Scheitern von Krisengespräch heizt Proteste in der Ukraine wieder an

Massive Empörung löste auch ein Skandalvideo mit einem nackten und von Polizisten misshandelten Demonstranten aus. In dem gut einminütigen Video ist zu sehen, wie Uniformierte bei Eiseskälte mit einem offenbar zuvor verprügelten nackten Mann posieren. Zudem schlägt und tritt ein Maskierter den Aktivisten.
Polizeigewalt: Innenministerium entschuldigt sich
Die Behörden bestätigten die Echtheit des Clips und kündigten eine Untersuchung an. “Das Innenministerium der Ukraine entschuldigt sich für die inakzeptablen Handlungen der Menschen in Milizuniformen”, hieß es in einer Mitteilung. “Minister Witali Sachartschenko hat mit Nachdruck auf die Unzulässigkeit solcher Taten hingewiesen.”
Klitschko befürchtet neues Blutvergießen
Die stundenlange Unterredung mit Staatschef Janukowitsch habe nichts gebracht, sagte Oppositionsführer Vitali Klitschko. Der Präsident wolle seine Gegner hinters Licht führen. Erneut äußerte Klitschko die Sorge, es könnte zu einer weiteren Eskalation kommen. Er hoffe inständig, dass es kein neues Blutvergießen gebe, sagte er und rief seine Anhänger zu friedlichem Protest und einem “Waffenstillstand” auf. “Ich werde überleben, aber ich fürchte, dass es Tote geben wird. Davor habe ich Angst.” Schon in den vergangenen Tagen war die Lage außer Kontrolle geraten. Mehrere Demonstranten starben, Hunderte Protestierende und mehr als 150 Polizisten wurden verletzt.
Regierung erwägt keinen Rücktritt
Der frühere Box-Profi Klitschko und zwei weitere Oppositionspolitiker wollten von dem Staatsoberhaupt Zugeständnisse erreichen, um die Proteste und Zusammenstöße mit der Polizei zu beenden. Am Donnerstagnachmittag setzte Parlamentspräsident Wladimir Rybak überraschend eine Sondersitzung für kommenden Dienstag an, bei der über den Rücktritt von Regierungschef Nikolai Asarow entschieden werden soll. Nach Klitschkos Darstellung erwägen aber weder Janukowitsch noch seine Regierung einen Rücktritt. Der Oppositionsführer forderte die Bürger daraufhin auf, ihre Demonstrationen schrittweise auszudehnen: “Heute nur ein paar Städte – morgen werden es mehr. Heute ein paar Barrikaden – morgen noch mehr.”
Diesem Appell folgten seine Anhänger Freitag früh, indem etwa 1.000 von ihnen in Kiew neue Straßensperren errichteten. Sie gingen dabei über den Unabhängigkeitsplatz – das bisherige Zentrum der Proteste – hinaus und bauten die Barrikaden näher am Präsidentenpalast. Auch aus Provinzstädten wurden Proteste gemeldet. So stürmten der Nachrichtenagentur Unian zufolge Bürger im westukrainischen Riwne die Regionalverwaltung und forderten die Freilassung von Demonstranten.

Das prorussische Machtlager hatte nach Ende der Gespräche am Donnerstagabend von “ersten positiven Schritten” gesprochen. Die Regierung versprach zudem, 100 festgenommene Demonstranten binnen drei Tagen freizulassen. Allerdings kritisierte Justizministerin Jelena Lukasch, die Opposition habe sich erneut geweigert, die brutalen Angriffe nationalistischer Demonstranten auf Sicherheitskräfte sowie die Besetzung öffentlicher Gebäude zu verurteilen.
EU-Vermittler reist nach Kiew
Die Verhandlungen sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. Als Vermittler der EU wird am heutigen Freitag Erweiterungskommissar Stefan Füle in Kiew erwartet. Auch EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton will kommende Woche in die ukrainische Hauptstadt reisen. Allerdings blieben bisherige Vermittlungsversuche der EU stets ohne Erfolg.
US-Vize Biden droht mit Sanktionen
Mehrere westliche Staaten erhöhten am Donnerstag und Freitag ihren Druck auf die ukrainische Führung. US-Vizepräsident Joe Biden drohte mit Sanktionen, sollte es weiterhin zu Gewalt gegen friedliche Demonstranten kommen. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel appellierte telefonisch an Janukowitsch mit der Opposition einen ernsthaften Dialog zu führen. In Paris bestellte Außenminister Laurent Fabius den ukrainischen Botschafter ein, “um zu zeigen, dass es eine Verurteilung durch Frankreich gibt”. “Es gab den Befehl, auf die Menge zu schießen, was natürlich inakzeptabel ist,” sagte er am Freitagvormittag gegenüber dem Sender iTele.
Auslöser der Proteste war ursprünglich die Ablehnung eines Freihandelsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union durch Janukowitsch, der die frühere Sowjetrepublik stattdessen enger an Russland anbinden will. Inzwischen fordert die Opposition Janukowitschs Rücktritt und Neuwahlen.
(APA)
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