Erfahrungen aus Indien und Senegal: "Wie gibt man einem Leprakranken die Hand?"
Johannes Lins' Reise durch Indien und den Senegal ist mehr als nur ein Abenteuer. Sie ist eine Geschichte des persönlichen Wachstums, des tiefen sozialen Engagements und der menschlichen Verbundenheit. Inspiriert von einem Bericht der VN über einen Zivildiener in Kambodscha und dem Engagement seines Großonkels Diether Fink im Dhulikhel Hospital in Nepal, begann Lins' Interesse an internationalen sozialen Projekten zu wachsen.

"Ich wohnte fünf Minuten vom Dalai Lama entfernt"
In Dharamshala, Indien, verbrachte Johannes seinen Zivildienst elf Monate lang im "Tibetan Settlement Office", wo er eng mit tibetischen Flüchtlingen zusammenarbeitete. "Ich habe 5 Minuten vom Dalai Lama entfernt gewohnt" Seine Begegnung mit dem vierzehnten Dalai Lama und die Energie, die er während eines buddhistischen Vortrags mit bis zu 12.000 Teilnehmern in einem Tempel erlebte, beschreibt er als einmalig. "Die Leute fielen wie in Ekstase", erinnert sich Lins. "Ich hätte nie gedacht, dass 85-jährige tibetische Großmütterchen so eine Kraft entwickeln können."

- Der 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, führt das tibetische Volk seit über 70 Jahren an. Seit dem tibetischen Aufstand 1959 lebt er im Exil in Indien und setzt sich für die Rechte und den Erhalt der tibetischen Kultur ein und wird als eine Art Gottheit anerkannt.

"Wir haben an den kuriosesten Orten übernachtet"
Seine Reise führte ihn durch die beeindruckende tibetische Hochebene, wo er auf seiner Motorradtour ungewöhnliche Schlafplätze fand, von Baustellendächern bis hin zu Militärcamps. Lins erfuhr die Gastfreundschaft des Landes hautnah.

Ein Asylsuchender erzählt ihm von seiner Flucht
"Ich hatte die Möglichkeit, mich mit politischen Flüchtlingen, die von Tibet nach Indien geflohen sind, zu unterhalten. Diese haben die härteste Folter hinter sich und wie sie es schaffen überhaupt noch ein normales Leben zu leben ist unvorstellbar." Viele Tibeter erzählten Johannes ihre bewegenden Geschichten, wie sie Freunde und Verwandte zurücklassen mussten oder diese auf der Flucht nach Indien verloren.

- Nach der militärischen Einnahme Tibets durch China in den Jahren 1949 bis 1951, die zum Tod von etwa 87.000 Menschen führte, flüchteten viele Tibeter nach Indien, um der Unterdrückung und Verfolgung zu entkommen. Bis heute ist Tibet nicht frei: Menschen werden laut Johannes bis heute noch eingesperrt und gefoltert, wenn sie zum Beispiel ein Bild von Dalai Lama zu Hause haben.
"Ich arbeitete in einem Lepradorf"
Nach seiner Zeit in Indien führte ihn sein Weg in den Senegal, wo er sieben Monate in einem Lepradorf arbeitete. Er half dort durch die Organisation "Wissen macht stark" und den Verein Leprahilfe Senegal. Lins wurde mit den harten Realitäten des Lebens konfrontiert, darunter die Geschichte eines 70-jährigen Mannes, der trotz schwerer Lepraerkrankung seine neunköpfige Familie ernährte. Eine der brennendsten Fragen, die ihn während seiner Zeit dort beschäftigte, war: "Wie gibt man einem Leprakranken die Hand?" Er fand schließlich eine Antwort, die sowohl Respekt als auch Verbindung symbolisiert: "Fist-Bumps sind die beste Lösung. Oder, auch wenn es etwas makaber klingt, man nimmt einfach das, was noch von der Hand übrig ist."

- In Senegal hat Johannes festgestellt, dass die übliche Vorstellung von Lepra nicht der Realität entspricht. Die Krankheit führt nicht zum Verlust von Gliedmaßen, sondern ist vielmehr eine Krankheit, die Nerven befällt. Betroffene können ihre Verletzungen nicht spüren. "Zu Horrorbildern, die mit Lepra verbunden sind, kommt es nur in Extremfällen", erzählt Johannes.
"Ich lebte mit der Armut zusammen"
Trotz der Herausforderungen fand Lins auch Freude und Hoffnung. "Ich lebte mit der Armut zusammen", sagt er, und erinnert sich an die Freude, die er bei der Unterstützung der Dorfbewohner empfand. Seine Erlebnisse beim Holi-Fest in Indien und die Begegnung mit einer gastfreundlichen Familie in der pakistanisch-indischen Grenzregion zeigten ihm die Menschlichkeit und den Wunsch nach Frieden.

Johannes sah, wie die Hilfsorganisation eine wichtige Rolle im Leben des Dorfes spielte. Sie unterstützten die Dorfbewohner mit Lebensmittelgutscheinen, Schulbildung und Familienpatenschaften. "Nur durch diese Unterstützung können viele erst überleben." Darunter auch ein 70-jähriger Mann, der an Lepra litt und verkrümmte Finger hatte. Trotz seiner Erkrankung ist er der einzige Ernährer seiner neunköpfigen Familie. "Ohne Unterstützung könnte diese Familie nicht überleben." erklärt Johannes.
Nur das Internet und Fußball sind gleich
Des Weiteren hob er hervor, dass man Indien, Senegal und Österreich absolut nicht miteinander vergleichen kann. Es gibt keine Gemeinsamkeiten, weder im kulinarischen Bereich noch in der Film- oder Musikbranche. Er scherzte jedoch: "Das Einzige, was Ähnlichkeiten aufweist, ist das Internet und Fußball."

Der Verkehr in Indien ist einzigartig und unterscheidet sich stark von allem, was man sonst kennt. "Als Fußgänger fühlt man sich anfangs ängstlich und unsicher", erzählt Johannes Lins. "Man muss sich dem indischen Verkehr anpassen, da hier das Recht des Stärkeren gilt."

Riesen-Spinne im Badezimmer
Eine zusätzliche Herausforderung stellte eine große Spinne im Badezimmer dar, die die Größe einer Handfläche hatte. "In dieser Situation gibt es genau drei Möglichkeiten. Entweder entfernt man sie selbst, man teilt die Nacht mit ihr unter einem Dach oder man weckt den Nachbarn, obwohl es schon sehr spät ist." Er entschied sich dafür, sie selbst zu entfernen, was ihn im Nachhinein sehr stolz machte, da er es allein geschafft hatte.
So wird kommuniziert
"In Indien kommt man mit Englisch hervorragend weiter, in Senegal mehr mit Französisch." Johannes versuchte, sich in jedem Land anzupassen und lernte die sprachlichen "Basics", da es für ihn zum Anstand und Respekt gehört. Es hat die Leute auch sehr gefreut, ihm dabei helfen zu können und zu sehen, dass er sich dafür interessiert und bemüht.

Die Finanzierung des Trips
Finanziell wurde Lins' Aufenthalt in Indien durch eine Förderung des Sozialministeriums unterstützt: "Man bekommt circa gleich viel wie ein Zivildiener* hier in Österreich, ich habe etwa 300 Euro bekommen." In Senegal erhielt er noch eine zusätzliche Förderung vom Land Vorarlberg für nicht vom Bund geförderte Auslandseinsätze, wobei zusätzliche Kosten durch eigene Mittel gedeckt wurden. "Ich habe mit dem Verein ausgehandelt, dass ich Essen und ein Bett zur Verfügung gestellt bekomme, alles andere waren Arbeitstage."

- Die monatliche *Grundvergütung für Zivildienstleistende beträgt seit dem 1. Januar 2024 585,10 Euro, im Vergleich zu 536,10 Euro im Jahr 2023. Zusätzlich erhalten Zivildiener monatlich bis zu circa 400 Euro Verpflegungsgeld oder kostenlose Mahlzeiten, bestehend aus Frühstück, einer warmen Hauptmahlzeit und einer weiteren Mahlzeit.
"Abgesehen davon, wo will man in einem Lepradorf Party machen"
Seine Lebenshaltungskosten waren niedrig, da er fast durchgehend arbeitete und bescheiden lebte. "In Senegal war ich effektiv vier Tage am Reisen und alles andere war Arbeiten. Darum hatte ich auch nicht wirklich Ausgaben, da ich, wie zuvor erwähnt, nur gearbeitet habe. Somit konnte ich mit den 50 Euro Förderung pro Monat auskommen. Es kommt auch darauf an, wie bescheiden man lebt. Abgesehen davon, wo will man in einem Lepradorf Party machen?'"

So viel können 5 Euro bewirken
Johannes erzählt im VOL.AT-Gespräch, dass man auch mit kleinen Beträgen schon viel helfen kann. "Wir haben bei der Leprahilfe eine Brotpatenschaft für 5 Euro pro Monat. Damit bekommt ein Leprakranker jeden Tag ein Stück Brot an die Tür geliefert und das für einen ganzen Monat lang. Johannes ergänzt "Für 5 Euro bekommt man in Vorarlberg mit Glück noch ein Bier im Gasthaus oder einen Döner. Ich für mich weiß, wo meine 5 Euro besser aufgehoben sind."
Neue Realität
Lins' Erfahrungen haben auch seinen beruflichen Weg beeinflusst. "Ich bin mit weniger glücklich." Er hat sich für ein Studium in humanitärer Logistik entschieden, um Hilfsgüter in Kriegsgebiete zu organisieren und zu koordinieren.
Seine Zeit im Ausland ist eine Erinnerung daran, wie weit Mut und Neugierde einen führen können. "Es ist wichtig, dass man sich traut, auf Menschen zuzugehen", sagt Lins. Seine Reise zeigt, dass Engagement und menschliche Verbindung über alle Grenzen hinweg möglich sind. "Auch wenn ich in Indien einen Monat fürs Reisen hatte und in Senegal nur 4 Tage und der Rest wirklich Arbeit war, war es ein einzigartiges und wunderschönes Erlebnis."
(VOL.AT)
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