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Leuchtturm im Dorf

Das "Haus am Winzersteig" ist ein Fremdkörper, der Sulz guttut.

Das "Haus am Winzersteig", das das Architekturbüro Hackl und Klammer selbstbewusst mitten in Sulz an eine Kurve gestellt haben, ist ein Fremdkörper, der dem Ort guttut.

Markant abgetreppter Viergeschoßer, der durch große Fenster klar gerastert ist. Gebaut aus Ziegeln, weiß verputzt mit horizontalem Besenstrich.

Der neue markant abgetreppte Viergeschoßer, der anstatt eines alten Bauernhauses städtebaulich interessant eine Kurve der Durchzugsstraße mitten in Sulz markiert, kann durchaus als Zeichen eines grundlegenden Wandels der kleinen Gemeinde gelesen werden. Obwohl noch immer mehr als dies Fläche des Gemeindegebiets als landwirtschaftlicher Grund gewidmet ist, hin zu einem beliebten Zuzugsgebiet von außerhalb. Dazu passt das "Haus am Winzersteig" mit seiner fast urbanen Anmutung perfekt. Wobei die Gemeinde von der Stimmigkeit des Baus des massiven Baukörpers an diesem zentralen Ort zu überzeugen, nicht einfach gewesen sei, sagt Architekt Martin Hackl (architektur.terminal hackl und klammer), die Gemeinde sich bei der Realisierung des Projekts allerdings als geradezu idealer Partner erwiesen habe.

Wobei der klare, aus Einsteinmauerwerk gebaute, per horizontalem Besenstrich weiß verputzte, in einen klaren Raster aus großen, fast quadratischen Fenstern strukturierte Baukörper eindeutig ein Fremdkörper in dem von Satteldächern und wesentlich kleineren Kubaturen dominierten Umfeld ist. Sich in seiner urbanen Anmutung selbstbewusst mit diesem matcht, eine neue Dimension im örtlichen Gefüge eröffnet. Um als so etwas wie ein Leuchtturm eine wichtige straßenraumbildende Funktion einzunehmen, nicht zuletzt durch den kleinen gepflasterten Vorplatz als Schleuse zwischen öffentlichem und privatem Raum.

Das vierte Obergeschoß des "Hauses am Winzersteig" ist zur Hälfte eine Terrasse, die in einen üppigen, fast wuchernden, fast das ganze Jahr blühenden Garten verwandelt worden ist.
Die Nord-Ostseite des Baukörpers ist im Wesentlichen geschlossen, der Eingangsbereich ist in die Kubatur hineingeschoben, die anschließende Wand raumhoch verglast.

Während im Erdgeschoß ein Zahnarzt seine Praxis eingerichtet hat, sind die drei Obergeschoße für sieben (Miet-)Wohnungen reserviert. Sie sind zwischen 54 und 74 Quadratmetern groß, das Penthouse hat fast 100 Quadratmeter plus einer Terrasse, die noch um zehn Quadratmeter größer ist. Hier oben ist das Reich von Gisela Schmidt, die lange nach einer Wohnung gesucht hat, um hier die für sie ideale zu finden. Nicht zuletzt durch die riesige Terrasse, auf die vom Morgen bis zum Abend die Sonne scheint. Man glaubt, sich auf einer exterritorialen Oase weitab von den Niederungen der realen Welt zu befinden. Ein Teil dieses fein in Zonen gegliederten Bereichs, wo – von einer Markise vor zu viel Sonne geschützt – gegessen bzw. in dem mit unterschiedlichen Sitzmöbeln bestückten Freiraums gefaulenzt wird, ist mit 60 x 60 Zentimeter großen Platten aus Feinsteinzeug belegt, ein kleinerer Teil bekiest. Vom „grünen Daumen“ Gisela Schmidts zur Gänze verwandelt in einen wunderbar vielfältigen Garten, in dem praktisch immer etwas blüht.

Raumhohe - holzgerahmte - Türen und Fenster bilden im großzügig dimensionierten Penthouse eine fragile Barriere zwischen Wohnraum und Terrasse.
Gisela Schmidt (2.v.l.) - hier mit Architekt Martin Hackl (li.) und INSIDE 96-Geschäftsführer und Bauherr Joe Welte (re.) - hat ihre Terrasse in einen üppigen Garten verwandelt.

Eine raumhoch verglaste Schiebetür macht den Übergang zwischen Terrasse und Wohnzimmer samt Küchenbereich fließend. Große Fenster stellen Bezüge zum Außen her, auch in den zwei kleinen Schlafzimmern, dem großen Bad sowie WC. Hier liegt helles Feinsteinzeug am Boden, die Fliesen sind weiß, die Möbel und Türen aus hellem Holz. Geöltes Eichenparkett liegt im Wohn- bzw. in den Schlafzimmern.

Die Küchen sind schnörkellos weiß und funktionell. Die Böden sind hier, wie in allen Wohnbereichen, mit geöltem Eichenparkett belegt.

Mit dieser Wohnung ganz oben können die in den unteren Geschoßen naturgemäß nicht konkurrieren. Ihre Grundrisse sind funktionell, statt einer Terrasse müssen sie sich mit einer Richtung Südwesten ausgerichteten, in den Baukörper hineingeschnittenen Loggia begnügen. Helles Feinsteinzeug liegt auch im Stiegenhaus. Die Geländer sind weiß, die Handläufe aus Holz genauso wie die Eingangstüren zu den einzelnen Einheiten.

Die Farbe Weiß dominiert auch die von Licht durchfluteten Stiegenhäuser. Am Boden liegt helles Feinsteinzeug, die Geländer sind weiß die Handläufe genauso wie die Wohnungstüren aus Holz.

Der Eingang ins "Haus am Winzersteig" ist straßenseitig in den Baukörper hineingeschnitten. Von hier aus betritt man auch die Zahnarztpraxis, die in diesem Bereich großzügig raumhoch verglast ist. Auf 220 Quadratmetern breiten sich der offene Empfangsbereich, die fünf Behandlungsräume, Warte-, Technik- und Personalräume aus. Zusammengebunden in ihrem oberen Bereich durch ein durchgehendes Glasband, was atmosphärisch dem an sich ganz bewusst sachlich kühl gehaltenen Ambiente guttut. Glas, das Weiß der Wände, Akustikdecken und eingebaute Möbel werden durch den schwarz glänzenden Gussasphaltboden und ein schnörkellos minimales Lichtkonzept reizvoll konterkariert. Einer variablen Nutzbarkeit des Erdgeschoßes wegen gibt es hier ganz bewusst nur wenige tragende Wände. Die Garage darunter hat 15 Autostellplätze.

Ein schwarzer Boden aus Gussasphalt bildet einen reizvollen Kontrast zur prinzipiell weißen, durch Lichtpunkte erhellten Zahnarztpraxis.
Der Empfangsbereich zur Praxis ist angenehm offen und hell. Jedes Detail ist funktionell und klar durchdacht.

Daten und Fakten

Objekt Am Winzersteig
Bauherr INSIDE96, Rankweil
Architektur hackl und klammer, Röthis www.architekturterminal.at
Statik Mader Flatz Schett ZT, Bregenz
Fachplanung Geotechnik: BGG Consult, Hohenems; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Heizung, Lüftung, Sanitär: Marte Diem, Bregenz; Entwässerung: Breuß Mähr, Koblach; Bauaufsicht: Querformat ZT, Dornbirn; und andere
Planung 2017–2019
Ausführung 2018–2019
Grundstück 1092 m²
Nutzflächen 496 m² (zzgl. 204 m² Arztpraxis)
Bauweise Massivbauweise (Lochziegel, Beton - decken); Putzfassade mit Besenstrich; Holzfenster geölt
Ausführung Baumeister: Wilhelm und Mayer, Götzis; Heizung, Sanitär, Lüftung: Amann, Götzis; Elektro: Obwegeser, Hohenems; Spengler: Carl Günther, Kematen; Fenster: Rieder, Zillertal; Fenster Innentüren: Josef, Götzis; Verputz: Rümmele, Dornbirn; Schlosser: Kalb, Dornbirn; und andere
Energiekennwert 32 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 3,1 Mill. Euro

Text: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

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