"Der Zauberer von Oz" in der Volksoper: Fantasie statt Effekthascherei

Genannte Ingredienzen – ergänzt um liebevoll-detaillierte Ausstattung und hervorragende Akteure wie am Samstagabend vom Kinderchor über das Wiener Staatsballett bis zu Volksoperndirektor Robert Meyer als Zauberer höchstpersönlich – vermisst man im gehobenen Kinder- und Jugendtheater mittlerweile allzu oft.
Noch allzu stark in Erinnerung ist etwa Annette Raffalts Burgtheater-Version des “Oz” aus dem Jahr 2009, die mehr einem auf die Bühne gebrachten, überdrehten Science-Fiction-Blockbuster mit Zeitgeist-Anspruch glich denn einem halbwegs mitreißenden Stück Theater.
Musical mit Herz, ohne viel Schnickschnack
In der Volksoper setzt man nun auf jene Adaption, die John Kane 1987 für die Royal Shakespeare Company verfasst hat. Auch hier bildete der 1939 uraufgeführte Film mehr die Vorlage als das im Jahre 1900 erschienene Kinderbuch von Lyman Frank Baum. Was hier auf der Bühne jedoch an das filmische Genre erinnert, ist lediglich dessen Dramaturgie und nicht der Versuch, originalgetreue Requisiten wie fliegende Häuser, ganze Autos oder sonstigen Schnickschnack auf die Bühne zu transferieren.
Aber der Volksopern-“Oz” wird natürlich erst durch seine Darsteller richtig zum Leben erweckt. Und so wirbelt Johanna Arrouas als Dorothy energiegeladen und ein wenig trotzig über die Farm in Kansas, die lediglich als eine aus dem Schnürboden heruntergelassene Pappfassade auf einer vergilbten Postkarte daherkommt – allerdings mit echter Eingangstür inklusive Fliegengitter. Ebenfalls in 2D gehalten sind diverse Accessoires wie Pferdewagen, Felsen oder Maisfelder. Schwebt einmal jemand von der Decke, tut er es langsam, und die dicken Stahlseile sind Teil des Auftritts. Ein dreidimensionaler Gast stiehlt dem Ensemble jedoch die Show: Der kleine Hund Toto sieht nicht nur echt aus, sondern bewegt sich dank des unermüdlichen Einsatzes seines Puppenspielers Daniel Jeroma wie ein echter bester Freund.
“Zauberer von Oz”: Darsteller überzeugen
Zum Leben erweckt werden die angedeuteten Kulissen vor allem von den Darstellern: Neben Arrouas überzeugen Regula Rosin als liebevoll-strenge Tante Em und huldvolle Gute Hexe des Nordens, Wolfgang Gratschmaier als herzensguter Onkel Henry und Wächter in der Smaragdstadt und vor allem die drei neu gewonnenen Freunde der Dorothy: Martin Bermoser changiert mühelos zwischen verängstigtem, mutlosem Löwen und seiner langsamen, von Rückfällen durchsetzten Verwandlung in einen König seiner Gattung. Er ist es auch, der stimmlich unter den männlichen Akteuren die besten Karten hat.
Peter Lesiak gibt seine schusselige Vogelscheuche mit viel Empathie, Oliver Liebl als angerosteter Blechmann vermisst sein Herz so stark, dass man es ihm am liebsten auf die Bühne werfen möchte. Unheilstiftende Gegenspielerin der vier Freunde ist die Böse Hexe des Westens, die Christian Graf als giftgrüne Dragqueen bei jedem Auftritt grandios auf den Punkt bringt. Direktor Meyer selbst füllt seine kurzen Auftritte als Professor Marvel und Zauberer von Oz hingebungsvoll und gewitzt aus.
Gelungene Produktion in der Volksoper
Eingerichtet haben diese sehr gelungene Volksopern-Produktion Henry Mason und Helene Sommer. Für die spritzige, humorvolle, aber nie slapstick-artige Choreografie zeichnet Francesc Abos verantwortlich – in engem Zusammenspiel mit Jan Meier, der die sehr wandlungsreiche Bühne sowie die Kostüme kreierte, die in der Kansas-Welt sehr an die 50er Jahre erinnern und im Land des Zauberers von Oz der Fantasie keine Grenzen setzen. Musikalisch ist man weitgehend bei der originalen Hintergrundmusik und den preisgekrönten Songs geblieben. Und diese meistern Orchester und Chor der Volksoper unter der Leitung von Lorenz C. Aichner mit Eleganz und Gespür für das Geschehen jenseits des Orchestergrabens. Langer Jubel für einen kurzweiligen Abend, der für die Jüngsten einige Schreckmomente bereithält. Aber was wäre Theater ohne Spannung?
“Der Zauberer von Oz”, Musical nach dem Roman von L. Frank Baum, Adaption durch John Kane. Karten und Infos zum Musical in Wien gibt es hier.
(APA)
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