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Ungarn will weiterhin niemanden zurücknehmen

Doskozil traf seinen Amtskollegen in Budapest
Doskozil traf seinen Amtskollegen in Budapest
Trotz diplomatischer Anstrengungen von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will Ungarn weiterhin keine Flüchtlinge von Österreich zurücknehmen, für die es laut Dublin-Regelung zuständig wäre. "Es ist eindeutig, dass Ungarn keine Migranten zurücknehmen wird und kann", sagte Doskozils Amtskollege Istvan Simicsko bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Budapest.


Vereinbart wurde allerdings ein gemeinsames Treffen der Innen- und Verteidigungsminister Österreichs, Ungarns und Sloweniens “in den nächsten Wochen”. Dabei solle es einerseits um die Sicherung der serbisch-ungarischen EU-Außengrenze gehen, sagte Doskozil. Zudem um den Umgang mit Asylsuchenden, “die inhaltlich negativ beschieden wurden oder wo es keine formale Zuständigkeit gibt”. Auch sonst waren beide Seiten sichtlich bemüht, Dialogbereitschaft zu signalisieren und Konflikte der Vergangenheit hinter sich zu lassen. “Die Situation des vergangenen Jahres sollte für uns ein Beispiel sein, wie wir uns weiterentwickeln müssen in dieser Region”, sagte Doskozil unter Verweis über die Zehntausenden Flüchtlinge, die im Herbst 2015 teils völlig unkoordiniert und von ungarischer Seite nicht avisiert, die österreichische Grenze überquerten. “Wir wollen nicht, dass Länder in einer Region, die von Problemen betroffen sind, sich auseinanderentwickeln, dass möglicherweise Zäune entstehen”.

Kritik an fehlenden europäischen Lösungen übte sein Amtskollege Simicsko. Man habe im vergangenen Jahr gesehen, dass die Entscheidungen der EU langsam seien, erklärte er. Man sei sich einig, “dass wir in der Region schneller sein müssen”. Eine Verteilung von Flüchtlingen nach einer fixen Quote innerhalb der EU lehnte Simicsko jedoch erneut explizit ab.

Überraschend deutlich fiel auch die Kritik Doskozils an der sogenannten Dublin-Verordnung aus. Diese sieht vor, dass jenes Land für die Bearbeitung eines Asylgesuches zuständig ist, wo Schutzsuchende erstmals europäischen Boden betreten haben. “Ich bin sehr skeptisch, was die Dublin-Verordnung betrifft”, erklärte Doskozil in Budapest. “Es ist evident, dass Länder an der EU-Außengrenze nicht alle Verfahren führen können.”

Laut Angaben des Verteidigungsministerium, die auch von Zahlen des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR bestätigt werden, erreichten zuletzt rund 150 Migranten täglich über Mazedonien und Bulgarien, Serbien und Ungarn, Österreich – großteils mit Hilfe von Schleppern. Rund 70 Prozent von ihnen sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums dort bereits von den Behörden registriert worden. Damit können sie laut der sogenannten Dublin-Richtlinie aus Österreich wieder nach Ungarn “rückgeführt” werden, weil sie dort nachweislich erstmals europäischen Boden betraten.

In Folge eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom September 2015 schiebt Österreich aktuell jedoch keine Asylwerber ins Nachbarland zurück. Das will die Regierung nun ändern und betreibt deshalb Lobbying-Arbeit in Budapest. Neben Doskozil soll im Juni auch eine Delegation des Innenministeriums nach Ungarn reisen.

Hoffnung setzt Doskozil am Donnerstagnachmittag noch auf ein Gespräch mit dem ungarischen Parlamentspräsidenten Laszlo Köver, der als enger Vertrauter von Premier Viktor Orban gilt. Als möglich gilt etwa eine Reglung ähnlich jener, wie sie zwischen Berlin und Budapest besteht, die Wochenkontingente festlegten. 135 Asylsuchende schob Deutschland seit Jahresbeginn auf Grundlage der Dublin-Richtlinie nach Ungarn zurück, wie das Innenministerium auf APA-Anfrage bestätigte.

Kritik an Ungarns Umgang mit Asylwerbern kommt unterdessen immer wieder von Hilfsorganisationen und dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Täglich lässt das Land in zwei offiziellen “Transitzonen” an der serbisch-ungarischen Grenze insgesamt nur rund 30 Schutzsuchende ins Land, ganze Familien warten oft wochenlang auf die Einreise, wie UNHCR-Sprecher Babar Baloch im APA-Interview sagte: “Aktuell harren mehr als 400 Flüchtlinge vor den Transitzonen aus, ohne geeignete Unterkünfte oder Sanitäreinrichtungen. Darunter sind zahlreiche Frauen und Kinder, die Situation wird jeden Tag schrecklicher. Wir wissen von einem Mann, der 45 Tage warten musste, um einen Asylantrag stellen zu können.”

Der Rest versucht, mithilfe von Schleppern den gut drei Meter hohen Stacheldrahtzaun an der Grenze zu überwinden. Aktuell greifen die ungarischen Behörden täglich mehr als hundert “illegal eingereiste” Migranten im Landesinneren auf. Sie werden zwar festgenommen und in Lager gebracht, der Großteil von ihnen verschwindet binnen kurzer Zeit jedoch weiter in Richtung Westen, wie die große Zahl eingestellter Asylverfahren in Ungarn belegt.

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