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Jenseits des Urteils: Haller über den Fall Josef Fritzl und eine mögliche Freilassung aus der Haft

Prof. Reinhard Haller im Interview CR Marc Springer.
Prof. Reinhard Haller im Interview CR Marc Springer. ©VOL.AT
Lebenslange Haft und eine mögliche Freilassung: Im Interview spricht Dr. Reinhard Haller über die rechtlichen und psychiatrischen Aspekten im Fall Josef Fritzl.

In Interview mit "Vorarlberg LIVE - die Nachrichten der Woche" beleuchtet Dr. Reinhard Haller unter anderem die komplexen Verknüpfungen zwischen rechtlichen und psychiatrischen Aspekten im Fall Josef Fritzl. Die Ausführungen Hallers bieten einen prägnanten Einblick in die österreichische Justiz, insbesondere im Umgang mit Fällen schwerer psychischer Störungen und lebenslanger Haft, und werfen Fragen nach der Natur von Strafe und Resozialisierung auf.

Prof. Dr. Reinhard Haller.

Lebenslange Haft in Österreich: Eine Frage der Perspektive

Haller erläutert die Besonderheiten des österreichischen Rechtssystems in Bezug auf lebenslange Haftstrafen. "Nach 15 Jahren guter Führung kann man in Österreich einen Antrag auf Entlassung stellen", so Haller. Diese Möglichkeit, die auch im Fall Fritzl diskutiert wird, provoziert öffentliche und juristische Debatten über die Grenzen von Gerechtigkeit und Sicherheit.

  • In Österreich bedeutet eine lebenslange Haftstrafe nicht zwangsläufig Haft bis zum Lebensende. Zusätzlich zur Haftstrafe wurde Josef Fritzl in eine Anstalt für psychisch abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, was bedeutet, dass jemand, der aufgrund einer psychischen Störung als gefährlich eingestuft wird, theoretisch über die reguläre Haftdauer hinaus festgehalten werden kann. Diese Unterbringung scheint nun für Fritzl aufgehoben zu werden, da man annimmt, dass von ihm – einem 90-jährigen dementen Mann – keine Gefahr mehr ausgeht. Die Diskussion dreht sich nun darum, ob lebenslange Haft wirklich lebenslang sein sollte, insbesondere bei schweren Verbrechen. Im Falle Fritzls wird argumentiert, dass aufgrund seiner Demenzdiagnose und seines Alters eine weitere Gefährdung unwahrscheinlich ist, was zu einer möglichen Überstellung von der Maßnahmenvollzugsanstalt in eine reguläre Haft oder sogar zu einer Entlassung führen könnte.

Demenz und Kriminalität: Eine differenzierte Betrachtung

Ein wesentlicher Aspekt des Gesprächs ist der Einfluss der Demenz auf kriminelles Verhalten. Haller stellt heraus: "Eine Demenz reduziert im Allgemeinen das Aggressionsrisiko signifikant." Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung, um die potenzielle Gefährdung durch ältere, demenzkranke Straftäter realistisch zu beurteilen, und unterstreiche auch die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung im Umgang mit dieser speziellen Tätergruppe. Was bei Demenzkranken normalerweise das wirklich große Problem sei, ist die Selbstgefährdung, nicht die Fremdgefährdung.

Kann sich Fritzl noch an seine Taten erinnern?

Auch wenn Fritzl an Demenz leidet, geht Haller davon aus, dass er sich noch an seine Taten erinnern kann. Natürlich sei die Vergesslichkeit eines der Hauptsymptome, aber man müsse die Erkrankung in drei Stadien einteilen. Im ersten merkt es der Betroffene nur selbst. Im zweiten Stadium bemerkt es auch seine Umgebung und im dritten nur noch die Umgebung. In der Regel würden zuerst die kurzzeitlichen Erinnerungen verloren gehen, die langzeitlichen würden länger erhalten bleiben.

Fritzls Psyche: Ein komplexes Geflecht

Haller bietet einen Einblick in die psychologische Konstellation und Vergangenheit Fritzls. "Man könnte von einer Abnormität von höherem Grade sprechen", sagt Haller, was die Komplexität von Fritzls Persönlichkeit verdeutlicht. Der Psychiater betont auch die Rolle traumatischer Kindheitserfahrungen, weist jedoch darauf hin, dass diese nicht deterministisch für kriminelles Verhalten sind. (VOL.AT)

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