Juncker stolpert über Geheimdienstaffäre - Luxemburg vor Neuwahl
Er werde mit Großherzog Henri über das weitere Vorgehen sprechen, sagte der dienstälteste Regierungschef in der EU am Donnerstag nach einer Kabinettssitzung. Der Entscheidung des Großherzogs wolle er nicht vorgreifen. Ein möglicher Termin für die Neuwahl könnte der 20. Oktober sein.
Neuwahl statt Abgang von politischer Bühne
Regierungssprecher Guy Schuller wies darauf hin, dass die Regierung nicht zurückgetreten sei. Die Minister wollen zunächst im Amt bleiben. Damit wäre es faktisch ein Rücktritt im Herbst. Wirtschaftsminister Etienne Schneider vom sozialdemokratischen Koalitionspartner sagte: “Bis dahin wird alles beim Alten bleiben. Wir werden nicht abgesetzt oder uns absetzen lassen.”
Der Koalitionspartner hatte Juncker die Unterstützung versagt und personelle Konsequenzen wegen einer Affäre um illegale Abhöraktionen, Bombenanschläge und mutmaßliche Korruption gefordert. Juncker hatte am Mittwoch im Parlament einen Rücktritt abgelehnt, aber Fehler eingeräumt. Am Abend hatte Juncker dann angekündigt, Neuwahlen vorzuschlagen. Der Bericht eines Untersuchungsausschusses gibt ihm die politische Verantwortung für ein jahrelanges Eigenleben des luxemburgischen Geheimdienstes. Noch am Mittwochabend hatte es geheißen, Juncker wolle am Donnerstag offiziell seinen Rücktritt verkünden.
Geheimdienstskandal um illegale Abhörpraktiken
Abhören mit einer präparierten Armbanduhr, dubiose Geheimdienst-Geschäfte mit Luxusautos und eine nicht aufgeklärte Bombenserie: Der Skandal, der das Großherzogtum derzeit erschüttert, liest sich beinahe wie ein Agententhriller.
Ins Rollen brachte die Affäre die luxemburgische Zeitung “d’Letzebuerger Land” Ende 2012. Das Blatt veröffentlichte wortgetreu eine Unterredung, die Regierungschef Jean-Claude Juncker 2007 mit dem damaligen Geheimdienstchef Marco Mille führte. Mille trug eine mit einer Wanze präparierte Armbanduhr und hatte das Gespräch heimlich mitgeschnitten. 2012 kamen auch Berichte über ein unrechtmäßig abgehörtes Gespräch zwischen Juncker und Großherzog Henri an die Öffentlichkeit. Dabei ging es um die sogenannte Bombenleger-Affäre (“Bommeleeer”) in den 80er-Jahren.
Juncker wird nun vorgeworfen, sich zu wenig um die illegalen Aktivitäten des Geheimdienstes “Service de renseignement de l’Etat luxembourgeois” (Srel) gekümmert zu haben. Juncker trage die “politische Verantwortung” für das jahrelange unkontrollierte Treiben des Srel, stellte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss am vergangenen Freitag fest.
Neuwahl muss nicht Junckers Ende bedeuten
Juncker lehnte in einer Parlamentsdebatte am Mittwoch jedoch einen Rücktritt ab. Die Neuwahl muss nicht sein Ende in Luxemburg bedeuten: Juncker will wieder antreten. “Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass ich nicht mehr zur Wahl antreten würde”, sagte er nach dem langen Tag im Parlament vor Reportern.
Er wolle mit seiner Partei um die Zustimmung der Luxemburger ringen, so der Premier. Junckers Partei ist in dem kleinen, aber wohlhabenden Land die dominierende politische Kraft: Mit einer Ausnahme hat die CSV seit dem Zweiten Weltkrieg jeden Ministerpräsidenten gestellt.
Juncker: Einer der Väter des Eur
Seit 1995 steht Juncker an der Spitze der Luxemburger Regierung. Er ist einer der Väter des Euro und war wesentlicher Autor des EU-Maastricht-Vertrags. Von 2005 bis Jänner 2013 stand er an der Spitze der Eurogruppe, der Finanzminister der Länder mit Euro-Währung.
“Mr. Euro” räumt Fehler ein
Juncker räumte in der Parlamentsdebatte Fehler ein, rechtfertigte aber sein Handeln. “Darum kann ich beim besten Willen – aber ich befinde mich in der Hand des Parlaments – keine persönliche Verantwortung auch subjektiver Natur erkennen”, sagte der 58-Jährige. Wenn Geheimdienstoperationen schief gegangen seien, habe er sie aber gestoppt. Er habe nicht von allen Operationen gewusst und nicht alle Informationen überprüfen können.
Fünf illegale Abhöraktionen seit 2000
Es habe fünf illegale Abhöraktionen des Geheimdienstes seit 2000 gegeben, sagte Juncker. Er habe aber umgehend den Geheimdienst-Chef beauftragt, alles zu durchforsten. Auch den Vorwurf mangelnder Information wies er zurück. Das reichte den Sozialdemokraten nicht, sie forderten wie die Opposition Neuwahlen.
Der damalige Chef des Geheimdienstes Srel, Marco Mille, hatte mit einer Spezialuhr 2007 heimlich ein Gespräch mit Juncker aufgenommen. Ende 2008 erfährt Juncker davon, erst 2010 geht Mille. Juncker sagte, er habe von diesem Abhören nichts gewusst.
Luxemburger Prinz in Bombenleger-Affäre verwickelt?
Auch eine Bombenleger-Affäre spielt eine Rolle dabei. Es geht um eine Serie von 20 Sprengstoffanschlägen zwischen 1984 und 1986 mit mehreren Verletzten. Das Gerücht kursiert, dass ein Zeuge den Luxemburger Prinzen Jean in den 1980er Jahren bei einem Bombenanschlag beobachtet haben soll, was dieser bestreitet.
(APA/ dpa/ red.)
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