Heftige Kritik der Ärzte: „Kasse zahlt viel zu wenig für Zahnbehandlung“

Was SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger kurz vor der Nationalratswahl angekündigt hat, nämlich Gratis-Zahnspangen und eine kostenlose Mundhygiene pro Jahr für 13- bis 18-Jährige, würden Zahnärzte begrüßen, halten es mittlerweile aber für ein leeres Wahlversprechen. Denn in Salzburg wehe der Wind genau in die entgegengesetzte Richtung, kritisiert die Landes-Zahnärztekammer. Präsident Martin Hönlinger: „Die Salzburger Gebietskrankenkasse lässt finanziell schwache Familien in punkto Zahngesundheit im Regen stehen.” Die GKK plane Kürzungen bei Zahnspangen und lehne weiterhin einen Zuschuss zur Mundhygiene ab. „Und das, obwohl immer mehr Krankenversicherungen die Bedeutung von Mundhygiene erkennen und daher diesen wichtigen Zuschuss einführen”, so Hönlinger. Dass die GKK die Zahnärzte dafür verantwortlich macht, dass Patienten bestimmte Leistungen in Salzburg nicht bekommen, sei „das alte Spiel der GKK”.
Zahnspange und Mundhygiene: Für viele Familien nicht leistbar
Zahnspangen und Mundhygiene könnten noch viel mehr Kindern und Jugendlichen gesunde Zähne sichern. Die Zahnärztekammer fordert von der Kasse endlich substantielle Zuschüsse.
Fast 100.000 Jugendliche werden derzeit in Österreich mit einer Zahnspange behandelt. Mütter und Väter haben enorme Kosten zu tragen. Eine festsitzende Spange kommt auf mindestens 4.500 Euro. Die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) zahlt nur 327 Euro pro Behandlungsjahr dazu, eine Behandlung dauert zwei bis drei Jahre. Bei zwei oder drei Kindern ist der Selbstbehalt von 3.000 Euro oft einfach „nicht drinnen”.
Zahnspangen-Zuschuss wird eingeschränkt
Die Selbstbehalte müssen weg, fordern daher Zahnärzte. „Meistens liegen Zahnfehlstellungen vor, die mit den Jahren zu Gebissschäden führen würden”, so der Präsident der Salzburger Zahnärztekammer, Martin Hönlinger.
Unverständlich sei, dass die SGKK kürzlich sogar Einschnitte beim Zahnspangen-Zuschuss angekündigt hat. „Die Zuschüsse wird es nur noch für kieferorthopädische Behandlungen mit dem IOTN-Schwierigkeitsgrad 4 oder 5 geben”, kritisiert Hönlinger. Die SGKK weist die Kritik zurück. „Fast alle Zahnspangen, die bei uns eingereicht werden, fallen in die Kategorie 4 oder 5″, sagt Sprecherin Karin Hofer. Auch Behandlungen bei Grad 3 würden künftig bezuschusst – wenn medizinisch notwendig.
Patienten erhalten Geld später als bisher
Die neue Regelung sei als Vorbereitung auf ein GKK-Projekt zu sehen, mit dem die GKK ab 2014 die Kostenbelastung für Zahnspangenpatienten senken werde, so Hofer.
Zu Lasten der Patienten geändert wurde mit September jedenfalls der Zuschuss-Auszahlungsmodus. Ab dem zweiten Behandlungsjahr fließt das Geld erst nach Jahresablauf und nach dem Nachweis des Erfolges der festsitzenden Zahnspange. Die GKK begründet das so: „Immer öfter erreichen Zahnspangen-Behandlungen nicht ihr Ziel.” Gar keinen Zuschuss bekommen GKK-Versicherte, wenn sie zur Mundhygiene gehen. Dabei wäre diese Art der Prävention so wichtig. Im Notdienstzentrum der Salzburger Zahnärzte werden Jahr für Jahr dutzende kleine Kinder narkotisiert, weil ihnen völlig verfaulte Milchzähne gerissen werden müssen. „Die Beamtenversicherung hat jüngst einen Zuschuss von 35 Euro eingeführt, die SVA zahlt seit kurzem 30 Euro dazu, und die GKK zahlt nichts”, ärgert sich Hönlinger. Die GKK habe den Zahnärzten 19 Euro als Kassenersatz angeboten, was die Zahnärztekammer abgelehnt habe.
GKK-Ambulatorien sind ausgebucht
„Wir wundern uns über die Kritik der Zahnärzte”, sagt GKK-Chef Harald Seiss auf SF-Anfrage. Dabei hat die Zahnärztekammer ihrem Unmut im Dezember sogar in einem offenen Brief Luft gemacht. Um eine bessere zahnmedizinische Versorgung sozial schwacher Patienten zu erreichen, wurde eine kostenlose Mundhygiene für Unter-18-Jährige gefordert. Eine schwedische Studie zeigte: Kinder, die regelmäßig zur Mundhygiene gingen, hatten als 16-Jährige zu 90 Prozent ein kariesfreies Gebiss.
Die GKK verweist auf das Angebot in den GKK- Zahnambulatorien (Salzburg, Hallein, Bischofshofen, Mittersill, Zell am See, Tamsweg). Hier bezahlen Patienten für die erste Mundhygiene-Sitzung 56 Euro, danach 36 Euro. Aber: Die Ambulatorien mit ihren 21 Zahnstühlen sind restlos ausgebucht.
Ein weiterer Brennpunkt ist die zahnmedizinische Versorgung von schwer pflegebedürftigen Menschen. „Wir haben in Salzburg 3.000 Personen mit Pflegestufe 4 und 5. In vielen Seniorenheimen sind sie total unterversorgt”, heißt es bei der Zahnärztekammer.
Viele Heimbewohner komplett unterversorgt
Wie im SF berichtet, bieten mitunter „fahrende” Zahntechniker in den Heimen ihre Dienste an. Die GKK bezeichnet das Versorgungsproblem als „nicht so dringlich”. Schlimm werde es erst in etwa zehn Jahren, weil immer mehr Menschen statt einer Totalprothese noch eigene Zähne haben. Die GKK interpretiert diese Entwicklung laut Sprecherin Hofer so: „Das heißt, wir haben noch etwas Zeit, um ein Konzept zu entwickeln.”
Konzept für Heime wäre fertig
Die Zahnärztekammer bezeichnet das als „Hohn für die Patienten”. Sie hat ein Modell entwickelt, zu welchen Konditionen Zahnärzte die Heime versorgen würden. Derzeit bekommt ein Zahnarzt nur 16 Euro von der Kasse, wenn er in ein Altenheim fährt, um dort einem bettlägrigen Pflegepatienten einen Zahn zu ziehen.
Die GKK hat das Modell abgelehnt, sie fühlte sich überfahren. Zahnarztpräsident Hönlinger nennt es das alte Spiel, das die Kasse spiele: „Wenn Patienten eine zahnärztliche Leistung nicht bekommen, sind immer die Zahnärzte schuld.”
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