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Kachowka-Staudamm: Besatzungsbehörden verhängen Notstand

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Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine sind laut Angaben der russischen Besatzer im von ihnen kontrollierten Teil des Gebiets Cherson bis zu 40.000 Menschen von den schweren Überschwemmungen betroffen.
Überflutungen nach Staudamm-Sprengung
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Wasser strömt ins Kriegsgebiet

"Nach vorläufigen Prognosen sind es zwischen 22.000 und 40.000", sagte der von Moskau in Cherson eingesetzte Verwaltungschef Wladimir Saldo am Mittwochvormittag im russischen Staatsfernsehen auf die Frage, wie viele Menschen im Katastrophengebiet lebten.

Der Besatzungschef der Staudamm-Stadt Nowa Kachowka, Wladimir Leontjew, sagte zudem, dass dort rund 100 Menschen von den Wassermassen eingeschlossen seien und gerettet werden müssten. Sieben Anrainer werden den Angaben zufolge derzeit vermisst, rund 900 sollen angeblich schon in Sicherheit gebracht worden sein. Leontjew sprach zudem von mehreren komplett oder teilweise überfluteten Orten. "Der Ort Korsunka steht - mit Ausnahme der letzten Straße - komplett unter Wasser", sagte er im russischen Fernsehen.

Sieben Personen vermisst

Einen Tag nach der Zerstörung des Staudamms verhängten die russischen Besatzungsbehörden den Notstand in dem von Russland kontrollierten Teil der Region Cherson, meldete die russische Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf Rettungsdienste. Hunderttausende Menschen sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj durch den Bruch des Kachowka-Staudammes und die Überschwemmungen von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. "Die Zerstörung eines der größten Wasserreservoirs der Ukraine ist absolut vorsätzlich geschehen", teilte er auf Telegram mit.

Sieben Personen wurden in den nahe gelegenen Überflutungsgebieten vermisst, sagte der von Russland eingesetzte Bürgermeister der Stadt Nowa Kachowka, Wladimir Leontjew. Der Wasserstand ging in der überschwemmten Stadt Nowa Kachowka laut den russischen Besatzungsbehörden allmählich wieder zurück. Der Wasserstand auf den zuvor überfluteten Straßen beginne zu sinken, teilte die von Russland installierte Stadtverwaltung mit. Flussabwärts ist der Wasserstand am Ufer des Dnipro indes weiter angestiegen.

Über 1000 Hauser überflutet

Am schwierigsten sei die Lage im Viertel Korabel in der Großstadt Cherson, erklärte der stellvertretende Kabinettschef des ukrainischen Präsidenten, Oleksij Kuleba. Das Wasser habe dort einen Stand von 3,5 Metern erreicht, mehr als 1.000 Häuser seien überflutet. "Die Bewohner sitzen auf den Dächern ihrer Häuser und warten auf ihre Rettung. Das sind russische Verbrechen gegen Menschen, die Natur und das Leben an sich", schrieb Kuleba auf Telegram.

Der ukrainische Generalstab bezeichnete die Sprengung des Kachowka-Staudamms am Mittwoch als russisches Kriegsverbrechen. Ziel sei es gewesen, den Vormarsch der ukrainischen Truppen in der Region zu verhindern, teilte der Stab am Mittwoch in seinem Morgenbulletin in Kiew mit.

Folgen der Fluten in Ukraine:

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Russland und die Ukraine gaben sich gegenseitig die Schuld an der Zerstörung des Stausees, beide Seiten sprechen von einem "Terroranschlag" und einer beispiellosen Katastrophe für die Umwelt. Kiew wirft russischen Truppen vor, das Wasserkraftwerk und den Staudamm vermint und gesprengt zu haben. Moskau wiederum behauptet, die Anlage sei durch ukrainischen Beschuss zerstört worden und fordert eine internationale Untersuchung.

Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington gehen angesichts der Beweise und der Argumente davon aus, dass Russland den Staudamm absichtlich zerstört hat. Zugleich weisen sie darauf hin, dass eine endgültige Bewertung der Verantwortung derzeit nicht möglich sei.

Notstand ausgerufen

Am Dienstag hatte bereits die Ukraine mitgeteilt, dass auf der durch ihre Truppen befreiten rechten Seite des Flusses Dnipro rund 17.000 Menschen ihre Häuser verlassen müssten. Die russischen Besatzer hatten sich mit Zahlen zunächst noch bedeckt gehalten. Mittlerweile haben sie laut staatlicher russischer Nachrichtenagentur Tass zudem den Notstand im von ihnen okkupierten Teil des Gebiets Cherson ausgerufen.

Mehr als 15 Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war am frühen Dienstagmorgen in Nowa Kachowka der große Damm zerstört worden. Seitdem strömen Wassermassen aus einem Stausee. Die Ukraine ist überzeugt, Russland habe die Anlage, die es bereits seit Monaten besetzt hält und vermint haben soll, gesprengt. Auch viele internationale Politiker machen Moskau verantwortlich. Der Kreml wiederum weist alle Vorwürfe zurück und schiebt die Schuld der Ukraine zu.

Analyse von Militärstratege Reißner:

Auf Fotos und Videos hat es den Anschein, dass ein Teil der Staumauer noch steht. Weitere Angaben machte die Behörde nicht, auch nicht dazu, wer für die Zerstörung verantwortlich sein könnte.

(C) APA

Ukrainische Angriffe in Westrussland

Unterdessen gingen die Kampfhandlungen weiter. Zwei Städte in der westlichen russischen Region Kursk waren am Mittwoch ohne Strom und ein Mann wurde verletzt, nachdem die Ukraine in der Nacht Sprengstoff auf ein Umspannwerk in der Nähe der Grenze geworfen hatte, erklärte der Gouverneur der Region Roman Starovoyt. In Cherson ist nach Angaben der Behörden durch russischen Artilleriebeschuss ein Mensch getötet worden. Die russischen Truppen hätten im Laufe des vergangenen Tages die Region mehrfach beschossen, auch die gleichnamige Regionalhauptstadt Cherson, teilte Gouverneur Olexander Prokudin über den Kurznachrichtendienst Telegram mit. Dabei seien ein Mensch getötet und ein weiterer Mensch verletzt worden.

In der nordukrainischen Oblast Sumy wurden nach Angaben des Chefs des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, bei einem russischen Drohnenangriff zwei Zivilisten getötet. Eine weitere Person sei verletzt worden, teilte Jermak auf Telegram mit. Eine Drohne vom iranischen Typ Schahed habe ein Privathaus zerstört und einen Brand ausgelöst. Die russischen Streitkräfte hätten das Gebiet an der Grenze in der Nacht und am Morgen mehrfach beschossen, teilte das Präsidialamt in Kiew mit.

(APA)

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