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Jane Eyre

Zig mal wurde die Schauerromanze "Jane Eyre" nach dem Roman-Klassiker von Charlotte Bronte schon verfilmt. 1944 spielte Orson Welles unter der Regie des Briten Robert Stevenson ("Mary Poppins") den mürrischen Hausherrn Edward Rochester, der die junge Jane Eyre (Joan Fontaine) auf dem düsteren Anwesen Thornfield Hall als Erzieherin einstellt. Alle Spielzeiten auf einen Blick

Der italienische Alt-Regisseur Franco Zeffirelli gab der Gothik-Geschichte aus dem Jahr 1847 einen sentimentalen Touch, als er 1995 William Hurt und Charlotte Gainsbourg als das ungleiche Paar vor die Kamera holte. Jetzt vertraute Hollywood den alten Stoff einem jungen Newcomer an.

Bei dem 34-jährigen Kalifornier Cary Fukunaga, halb japanischer, halb schwedischer Abstammung, ist das Melodrama in besten Händen. Fukunagas zweiter Spielfilm, der am Freitag in den heimischen Kinos anläuft, hat dieselbe fesselnde Intensität wie sein Regiedebüt “Sin Nombre”, mit dem er 2010 die brutale Welt mexikanischer Jugendbanden darstellte. Die Jury des Sundance Festivals zeichnete “Sin Nombre” für die beste Regie und die beste Kameraführung aus.

Zusammen mit Kameramann Adriano Goldman fängt Fukunaga jetzt die düstere Stimmung der wilden englischen Moorlandschaft, die Einsamkeit des schaurigen Landsitzes und die viktorianische Enge der vermeintlich tugendhaften Gesellschaft ein. Neben den Bildern ist es vor allem die geniale Besetzung der Charaktere, die einem Millionenpublikum seit Jahrzehnten vertraut sind, die aber durch Mia Wasikowska und Michael Fassbender neu aufleben.

Wasikowska ist Hollywoods neuer Shooting-Star. Die 22-jährige Australierin spielt in Gus van Sants “Restless” eine sterbenskranke junge Frau, in “The Kids Are All Right” ist sie die Teenager-Tochter eines Lesbenpaares, in Tim Burtons “Alice im Wunderland” glänzt sie in der Titelrolle. Als die blasse, ungeschminkte Gouvernante Jane Eyre mit strenger Scheitelfrisur bringt sie eine ganze Palette von Emotionen zum Vorschein: ernst, stark, stolz, verzweifelt, verlassen und am Ende geliebt.

Michael Fassbender (34), Sohn eines Deutschen und einer Irin, zeigt als Mr. Rochester erneut seine Verwandlungskunst. Zuletzt war er der kämpferische Magneto in “X-Men: Erste Entscheidung”, der angespannte Psychiater Carl Gustav Jung in “Eine dunkle Begierde”, ein sexsüchtiger Geschäftsmann in “Shame” und ein abgemagerter Häftling in “Hunger”. “Fassbender war meine erste Wahl. Er kam mir sofort in den Sinn – wegen seiner Intensität, nicht unbedingt weil er wie der typische Rochester aussieht”, sagte Regisseur Fukunaga vor dem US-Start von “Jane Eyre” der Nachrichtenagentur dpa.

Er ist nicht Orson Welles’ furchteinflößender, stimmgewaltiger Rochester. Fassbender spielt den von einem schrecklichen Geheimnis gequälten Schlossherren vielmehr als galanten Intellektuellen, der von seinem Schicksal zermürbt wird. Er lässt Jane Eyre den Vortritt, schließlich ist es ihre Geschichte. Fukunaga erzählt ihr Leben in Flashbacks: Als Waisenkind von den Verwandten verstoßen, im Internat gequält, in ihrer heimlichen Liebe zu Rochester zerrissen.

Die bedrückende Enge, aus der Jane Eyre auszubrechen versucht, verspürte Mia Wasikowska bei den Dreharbeiten buchstäblich am eigenen Leib: “Die Kleider waren so eng, dass ich mich nicht einmal bücken konnte, um meine Schuhe zu schnüren. Jeder Atemzug war eine Anstrengung”, erzählte die Schauspielerin nach einer Filmvorführung in San Francisco über die Kostüme, die nach der Kleidung des 19. Jahrhunderts maßgeschneidert wurden.

Auch die Nebenrollen sind perfekt besetzt. Die britische Oscar-Preisträgerin Judi Dench spielt Rochesters ergebene Haushälterin Mrs. Fairfax. Jamie Bell, der als “Billy Elliot” bekannt wurde, mimt einen Pfarrer, der Jane nach ihrer Flucht aus Schloss Thornfield aufnimmt.

Für Fukunaga war nach eigenen Worten die größte Herausforderung, “die richtige Balance zwischen Horror und Romanze” zu finden. Und eine Geschichte neu zu erzählen, “die Millionen von Lesern bekannt ist”. Trotz der altmodischen Sprache ist es ein zeitloses Liebesdrama, mit klugen Dialogen, spannender Leidenschaft und einer denkenden Titelheldin, die sich gegen die Konventionen auflehnt und sich selbst treubleibt.

(APA)