Antisemitischer Brandanschlag am Wiener Zentralfriedhof: Verdächtiger angeklagt

In der Nacht auf den 1. November 2023 ist ein Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs verübt worden. Der Vorraum der Zeremonienhalle beim Tor IV brannte aus, die Außenmauern wurden mit Hakenkreuzen und Schriftzügen verunstaltet. Nach umfangreichen Ermittlungen des Landeskriminalamts (LKA) und des Wiener Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) konnte ein Tatverdächtiger ausgeforscht und nach APA-Informationen angeklagt werden.
Tatverdächtiger nicht in Nazi-Kreisen unterwegs, bisher unauffällig
Beim Beschuldigten handelt es sich um einen 27-jährigen Österreicher, der bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Auch die Verfassungsschutzbehörden hatten den Mann nicht am Radar, hieß es gegenüber der APA. Er dürfte nicht in einschlägigen antisemitischen Kreisen verkehrt haben. Der Mann bestreitet dem Vernehmen nach den nächtlichen Anschlag, bei dem ein Brandbeschleuniger eingesetzt wurde, wird jedoch von am Tatort sichergestellten Spuren, einem DNA-Gutachten und den Ergebnissen einer Rufdatenauswertung belastet.
Angeklagter blickt 20-jähriger Haftstrafe entgegen
Wie Christina Salzborn, die Sprecherin des Landesgerichts, am Mittwoch auf APA-Anfrage bestätigte, hat die Staatsanwaltschaft beim Gericht eine Anklage wegen § 3 f Verbotsgesetz (VbtG) eingebracht. Dem Mann werden somit schwere Straftaten - konkret Brandstiftung und schwere Sachbeschädigung - als Mittel nationalsozialistischer Betätigung angelastet. In dem anstehenden Prozess vor einem Schwurgericht - Termin gibt es dafür noch keinen - droht dem Angeklagten im Fall einer Verurteilung eine Haftstrafe zwischen zehn und 20 Jahren. Der 27-Jährige befindet sich derzeit auf freiem Fuß.
Durch Handy und DNA-Analyse überführt: Daten zeigen 27-Jährigen zur Tatzeit am Wiener Zentralfriedhof
Dass der Beschuldigte ausgeforscht werden konnte, ist penibler Polizeiarbeit zu verdanken. Im ausgebrannten Vorraum der Zeremonienhalle waren Spurenträger sichergestellt worden, die kriminaltechnisch untersucht wurden. Über die Chargennummern eines Schutzoveralls und einer Spraydose, die nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden dem Angeklagten zugeordnet werden können, kam man auf den 27-Jährigen. Weiters weist eine Stoff-Spur einer DNA-Analyse zufolge die genetischen Merkmale des 27-Jährigen auf. Anhand von Login-Daten seines Handys soll außerdem belegt sein, dass sich der Mann kurz nach Mitternacht im Sendebereich des jüdischen Teils des Zentralfriedhofs befunden hat.
Der Angeklagte hat in seinen bisherigen Einvernahmen bestritten, über eine eineinhalb Meter hohe Mauer geklettert zu sein, um in einem Nebenraum des Kuppelhauses Feuer zu legen. Auch mit den rechtsradikalen Schmierereien habe er nichts zu tun. Der jüdische Friedhof am Tor IV des Wiener Zentralfriedhofs ist mit mehr als 241.000 Quadratmetern eine der größten jüdischen Ruhestätten Mitteleuropas. Er wurde ab 1916 belegt, nachdem die jüdische Abteilung am Tor I zu klein geworden war.
Mutmaßlich gab es bisher nicht ausgeforschten Mittäter
Vermutlich gab es bei dem Brandanschlag einen Mittäter. Darauf lässt jedenfalls eine am Tatort zurückgelassene Flasche schließen, an der sich die genetischen Merkmale eines weiteren Mannes nachweisen ließen.
Sachschaden im sechsstelligen Bereich, wervolle Bücher "unwiederbringlich verloren"
Der Sachschaden, den der Angeklagte angerichtet haben soll, beläuft sich auf eine hohe sechsstellige Summe, wie die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) am Mittwoch erläuterte. "Die komplett zerstörte Vorhalle musste wiederhergestellt und die Innenauskleidung der Zeremonienhalle wieder instandgesetzt werden. Unter anderem verbrannten ein Thoraschrein ohne Thorarollen sowie wertvolle, zum Teil sehr alte Bücher, diese sind unwiederbringlich verloren", hieß es auf APA-Anfrage.
IKG-Präsident Oskar Deutsch dankte den Behörden "für die konsequente Ermittlungsarbeit rund um diesen abscheulichen antisemitischen Anschlag, der neben dem Sachschaden insbesondere ein erhöhtes Gefühl der Unsicherheit in der jüdischen Gemeinde hervorgerufen hat." Das entschlossene Vorgehen des Rechtsstaats sei "ein wesentlicher Bestandteil des wirkungsvollen Kampfes gegen jede Form des Antisemitismus. Jene, die solche Straftaten verüben, müssen wissen, dass sie dafür zu Verantwortung gezogen werden", hielt Deutsch in einem der APA übermittelten Statement fest.
(APA/Red)
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