AA

"Der Weltfrauentag ist für viele ein Anlass zu jammern - Für mich zu sagen, wir haben schon viel erreicht"

Erst im Jahr 1998 gab es in Vorarlberg die erste Bürgermeisterin. Damit war Vorarlberg spät dran - denn es war die 39. Bürgermeisterin in ganz Österreich. Die 72-Jährige erzählt VOL.AT bei einem Besuch bei ihr zu Hause von ihren Erfahrungen als erste Bürgermeisterin. Anlässlich des Weltfrauentages blickt sie auf Themen, wo Handlungsbedarf besteht und erklärt, warum sie eine ständige Opferrolle ablehnt.
Keine Blumen zum Weltfrauentag!

Beim Besuch von VOL.AT in ihrem Drei-Generationen-Haus erinnert sich Anna Franz 27 Jahre zurück, als sie Bürgermeisterin von Bezau wurde. Mehrere Zeitungsartikel hat sie in einer Mappe zu diesem Ereignis gesammelt. Nicht nur für sie war es nämlich besonders, sondern für das ganze Land.

Anna Franz
Medienberichte erinnern zurück. ©VOL.AT/Schwärzler

"Vorarlberg hat erste Bürgermeisterin", ist die Headline des damaligen VN-Artikels. Vorarlberg war damit weit hinter den anderen Bundesländern - es gab schon 38 Bürgermeisterinnen in Österreich bis dahin. Franz verweist aber darauf, dass Vorarlberg nicht das Schlusslicht war. Das Bundesland Salzburg war sogar noch später dran. Auf die Frage, warum Vorarlberg nicht früher eine Bürgermeisterin hatte, meint sie: "es war eben die Zeit noch nicht reif.“

Anna Franz blickt im VOL.AT-Interview 27 Jahre zurück:

Zweifel und Freude

Franz stellte sich 1998 als erste Vorarlbergerin der Herausforderug, als kein anderer die Verantwortung über Bezau übernehmen wollte. Zuvor war man an sie herangetreten, ob sie das Amt machen möchte. Ihr Vorgänger hatte aufgrund eines Konflikts aufgehört. Die Bregenzerwälderin beschreibt es als besonderes Gefühl und dass sie sich über die neue Aufgabe gefreut hat. "Andererseits dachte ich natürlich: Bin ich dem gewachsen?“, blickt sie zurück. Sie ist aber froh, dass sie sich getraut hat. Derartige Zweifel begegnen nicht nur ihr. Anderen zögernden Frauen spricht sie deswegen Mut zu, sich auch zu trauen.

Anna Franz
Anna Franz beim Gespräch mit VOL.AT. ©VOL.AT/Schwärzler

"Bestimmte Themen waren Männer nicht wichtig"

Zuvor war Franz schon mehrere Jahre in der Gemeindevertretung. Die ÖVP-Politikerin berichtet von guten Erfahrungen mit den Bezauern als Bürgermeisterin. Auch fühlte sie sich in der Gemeindevertretung wohl. Bei bestimmten Themen musste sie sich mehr Gehör verschaffen. „Bestimmte Themen wurden immer wieder von Männern nicht als wichtig angesehen", erinnert sie sich zurück. "Kinderbetreuung war für Männer nicht so wichtig. Mir war schon wichtig, dass Frauen auch arbeiten können."

Geteilte Care Arbeit

Franz selbst managte ihre Tätigkeiten in der Politik und Familie mit einem Ehemann an der Seite, mit dem sie die Care Arbeit sich aufteilte. Die beiden haben sich im Lehrerberuf kennengelernt. Ihre Kinder waren zu dem Zeitpunkt auch nicht mehr ganz klein, wendet sie ein. In einem derartigen Amt ist laut ihr die Unterstützung vom Partner im Familienleben besonders wichtig. Denn als Bürgermeisterin hat man nie frei. „Sobald man aus dem Haus geht, ist man Bürgermeister. Da wird angeredet, dort ist ein Loch im Asphalt und da brennt eine Laterne nicht", so die 72-Jährige.

Sachpoltik versus Parteipolitik

Sie nahm ihre Tätigkeit in der Gemeindepoltik deutlich anders wahr als später dann im Nationalrat, wo sie mehrere Jahre in Wien mitwirkte. In Bezau war sie an der Spitze, im Nationalrat nur eine unter 183 Poltikern. Gemeindepoltik vergleicht sie mit Sachpoltik und Nationalratspoltik mit Parteipoltik. „Und das hat mich eigentlich schon eher überrascht, dass es so parteipolitisch ist. Weil das bin ich eigentlich da nicht gewohnt gewesen in der Gemeinde.“​

Ein Blick zurück.

Anlässlich der baldigen Gemeindewahlen hat sie schon die Entscheidung gefällt, wo sie das Kreuz setzen wird. Eines ist klar: Sie wird von den Vorzugsstimmen Gebrauch machen. Manchmal juckt es sie schon noch unter den Fingern, mitzuwirken. Doch sie ist überzeugt, dass Altpoltiker sich nicht mehr zu sehr einmischen sollten. Doch auch ohne die politische Tätigkeit wird ihr nicht langweilig. Stattdessen verbringt sie ihre Freizeit mit dem Skifahren im Winter und dem Radfahren im Sommer. Zudem hält sie Museumsführungen ab und singt im Chor. Und das wichtigste: Die drei Enkel. "Zwei Tage in der Woche sind wir die Aufsichtspersonen", sagt sie strahlend.

Gleichbleibende Themen

Die Themen in der Kommunalpolitik seien heute den damaligen immer noch sehr ähnlich: Vereine, Sportstätten, Betreuung oder Bauvorhaben. In Sachen Gleichstellung habe sich aber einiges in der Gesellschaft getan. „Früher hat ist ein Mann mit einem Kinderwagen nicht spazieren gegangen. Das ist alles heute selbstverständlich.“​

Anna Franz
Anna Franz mag nicht, wenn sich Frauen als Opfer darstellen. ©VOL.AT/Schwärzler

Bei einem Thema in Sachen Gleichstellung sieht sie jedoch auch heute noch klaren Handlungsbedarf: Der Gender Pay Gap. "Aber das ist wahrscheinlich noch eine lange Strecke, bis man da gleich kommt", so die Bezauerin.

Lehnt Opferrolle klar ab

Anlässlich des Weltfrauentages will sie jedoch vermehrt auf die positive Entwicklung hinweisen. „Der Weltfrauentag ist für viele ein Anlass zu jammern. Für mich ist es eigentlich ein Anlsass, zu sagen, wir haben schon viel erreicht", sagt sie. Sie lehnt das ständige Begeben in eine Opferrolle ab. „Ich finde es nicht gut, wenn man sich ständig in der Opferrolle fühlt, weil man sich da eigentlich zukünftige Projekte irgendwo verschleiert", findet sie klare Worte.

(VOL.AT)

  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Bezau
  • "Der Weltfrauentag ist für viele ein Anlass zu jammern - Für mich zu sagen, wir haben schon viel erreicht"