliengeschäft 40.000 Pfund (46.173,38 Euro) zu wenig an Steuern bezahlt zu haben. In ihrem Rücktrittsschreiben an Starmer erklärte sie, sie bedauere zutiefst ihre Entscheidung, keinen auf solche Fragen spezialisierten Steuerberater hinzugezogen zu haben. "Ich übernehme die volle Verantwortung für diesen Fehler", schrieb sie. Kurz darauf berichteten britische Medien über den Umbau des Kabinetts. Demnach wurde auch die Vorsitzende des Unterhauses, Lucy Powell, entlassen. Schottland-Minister Ian Murray habe ebenfalls seinen Hut nehmen müssen.
Rayner ist die achte und ranghöchste Ministerin, die aus Starmers Regierung ausscheidet. Damit hat er zu Beginn seiner Amtszeit außerhalb von Kabinettsumbildungen mehr Minister verloren als jeder andere Premierminister der vergangenen 50 Jahre.
Jahreskonferenz der Rechtspopulisten
Wegen der "Nachricht aus Westminster" zog Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage seine Rede bei der Jahreskonferenz seiner in Umfragen führenden Reform-Partei zeitlich vor. Es sei klar, dass ein Kabinett voller "unqualifizierter Personen" das Land führe. Starmers Regierung sei "genauso schlecht, wenn nicht sogar schlechter" als die vorausgegangene der Konservativen.
Für Starmers sozialdemokratische Labour-Party ist der Rücktritt Rayners ein massiver Rückschlag. Sie galt als Galionsfigur des linken Parteiflügels und als Hoffnungsträgerin einer Partei, die in den Umfragen derzeit schwächelt. Starmer hatte die Partei vom linken Rand unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn weit in die politische Mitte geführt. Rayner galt als Brücke zu einem zutiefst misstrauisch gewordenen linken Parteiflügel. Die Regierung war auch schon zuvor wegen einer stotternden Wirtschaft, steigender Lebenshaltungskosten und wachsender Unzufriedenheit über hohe Einwanderungszahlen unter Druck geraten. Die Rayner-Affäre löste ein weiteres Beben aus.
Profiteur der Krise ist Rechtspopulist Farage
Der Rücktritt der Politikerin ausgerechnet am ersten Tag der Konferenz der Partei Reform UK passt ins Bild. Farage ließ sich auf dem Messegelände in Birmingham mehrfach feiern. Sein erster Auftritt auf dem Podium wurde von Pyrotechnik begleitet. Der 61-Jährige scheint sich zu gefallen als Mischung aus Rockstar und Politiker, der angeblich alles besser kann.
Der Brexit-Vorkämpfer treibt die Regierung schon seit Monaten vor sich her. In laut Farage "100 Umfragen" sei Reform zuletzt die stärkste Partei gewesen. Im britischen Mehrheitswahlrecht wird die landesweit stärkste Partei jedoch nicht zwangsläufig zur stärksten Fraktion im Parlament.
"Es passiert", rief Farage während seiner Rede im Hinblick auf den Rayner-Rücktritt seinen Anhängern zu. Der Parteichef spielt mit der Angst der britischen Bevölkerung, insbesondere beim Thema Migration. Starmers Regierungskurs hatte er immer wieder scharf kritisiert oder ins Lächerliche gezogen. Jetzt geht Farage von Neuwahlen bereits 2027 statt 2029 aus. Er sehe eine "Spaltung" innerhalb von Labour, die den Posten hinter Starmer neu besetzen muss.
Zudem gab Farage den Übertritt der früheren konservativen Kulturministerin Nadine Dorries zu seiner Partei bekannt. Reform verfügt derzeit nur über vier der 650 Sitze im Parlament, liegt jedoch in Umfragen vor Labour.
Politikerin mit hoher Glaubwürdigkeit bei Arbeiterklasse
Rayner war in den vergangenen Tagen erheblich unter Druck geraten. Sie hatte zugegeben, sich bei der Frage nach der Höhe der Grunderwerbssteuer für eine Immobilie auf Rat verlassen zu haben, der sich als falsch herausstellte. Sie hatte selbst um eine Untersuchung gebeten, ob sie damit gegen die Verhaltensstandards für Kabinettsmitglieder verstoßen hatte. Diese kam zum Schluss, dass ein Verstoß vorlag.
Rayner gilt als schlagfertige und begabte Politikerin, die keine Auseinandersetzung scheute. Gelegentlich schoss sie übers Ziel hinaus, etwa als sie die politischen Gegner von der Tory-Partei als "Abschaum" bezeichnete - und sich entschuldigen musste.
Als Ministerin war sie unter anderem für die Themen Wohnen und kommunale Angelegenheiten zuständig. Glaubwürdigkeit in der britischen Arbeiterpartei verlieh ihr vor allem ihr bescheidener Hintergrund als Teenager-Mutter, die in einer Sozialwohnung aufgewachsen war und sich mit viel Fleiß in einer Gewerkschaft nach oben gearbeitet hatte. Auch ihr nordenglischer Dialekt trug zu diesem Ruf bei. Sie ist mit 45 Jahren bereits Großmutter.
Von politischen Gegnern wurde Rayner auch immer wieder zum Ziel sexistischer Vorwürfe. So berichtete die Boulevardzeitung "Mail on Sunday" einmal, Abgeordnete der Konservativen Partei hätten sich darüber beschwert, sie habe versucht, den damals noch konservativen Premierminister im Parlament mit ihren Beinen zu irritieren. Die Episode löste eine Debatte über Sexismus in der britischen Politik aus. Rayner erhielt viel Rückendeckung - auch von Politikerinnen des gegnerischen Lagers.
(APA/dpa/Reuters)
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