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Wie ich die längste Warteschlange meines Lebens erlebt habe

Noch bis 13. Oktober hat die Expo in Osaka ihre Türe geöffnet.
Noch bis 13. Oktober hat die Expo in Osaka ihre Türe geöffnet. ©VOL.AT/Springer
Osaka, Samstagmittag. Schon beim Ausstieg aus der U-Bahn war klar: Das hier wird kein gewöhnlicher Messebesuch.
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Ein Mann mit Megafon – fix montiert, emotionslos im Ton, aber effizient – stand auf dem Platz vor der U-Bahn-Station Yumeshima und dirigierte die Menge.

Ich verstehe kein Japanisch, aber die Gesten waren eindeutig: „Weitergehen. Nach links. Nicht stehen bleiben.“ Zumindest habe ich sie so interpretiert – und vermutlich lag ich nicht ganz falsch.

Der Platz vor dem East Gate der Expo 2025 ist riesig – gefühlt mehrere Fußballfelder groß. Genaue Angaben gibt es nicht. Und er füllt sich immer mehr, mit jeder U-Bahn, die ankommt. Was sich dort bot, war eindrucksvoller als jede Eröffnungsinszenierung: ein Meer aus Regenschirmen, dicht an dicht, aufgereiht in geschwungenen Absperrbahnen. Nicht wegen Regen, sondern wegen der Sonne. Auch ich durfte dort im Schatten eines dieser Schirme stehen – unerkannt, unbehelligt, beobachtend. Nicht Hunderte. Nicht Tausende. Es müssen Zehntausende Menschen gewesen sein. Und doch: kein großer Lärm, kein Gedränge, keine Unruhe. Nur Struktur. Und Geduld.

Ich war bei Konzerten, bei Festivals, bei Sportgroßveranstaltungen. Ich habe erlebt, wie sich Menschen drängen, schieben, schimpfen. Wie sich Gruppen vordrängen. Wie Ordnungskräfte an ihre Grenzen geraten. Und wie so etwas enden kann - zum Beispiel bei der Massenpanik beim „Air & Style“ am Berg Isel im Jahr 1999 mit sieben toten Menschen.

Hier war es anders. Ich war Teil einer Menschenmenge – aber es war, als wäre ich Teil eines riesigen Schwarms, der sich ruhig und in vollkommener Harmonie bewegte. Keine Ellenbogen, kein Vordrängen, kein Rucken im Rhythmus. Nicht totenstill – aber ohne Lärm. Nur ein kollektives Weitergehen.

Am Boden: keine achtlos liegengelassenen Plastikflaschen. Keine Zigarettenstummel. Kein Müll. Viele waren gut vorbereitet, hatten kleine Dreibeiner-Campingstühle dabei – vor allem ältere Menschen oder Familien für die Kinder. Kleine Ventilatoren in allen Größen, Strohhüte, Sonnenkappen, Baseball-Caps. Es wirkte wie ein geübtes Kollektiv der Selbstorganisation.

Die Security war präsent, aber im Hintergrund. Immer wieder waren freundliche Durchsagen zu hören – auf Japanisch und Englisch –, man möge sich bei Fragen oder Problemen an das Personal wenden.

Der Sicherheitscheck? Strukturiert wie ein Flughafen, aber schneller. Gepäckscanner. Metalldetektoren. Ein separates System für Flüssigkeiten. Niemand wurde gedrängt, niemand beschwerte sich. Keine genervten Blicke. Keine Ungeduld. Kein Augenrollen. Nur Ruhe. Und Effektivität.

Ich war nicht dort, um über die Organisation der Expo zu schreiben. Ich wollte eigentlich nur die Expo besuchen und sehen, wie sie sich im Vergleich zu dem Event in Dubai vor drei Jahren präsentiert und verändert hat. Aber was mir von diesem Mittag auch blieb, war dieser Platz vor dem Eingang. Diese Bewegung ohne Lautstärke. Diese Ordnung ohne Kontrolle.

Auch am Abend, als die Massen wieder zurück Richtung U-Bahn strömten, funktionierte alles reibungslos. Die Wege waren klar, die Ströme gut geleitet. Für Familien mit Kindern und ältere Menschen standen Aufzüge bereit. Kein Gedränge, keine Hektik – sondern eine bemerkenswerte Selbstverständlichkeit.

Ich weiß nicht, wie die Japaner das machen. Aber man könnte eine Menge davon lernen. Das wird wohl etwas in ihrer Natur liegen – und in ihrer Kultur verankert sein. Es ist wirklich beeindruckend, wie viel dadurch offenbar schneller, reibungsloser und respektvoller abläuft, wenn nicht jeder nur auf sich selbst schaut, sondern auf den anderen achtet. Und vielleicht gilt das nicht nur für eine Warteschlange. Sondern für ziemlich vieles.

(VOLAT)

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