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25 Jahre Haft für Putin-Gegner Kara-Mursa

Putin-Kritiker Wladimir Kara-Mursa wurde von einem moskauer Gericht zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Putin-Kritiker Wladimir Kara-Mursa wurde von einem moskauer Gericht zu 25 Jahren Haft verurteilt. ©AP Photo/Manuel Balce Ceneta, File
Der Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa wurde von einem Gericht in Moskau zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Das Stadtgericht verhängte das umstrittene Urteil am Montag gegen den Oppositionellen. Es ist die höchste Strafe, die bisher gegen einen Oppositionellen in Russland verhängt wurde. Der 41-Jährige, der Giftanschläge überlebte, gilt als einer der schärfsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin.

25 Jahre Haft über Putin-Gegner Kara-Mursa verhängt

Kara-Mursa war im April 2022 verhaftet worden, nachdem er den russischen Einmarsch in der Ukraine kritisiert hatte. In einem wenige Stunden vor seiner Festnahme auf dem US-Nachrichtensender CNN ausgestrahlten Interview hatte er gesagt, Russland werde von "einem Regime von Mördern" regiert. Der Politiker ist nach Angaben seiner Anwältin Maria Eismont gesundheitlich schwer angeschlagen. Sie sagte zuletzt, dass ihr Mandant in Untersuchungshaft 17 Kilogramm an Gewicht verloren habe.

Kara-Mursa wurde zudem die Diskreditierung der russischen Armee vorgeworfen. Staatliche Medien hatten unter Berufung auf Ermittlerkreise behauptet, der frühere Journalist habe gegen eine Bezahlung von rund 30.000 Euro pro Monat Organisationen aus NATO-Ländern geholfen, Russlands nationale Sicherheit zu unterhöhlen.

Alexej Nawalny sei "zutiefst empört" über das Urteil

Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny reagierte "zutiefst empört" auf die Verurteilung Kara-Mursas. Das Urteil sei "rechtswidrig, schamlos und einfach faschistisch", sagte Nawalny in einer am Montag durch sein Team in Onlinediensten veröffentlichten Sprachmitteilung. "Ich glaube, dass Wladimir Kara-Mursa aus politischen Gründen verfolgt wurde", hieß es weiter.

Empörung über das Urteil im Ausland und in Wien

Im Ausland wurde das Urteil mit Empörung aufgenommen. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte die "unverzügliche" Freilassung Kara-Mursas: "Niemand sollte seiner Freiheit beraubt werden, weil er seine Menschenrechte ausübt, und ich fordere die russischen Behörden auf, ihn unverzüglich freizulassen", erklärte der Österreicher. Das Außenministerium in Wien zeigte sich auf Twitter "zutiefst beunruhigt über die sich verschlechternde Menschenrechtslage in Russland". Es verurteilte die "politisch motivierte 25-jährige Haftstrafe" gegen Kara-Mursa "auf das Schärfste" und forderte seine sofortige und bedingungslose Freilassung.

Kara-Mursa verglich Prozess mit Josef Stalins Schauprozessen

In seiner letzten Rede in dem Gerichtsverfahren verglich Kara-Mursa seinen Prozess mit einem von Josef Stalins Schauprozessen in den 1930er-Jahren. Er lehnte es ab, das Gericht um einen Freispruch zu bitten. Er stehe zu allem, was er gesagt habe, und sei stolz darauf. "Verbrecher sollten für ihre Taten Buße tun. Ich hingegen sitze wegen meiner politischen Ansichten im Gefängnis. Ich weiß auch, dass der Tag kommen wird, an dem sich die Dunkelheit über unserem Land verziehen wird", sagte er.

Der ehemalige Journalist mit russischem und britischem Pass erschien am Montag in Handschellen in einem abgetrennten Glasraum vor Gericht. Er nahm das Urteil mit einem Lächeln auf und forderte seine Unterstützer durch Gesten auf, ihm ins Gefängnis zu schreiben. "Russland wird frei sein", sagte Kara-Mursa nach dem Urteil und zitierte damit einen bekannten Leitspruch der russischen Opposition. Wie die Anwältin Maria Eismont erklärte, will der Verurteilte Berufung einlegen. Er habe während des Prozesses "grobe Verfahrensverstöße" beanstandet, sagte sie. Außerdem ist der Politiker laut Eismont gesundheitlich schwer angeschlagen. Sie sagte zuletzt, dass ihr Mandant in Untersuchungshaft 17 Kilogramm an Gewicht verloren habe.

Putin-Kritiker: "Sitze wegen meiner politischen Ansichten im Gefängnis"

Zweimal hat der prominente Putin-Gegner rätselhafte Vergiftungen nur knapp überlebt. 2015 und 2017 war er mit Vergiftungssymptomen zusammengebrochen. Kara-Mursa und seine Unterstützer erklären, er sei Opfer von Anschlägen geworden. Die russischen Behörden streiten jede Beteiligung an den mutmaßlichen Anschlägen ab. Recherchen der Investigativgruppe Bellingcat zufolge wurde Kara-Mursa von denselben Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verfolgt, die auch in den Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny verwickelt gewesen sein sollen.

Vaclav-Have-Preis für Kara-Mursa

Der Politiker Kara-Mursa war im vergangenen Jahr mit dem prestigeträchtigen Vaclav-Havel-Preis des Europarats ausgezeichnet worden. Es erfordere unglaublichen Mut, sich im heutigen Russland gegen die Obrigkeit zu stellen, hatte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung, Tiny Kox, im Oktober gesagt. Kara-Mursas Frau nahm den Menschenrechtspreis entgegen. Sie las ein Statement von ihm vor, wonach er den Gewinn all denjenigen widme, die sich in Russland gegen den Ukraine-Krieg auflehnten. Seine drei Kinder und seine Frau leben seit Jahren in den USA.

Mit dem Vaclav-Havel-Preis zeichnet die Parlamentarische Versammlung des Europarats seit 2013 Engagement für die Menschenrechte aus. Der Preis ist mit 60.000 Euro dotiert und nach dem verstorbenen Bürgerrechtler und früheren Präsidenten der Tschechischen Republik benannt.

Kritik an dem Urteil von der EU

Die EU übte scharfe Kritik an der Verurteilung. "Die ungeheuerlich harte Gerichtsentscheidung zeigt einmal mehr, dass die Justiz politisch missbraucht wird, um Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger und alle Stimmen, die sich gegen den unrechtmäßigen russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine aussprechen, unter Druck zu setzen", teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel mit. Die Europäische Union verurteile aufs Schärfste, dass Kara-Mursa wegen politisch motivierter Anschuldigungen zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde.

Aus Sicht der EU hat das Verfahren auch nicht den internationalen Standards für ein faires und öffentliches Verfahren vor einem zuständigen, unparteiischen und unabhängigen Gericht entsprochen. So seien die Gerichtstermine für Beobachter nicht zugänglich gewesen. Die EU stehe solidarisch an der Seite von allen Russen, die von den Behörden politisch verfolgt, festgenommen oder eingeschüchtert würden, nur weil sie für die Menschenrechte kämpften, die Wahrheit sagten und das Regime kritisierten.

Ernst-Dziedzic: "Jegliche Opposition wird in Russland im Keim erstickt"

"Jegliche Opposition wird in Russland im Keim erstickt. Dass sämtliche Putin-Widersacher - von Nawalny angefangen bis hin zu Kara-Mursa - auch mit Pseudo-Strafprozessen verfolgt und in Strafhaft mundtot gemacht werden, hat bereits System. Kara-Mursa und sämtliche politische Gefangene sind umgehend freizulassen", fordert die Außenpolitik-Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic.

Das US-Außenministerium in Washington bezeichnete das Urteil als "politisch motiviert". "Kara-Mursa ist ein weiteres Ziel der eskalierenden Kampagne der Unterdrückung seitens der russischen Regierung." Das US-Außenministerium erneuerte seinen Aufruf zur Freilassung des 41-Jährigen sowie grundsätzlich zur Freilassung der "mehr als 400 politischen Gefangenen" in Russland.

(APA/Red)

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