Weihnachten im Pazifik: "Als Vorarlberger vermisse ich ein bisschen den guten Käse"

Heuer wird Martin Mühlbacher zum ersten Mal Weihnachten nicht mit seiner Familie verbringen - zumindest physisch. Der Hörbranzer wird nur mit einem Videoanruf am Familienfest teilnehmen. Auch ist es sein erstes Weihnachten, das er nicht in Winterjacke, sondern in kurzer Hose bei 35 Grad Celsius und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit feiert.

Weihnachten per Video
Für ihn ist es aktuell etwa die Halbzeit seines sechsmonatigen Aufenthalts auf der Hauptinsel von Kiribati Tarawa im Pazifik. Die Inselgruppe hat nur 120.000 Einwohner und liegt südlich von Hawaii und nördlich von Neuseeland.
Wenn Mühlbacher dann an Weihnachten mit seinen Eltern und Schwestern videotelefonieren wird, wird bei ihm bereits der 25. Dezember am Morgen sein - denn es sind elf Stunden Zeitverschiebung. "Ich werde in der Heimat anrufen und mit ihnen den Morgen mit einem Kaffee in der Hand und der Familie ein bisschen Weihnachten verbringen.
Dann werde ich den restlichen Tag mit den internationalen Kollegen Weihnachten feiern", sagt der 28-Jährige. Diese sind nämlich großteils auch aus dem englischsprachigen Raum, wo dieser Feiertag mehr im Vordergrund steht. Das eher kleine Team stammt aus den unterschiedlichsten Ländern, etwa ist ein Wassertechniker aus Südkorea, ein Arzt aus Shanghai und eine Hebamme aus Kenia dabei. Wie sie genau feiern werden, ist noch nicht geplant.
Harte Arbeit
Seine Kollegen und er feiern jedoch keinesfalls nur auf der Reise oder lassen nur die Seele baumeln. Sie sind auf Mission. "Also es ist kein Urlaub sondern es ist auch harte Arbeit, um da was vorwärts zu bringen und halt auch die ganzen Aktivitäten durchzuziehen, weil es halt nur einfach andere Klimazone ist und einfach andere Welt", sagt der Hörbranzer im VOL.AT-Interview. Der 28-Jährige ist auf der pazifischen Insel für Ärzte ohne Grenzen als Logistiker im Einsatz.

Trügerische Idylle
Wer Kiribati in eine Suchmaschine eingibt, stößt auf traumhafte Fotos der Inseln. Was auf Bildern malerisch aussieht mit türkiesem Wasser, grünen Bäumen und Sandstrand, führt jedoch in die Irre. "Man schaut da im Inselparadies auf Palmen und Korallenriffe, und es schaut toll aus und es ist total lässig da, aber es hat doch seine Herausforderungen und Schwierigkeiten", so der Hörbranzer über seinen Aufenthalt auf Kiribati. Es ist eines der Länder, die besonders von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind. Denn der höchste Punkt der Insel liegt gerade mal drei Meter über dem Meeresspiegel. "Man vermutet, dass es wahrscheinlich in den nächsten 70 bis 100 Jahren diese Inselgruppe in der Form nicht mehr geben wird", so der Helfer. "Das werden die ersten großen Klimaflüchtlinge sein und das wirkt sich jetzt schon auf dessen Ernährung aus", spricht der Hörbranzer über die Einheimischen.

Abgelegene Insel
Und genau dort, bei der schwierigen Gesundheitssituation der Bevölkerung, setzt das Projekt an. Diese ist sowohl von übertragbare Krankheiten, aber auch den Folgen des Klimawandels betroffen. Denn die eher einseitige Ernährung wirkt sich auf die Gesundheit aus. "Der Hauptgrund, warum wir in dem Land tätig sind, ist dass die Inselgruppe sehr abgelegen sind. Dadurch ist die Lieferkette stark belastet", so der Helfer. Gesunde Lebensmittel sind nicht leicht zugänglich. Obst und Gemüse können auf Kiribati nur schwer angebaut werden, die meisten Lebensmittel sind importiert und enthalten viel Fett und Zucker. "Die Bewohner von Kiribati essen hauptsächlich Reis und Fisch" und diese einseitige Ernährung könne auf die Gesundheit schlagen. Die Folgen zeigen sich bereits in der Bevölkerung. "26 Prozent der Frauen in Kiribati haben Typ 2 Diabetes. Das ist eine sehr hohe Rate von Diabetes".
Salziges Wasser führt zu Bluthochdruck
Während die Einheimischen zu wenig vielfältiges Gemüse und Obst konsumieren, nehmen sie teilweise zu viel Salz zu sich. Die Bewohner sind auf gesammeltes Regenwasser und Grundwasser angewiesen. Der Klimawandel hat Auswirkungen auf das Wasser, das aus dem Boden gewonnen wird. "Durch den steigenden Meeresspiegel rückt das Salzwasser praktisch in den Brunnen, was zu einer erhöhten Aufnahme von Salz in der Ernährung führt." Das kann zu einem Anstieg von Bluthochdruck führen.
Das Projekt selbst fokussiert sich besonders auf schwangere Frauen, die besonders von Diabetes betroffen sind und Mütter und Kinder eine besonders vulnerable Gruppe darstellen. Zusätzlich sind die Verbesserung des Umgangs mit medizinischen Abfällen und der Wasserqualität und die Schonung von Wasserressourcen Schwerpunkte der Mission.
Keine Logistik wie in Vorarlberg
Doch was macht ein Logistics Manager bei Ärzte ohne Grenzen? "Ich mache keine Logistik, wie man sie in Vorarlberg kennt, sondern ich bin sozusagen zuständig für die ganze Infrastruktur im Projekt. Generell ist meine Position zuständig für die ganze Sicherheit und für die Security. Also das heißt, dass unsere Aufgaben oder unsere Aktivitäten sicher für alle Beteiligten sind." Damit geht es nicht um die Sicherheit wie in Kriegsgebieten im Jemen oder Sudan etwas, sondern betrifft vor allem die Nautik, also den sicheren Transport mit dem Schiff oder Flugzeug. Transportiert werden von Menschen über Geräte und Ausrüstung bis zu Nahrungsmittel alles. In Vorarlberg hat er zuvor im Kraftwerksbau gearbeitet und gleichzeitig in Leoben in der Steiermark Sicherheitstechnik studiert. Dieses Wissen kann er nun etwa bei Krisenanalysen für LKW-Transporte praktisch in einem anderen Setting anwenden.

Käsknöpfle mit Australischem Käse
Trotz Mangel an abwechslungsreichen Lebensmitteln hat sich Mühlbacher nicht unterkriegen lassen und hat ein bisschen Heimat auf die Pazifischen Inseln geholt. Der Logistiker hat sogar schon das internationale Team mit einem der wichtigsten Vorarlberger Traditionen bekannt gemacht: "Das ist echt ein hartes Pflaster. Aber ich habe es schon geschafft, zum Käsknöpfle machen." Zwar musste Australischer Käse statt Vorarlberger Bergkäse herhalten. "Als Vorarlberger vermisse ich ein bisschen guten Käse." Aus einer Tupperware hat er eine Spätzlerkonstruktion gebaut. "Aber es hat halbwegs geschmeckt", beteuert er und hat im selben Moment augenzwinkernd Angst, ob er nach dieser Aussage wieder nach Vorarlberg einreisen dürfe.

Andere Fehlerkultur
Im Februar geht es für ihn wieder zurück nach Vorarlberg. "Ich werde viele Eindrücke und die Erfahrungen mitnehmen", blickt er dem Abschied entgegen. Etwa den pragmatischen Ansatz von Ärzte ohne Grenzen.
Besonders beeindruckt hat ihn während der Zeit auf Kiribati die andere Fehlerkultur. Als er bei einer Veranstaltung Tänzerinnen zugeschaut hat, haben sich welche in die falsche Richtung gedreht und es hat nicht alles einwandfrei funktioniert. Statt mit Scham wurde mit positiver Ausstrahlung reagiert. "Alles war super und alle haben gelacht und alle haben nur drauf gewartet, dass so ein kleiner Fehler passiert", erzählt er.
Inzwischen hat er jedoch Blut geleckt. "Ich weiß noch nicht genau, was ich machen will, aber ich will auf jeden Fall schauen, dass ich gleich noch einen weiteren Einsatz machen kann", plant er schon die nächste Mission. Wo es dann hingeht, steht noch nicht fest.
(VOL.AT)
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