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Alles geht mit links - aber im Alltag oft weniger leicht von der Hand

Linkshänder werden nicht mehr umerzogen - doch Werkzeuge, Besteck, Maschinen: Vieles ist auf Rechtshänder ausgelegt.
Linkshänder werden nicht mehr umerzogen - doch Werkzeuge, Besteck, Maschinen: Vieles ist auf Rechtshänder ausgelegt. ©dpa (Themenbild)
Obama, Einstein, Lady Gaga - sie alle sind oder waren Linkshänder. Am 13. August wird ihnen ein ganzer Tag gewidmet. An die Bedürfnisse der linkshändigen Menschen ist aber längst nicht alles angepasst.

Mit links schreiben, löffeln oder die Flasche aufdrehen – Millionen Menschen werden als Linkshänder geboren. Im Alltag werden sie trotzdem häufig mit Schwierigkeiten und Vorurteilen konfrontiert. Linkshänder-Beraterin Anne Schwarz aus Bonn hilft ihnen, die kleinen Alltagshürden der Rechtshänder-Welt zu meistern. Zum Internationalen Linkshändertag am Dienstag, 13. August, erzählt die Psychologin im dpa-Interview von besonderen Tücken – aber auch Vorteilen – im Alltag von Linkshändern.

Als Linkshänder gehört man heutzutage zur Minderheit, oder?

Anne Schwarz: Es werden theoretisch genauso viele Menschen als Linkshänder geboren wie als Rechtshänder. Im Alltag fallen jedoch viele nicht auf, weil sie sich frühzeitig an unsere kulturellen Gepflogenheiten angepasst haben. Dass man das Essbesteck mit dem Messer rechts hält oder mit der rechten Hand schreibt. Es gibt also eine hohe Dunkelziffer von umgeschulten Linkshändern.

Inwiefern müssen sich Linkshänder denn heute noch dem Rechtshänder-System anpassen?

Schwarz: Es gibt viele Sachen, die ganz selbstverständlich nur für Rechtshänder angeboten werden. Man hat sich darauf auch kulturell geeinigt. Die Schriftsprache in unserem Kulturkreis beispielsweise, die geht nun mal von links nach rechts. Oder auf technischer Ebene dass man alle Wasserhähne in die gleiche Richtung aufdreht oder zudreht, oder auch Wasserflaschen. Solche Sachen kann man nicht ändern und trotzdem ist es für linkshändige Leute immer noch noch ein bisschen ungewohnter, als wenn Rechtshänder diese Sachen einfach ohne darüber nachzudenken benutzen.

Was ist denn im Alltag an Linkshänder angepasst?

Schwarz: In den allermeisten Kindergärten, Familienzentren oder Grundschulen ist es selbstverständlich, dass Gegenstände wie Linkshänder-Scheren oder -Anspitzer bereitgehalten werden. Im häuslichen Bereich gibt es für Erwachsene zum Beispiel Linkshänder-Kartoffelschäler oder Korkenzieher, die anders herum gewendelt sind. Also alles Gegenstände, damit Linkshänder genauso schnell Alltagstätigkeiten ausüben können wie Rechtshänder.

Gibt es auch typische Jobs, die ein Linkshänder eher macht als ein Rechtshänder? Und umgekehrt solche, die für Linkshänder immer noch schwieriger auszuüben sind?

Schwarz: Ja, es gibt Arbeitsplätze, die technisch eher für rechtshändige Leute eingerichtet sind – mit Maschinen, die beispielsweise eine bestimmte Drehrichtung haben. Die sind für Linkshänder schwieriger zu bedienen. Aber es gibt auch eine Menge Jobs, die für Linkshänder gut geeignet sind, zum Beispiel Zahnarzthelfer. Wenn man mit einem rechtshändigen Zahnarzt zusammenarbeitet, sind Linkshänder sogar im Vorteil, weil sie mit der linken Hand sicherer anreichen können. Und alle Arbeiten, bei denen linkshändige Leute ihre Qualitäten gut entfalten können, zum Beispiel als Floristin. Man weiß nämlich aus Forschungen, dass Linkshänder andere Begabungen und Talente haben als Rechtshänder.

Es gibt also klare Vorteile gegenüber dem Rechtshänder-Sein?

Schwarz: Genau. Wie man herausgefunden hat, sind linkshändige Leute unter anderem sehr assoziationsfähig, ideenreich und differenzierungsfähig in ihrer Wahrnehmung. Es sind auch sehr intuitive Menschen. Nicht, dass Rechtshänder das nicht auch sein könnten, aber bei linkshändigen Menschen ist es stärker ausgeprägt.

Auf der anderen Seite wird Linkshändern etwa nachgesagt, sie seien ungeschickt. Was steckt hinter diesen Vorurteilen?

Schwarz: Dass solche Vorurteile entstehen, liegt in den allermeisten Fällen daran, dass linkshändige Menschen nicht die geeigneten Gerätschaften haben oder Gegenstände so stehen, dass Rechtshänder besser zupacken können. Das heißt, Linkshänder müssen sich dann vielleicht noch mal anders drehen oder übergreifen, sodass es nur so aussieht, als ob sie ungeschickter wären. Linkshändige Leute sind genauso geschickt wie rechtshändige Leute. Nur finden sie oft keine optimalen Bedingungen in ihrer Umwelt vor, um genauso geschickt und schnell agieren zu können.

Menschen zwischen links und rechts

“Rechts” und “links” sind keine neutralen Seitenbezeichnungen, die Begriffe drücken traditionell auch eine Wertung aus. Rechts gilt oft als gut und stark, links als schlecht und schwach. Seit 1976 begehen Aktivisten am 13. August den internationalen Linkshändertag. In einer Welt der Rechtshänder wollen sie mehr Verständnis für Linkshänder zu wecken.

DATEN: Zwischen 10 und 15 Prozent der Menschen sollen nach vorsichtigen Schätzungen Linkshänder sein.

REDENSARTEN: Es geht mit rechten Dingen zu, man hat das Herz am rechten Fleck, ist auf dem rechten Weg oder bringt alles ins rechte Lot. Wenn man aber von einem linken Vogel mit linkischem Verhalten auf die linke Tour gelinkt wird, sollte man diese Person am besten links liegen lassen.

ABERGLAUBEN: Nach christlicher Überlieferung sitzt Christus zur Rechten Gottes, der Teufel kam vom “rechten Weg” ab. Linkshändige Frauen galten einst als vom Teufel besessen und wurden als Hexen verbrannt. Auch die schwarze Katze als klassischer Unglücksbringer soll nur für Pech sorgen, wenn sie von der linken Seite kommend den Weg kreuzt. Kommt sie von rechts, verspricht das sogar Glück.

SPORT: Überrepräsentiert sind Linkshänder im Spitzensport. So soll ihr Anteil bei Zweikampf-Sportarten wie Boxen, Fechten, Tennis oder Tischtennis bei bis zu 55 Prozent liegen. Auch das bekannteste Hand-Tor der Fußballgeschichte erzielte der Argentinier Diego Maradona (“die Hand Gottes”) 1986 beim WM-Spiel gegen England mit links.

POLITIK: Die politische Einordnung in “links” und “rechts” entstand während der Französischen Revolution. In der Pariser Nationalversammlung saßen von der Rednertribüne aus betrachtet auf der linken Seite die radikalen Revolutionäre, rechts hatten gemäßigte Abgeordnete ihren Platz. 1999 veröffentlichte Oskar Lafontaine sein Buch “Das Herz schlägt links”. Darin begründet der spätere Vorsitzende der Partei Die Linke seinen Austritt aus der SPD.

GESCHLECHT: Der rechten Seite werden männliche Eigenschaften zugeschrieben, links gilt als weiblich. Das zeigte sich vor einiger Zeit noch in der strengen Sitzordnung mancher Dorfkirchen: rechts saßen die Männer, links die Frauen.

Umlernen kann äußerst schädlich sein

Experten betonen immer wieder, dass das “Umlernen” von einer dominanten linken Hand auf eine nicht-dominante rechte Schreibhand schädlich sein kann – es irritiert das Gehirn immens. Frühes, erzwungenes Umlernen fordert einem Kind nicht nur ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration ab. Sogar psychische Probleme können die Folge sein. Inzwischen werden dementsprechend spezielle Kurs angeboten, in denen von Rechts- auf Linkshändigkeit zurückgeschult wird.

Infos zur Rückschulung:

(dpa/ red)

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